Ein AfD Logo auf eine Wand gebeamert
Flickr | vfutscher - CC BY-NC 2.0

➡️ Wofür steht die AfD? - Eine kritische Analyse der Wählerschaft und des Wahlprogrammes

Die Alternative für Deutschland (AfD) ist derzeit in aller Munde. Laut aktuellen Umfragen könnte sie bei den nächsten Bundestagswahlen ihr Ergebnis auf 20 Prozent verdoppeln. Bei den anstehenden Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg im Herbst 2024 wird die AfD sogar als stimmenstärkste Partei gehandelt. Viele Bürger und Bürgerinnen glauben, dass es mindestens eine AfD-geführte Landesregierung geben wird. (Zeit 2024

Doch dann kamen die Enthüllungen um das Geheimtreffen in Potsdam und große, landesweite Demos gegen die rechtspopulistische Partei. Das sorgte erst mal für einen Dämpfer der Umfragewerte. Zudem tauchten mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht und der Werteunion zwei neue populistische Parteien auf, die um die AfD-Wählerschaft werben. 

Doch was macht die AfD bislang so erfolgreich? Bessere Welt Info setzt sich kritisch mit der rechten Partei auseinander und schaut auf die Gründe für den derzeitigen Erfolg. Dafür beschäftigen wir uns ausführlich mit der AfD-Wählerschaft, der Jugendorganisation ➡️ Junge Alternative, dem Wahlprogramm, beleuchten die wichtigsten politischen Positionen: Wer profitiert davon - und wer nicht?

Zudem gibt es die wichtigsten Analysen, Videos und Artikel zur AfD auf einen Blick. Wir schauen auf Gegenstrategien gegen Rechtspopulismus, analysieren wofür die AfD wirklich steht oder behandeln das Verhältnis zum Verfassungsschutz oder die Spendengeldaffäre

Wie ist die AfD entstanden?

Die AfD entstand als Reaktion auf die Finanz- und Eurokrise, die Europa in den Jahren nach 2008 erschütterte. Die Partei wurde offiziell am 6. Februar 2013 gegründet. Einflussreiche Gründungsmitglieder waren vor allem Wirtschaftswissenschaftler, Geschäftsleute und Konservative, die mit der europäischen Politik in Bezug auf den Euro unzufrieden waren.

Die Gründungsidee der AfD war ursprünglich auf ökonomische Themen fokussiert, insbesondere auf die Ablehnung des Euro als gemeinsame Währung in der Eurozone. Die Gründungsmitglieder argumentierten, dass die Eurozone ein fehlerhaftes Konzept sei und dass die deutschen Steuerzahler für die finanziellen Probleme anderer Länder haften müssten. Sie forderten eine Reform der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion oder sogar den Austritt Deutschlands aus dem Euro.

Im Laufe der Zeit entwickelte sich die AfD jedoch zu einer breiteren Plattform, die auch andere politische Themen ansprach. Insbesondere nach der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 verschob sich der Schwerpunkt der Partei hin zu Themen wie Einwanderung, Identitätspolitik und Sicherheit. Diese Veränderung trug zur populistischen Ausrichtung der AfD bei, man setzte zunehmend auf migrations- und flüchtlingsfeindliche Positionen und zog Wähler an, die mit der etablierten Politik unzufrieden waren.

2017 zog die AfD mit 12,6 Prozent erstmals in den Bundestag ein. Bei der folgenden Bundestagswahl konnte man nur 10,3 Prozent erreichen, aber aktuell ist die AfD mit ihren populistischen Parolen erfolgreicher denn je. Die Partei zählt 34.000 Mitglieder, sie ist im Bundestag, dem EU-Parlament und in fast allen Landtagen vertreten - womöglich mit deutlich mehr politischer Macht nach den nächsten Wahlen.

 

Eine Statistik, die die Wählerschaft der AfD analysiert
Statista 2019

Wer wählt die AfD?

Die AfD-Wählerschaft ist häufig männlich, zwischen 45 und 59 Jahre alt und hat ein geringes bis mittleres Einkommens- und Bildungsniveau (n-tv 2023). Häufig sind sie Teil der Arbeiterklasse oder arbeitslos. Nur 5 Prozent der Studenten und Schüler würden die AfD wählen (jstor 2016). Die soziale und politische Teilhabe der Wähler ist gering und sie sind überdurchschnittlich unzufrieden mit der Wirtschaft, der Gesellschaft und ihrem eigenen Leben.

Analysen zeigen, dass 32 Prozent der Nichtwähler der vergangenen Bundestagswahl heute AfD wählen würden, gefolgt von 15 Prozent damaligen FDP-Wählern, 10 Prozent CDU und 9 Prozent Linke (DIW 2023). 48 Prozent der AfD-Wählerschaft ordnen sich zudem politisch dem rechten Lager zu, nur 19 Prozent sehen sich in der politischen Mitte.

Demografisch ist die Wählerschaft vor allem in Ostdeutschland zu verorten, insbesondere in ländlichen und strukturschwachen Regionen, die zunehmend ökonomisch und infrastrukturell abgehängt werden und wo die Abwanderung und Perspektivlosigkeit junger Menschen hoch ist. Der hohe Stimmenanteil bei den vergangenen Wahlen lässt sich, laut Untersuchungen, vor allem auf diesen Umstand zurückführen (bpb 2022)

Was steht im AfD-Wahlprogramm?

Die Partei steht für eine extrem neoliberale Finanzpolitik und setzt sich für eine Senkung der Erbschaftssteuer und gegen die Besteuerung großer Vermögen ein. Den Solidaritätszuschlag für Spitzenverdiener möchte sie komplett abschaffen. Zusätzlich sollen Maßnahmen umgesetzt werden, um die Macht der Märkte zu vergrößern und staatliche Regularien zu senken. Damit vertritt die AfD sogar eine marktorientiertere Wirtschafts- und Finanzpolitik als die FDP.

Klimapolitisch lehnt die AfD Maßnahmen zum Schutz der Umwelt und des Klimas weitgehend ab. Sie setzt sich gegen den Kohleausstieg 2038, das Verbot von Verbrennungsmotoren, den Ausbau der Windenergie oder die Besteuerung des Flugverkehrs ein. Auch in der Sozialpolitik vertritt die AfD eine klare Linie: drastische Kürzungen der Sozialleistungen. Sie setzt sich gegen die Stärkung von Mieterrechten, die Anhebung des Mindestlohns und inklusive Schulen ein. Bildungsungerechtigkeit, Kinderarmut oder prekäre Beschäftigungsverhältnisse werden außerdem von der AfD nicht thematisiert. Stattdessen möchte man das Bürgergeld kürzen, auf sechs Monate begrenzen und Arbeitslose zu Bürgerarbeit zwangsverpflichten.

Auch gesellschaftlich setzt die AfD auf Exklusion und Ausgrenzung. Die Rechte und Freiheiten von Minderheiten sollen begrenzt werden: Man spricht sich gegen die Anerkennung von islamischen Verbänden aus oder möchte die Leistungen von Geflüchteten massiv kürzen und deren gesellschaftliche Teilhabe weitestgehend unterbinden. Auch gegen unterschiedliche Geschlechtsidentitäten oder Familienmodelle abseits der traditionellen Kernfamilie setzt man sich zur Wehr und spricht sich für eine Verschärfung des Abtreibungsrechts aus. Daneben lehnt man das Wahlrecht ab 16 Jahren oder die doppelte Staatsbürgerschaft ab. Die AfD ist zudem die einzige Partei im Bundestag, die sich für einen Austritt aus der EU ausspricht.

 

Verteilung von Flyern der Alternative für Deutschland zur Niedersächsischen Kommunalwahl am 11. September 2016
Wiki | Oxfordian Kissuth - CC BY-SA 3.0

Im Vergleich zu den Positionen anderer im Bundestag vertretener Parteien hat die AfD, laut einer Wahl-O-Mat-Analyse, die größten inhaltlichen Gemeinsamkeiten mit der CDU und der FDP – vor allem in den Bereichen Soziales, Klima, Wirtschaft und Steuern. Zu den Grünen und der Linken sind die Unterschiede am größten. Wie sich die AfD und das neu gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht vergleichen lassen, wird sich erst noch zeigen müssen.

Grundlegend gilt: Die Mehrheit der AfD-Wähler und Wählerinnen würde unter einer AfD-Regierung leiden – und das in fast allen relevanten Politikbereichen. Denn Steuersenkungen für Reiche, niedrigere Löhne für Geringverdiener und massive Kürzungen der Sozialleistungen würden die AfD-Wählerschaft stärker treffen als die Wähler anderer Parteien (AfD - Der Feind der Beschäftigten, DGB). Die AfD-Politik würde im Extremfall dazu führen, dass die Einkommensungleichteit zunimmt und Einkommen von unten nach oben verteilt wird.

Eine stärkere Marginalisierung und noch geringere soziale und politische Teilhabe wären die Folge für die AfD-Wählerschaft. So stimmte die AfD im Bundestag bereits gegen Gesetzesentwürfe für die Einführung eines Mindestkurzarbeitergeldes oder einen Corona-Zuschlag für die Ärmsten. Die wirtschaftlichen Folgen eines EU-Austritts und eines ungebremsten Klimawandels würden alle sozial Schwachen in der Gesellschaft schwer belasten: Menschen mit Behinderungen, Geflüchtete, Menschen mit Migrationshintergrund - und viele AfD-Wähler.

Warum ist die AfD dennoch so erfolgreich?

Nun stellt sich die Frage, warum derzeit ein Fünftel der deutschen Wählerschaft die AfD als unterstützenswert ansehen, obwohl sie nicht deren Interessen und Wünsche vertritt oder sogar aktiv dagegen arbeitet? Eine Antwort liegt in der starken Rhetorik der AfD gegen sozial ausgegrenzte Gruppen begründet. Durch die Hetze und Diskriminierung gegen Geflüchtete, Menschen mit Migrationshintergrund oder die LGBTQIA-Community schafft es die AfD ihren Anhängern glaubhaft einzureden, dass sie von einer Kürzung der Leistungen und Rechte für diese Gruppen profitieren würden.

Die Wähler realisieren nicht, dass diese Politik der Ausgrenzung und Diskriminierung vor allem auch ihnen schadet, wenn dadurch Sozialleistungen gekürzt werden, Steuern für Reiche nicht umgesetzt werden oder Arbeitsplätze durch eine Schwächung der EU verloren gehen. Statt die wahren Verursacher für Sozialabbau, mangelnde Infrastruktur oder sinkende Löhne zu benennen, setzt die AfD auf eine perfide Strategie, bei der die sozial schwachen Klassen gegeneinander ausgespielt werden.

Klimawandel, Fluchtbewegungen, Ukrainekrieg, Inflation, steigende Energiepreise. Viele Menschen nehmen die Krisen unserer Welt wahr, sind verunsichert und fürchten um ihren Lebensstandard. Und das zu Recht - denn in Deutschland wachsen Vermögens- und Einkommensungleichheit. Die Armutsgefährdung, vor allem bei Kindern und Rentnern, nimmt zu. 2022 waren 17,3 Millionen Menschen von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht – das sind 21 Prozent der Gesamtbevölkerung und 21 Prozent der Kinder in Deutschland (statista 2023). Dadurch sind Menschen auch vermehrt von Wohnungslosigkeit, Schulden oder mangelnder Gesundheitsversorgung betroffen.

 

Info-Grafik zum rechten Gedankengut der AfD Wählerschaft
statista 2020

Politische Entscheidungen werden maßgeblich von Unternehmen, Millionären und Lobbyisten beeinflusst, die wichtige Reformen verschleppen und ihre Agenda durchsetzen, entgegen gesellschaftlichen Interessen. Politische Maßnahmen der Privatisierung, Kommerzialisierung und Deregulierung unterstützen dies und parteiübergreifend wird mitgemacht – denn man ist angewiesen auf hohe Parteispenden und unternehmerischen Rückhalt.

Dabei offenbart sich ein entscheidender Punkt: Viele Menschen in Deutschland fühlen sich von der derzeitigen Politik abgehängt, nicht mehr ernst genommen oder vergessen – vor allem in strukturschwachen ostdeutschen Städten. Das sorgt für Frust gegen eine Bundespolitik, die als elitär und lebensfremd empfunden wird. Laut einer Umfrage des ARD-DeutschlandTrends gaben 75 Prozent der befragten Wahlberechtigten an, unzufrieden mit der aktuellen Ampel-Regierung zu sein (statista 2023).

Günstiger Nährboden für die AfD. Denn viele AfD-Anhänger fühlen sich bestätigt, wenn die Partei ihnen erklärt, dass sie allein die Opfer der derzeitigen Gesellschaft und der Politik sind. Dass nur sie in der Gesellschaft ausgeschlossen und diskriminiert werden. Dafür werden auch sehr effektiv soziale und alternative Medien-Kanäle genutzt. Dort werden durch provokante Videos und gut platzierte Memes viele Menschen erreicht, für Aktionen mobilisiert und die Reichweite politisch geschickt ausgespielt. Dass sie durch die politischen Maßnahmen der AfD, aber die gewünschte politische Teilhabe, bessere Arbeitsplätze oder mehr Sicherheit erhalten, ist in Anbetracht der Realpolitik der AfD schlichtweg falsch.

Die Analyse des AfD-Wahlprogramms verdeutlicht: Die Partei würde die soziale Ungleichheit in Deutschland zusätzlich befeuern und den Interessen von Lobbyisten, Unternehmen und Reichen ebenso Vorrang gewähren, wie es die derzeitigen Regierungsparteien tun.

Andererseits zeigt sich mit Blick auf den Erfolg der AfD ein weiterer besorgniserregender Trend. Denn laut Untersuchungen geben drei Viertel der AfD Wählerschaft an, die Partei nicht aus Protest, sondern aufgrund ihrer persönlichen Grundüberzeugung zu wählen. Knapp jeder dritte AfD Wähler besitzt laut der Untersuchung ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild (BR 2023). Der rechte Flügel der AfD um Björn Höcke gewinnt dabei zunehmend an Einfluss. Die Gruppierung tritt völkisch-nationalistisch und mit aggressiver Rhetorik auf, man erklärt sich zur "Widerstandsbewegung" gegen die etablierte Politik und drängt gemäßigtere Kräfte aus der Partei (Dlf 2019).

Die AfD vertritt ein politisches Angebot, das anschlussfähig ist an viele soziale Milieus in Deutschland. Über die Hälfte der Wählerschaft sind Stammwähler, die sich auch von einer möglichen Einordnung als rechtsextreme Partei nicht abschrecken lassen – im Gegenteil. In Zeiten, in denen die rechtsextreme Szene wächst, es vermehrt zu rechten Straftaten kommt und der Antisemitismus zunimmt, rückt der Rechtsextremismus zunehmend in gesellschaftlich akzeptierte Sphären. Eine rechtsextreme Partei in Deutschland ist da für viele kein rotes Tuch mehr - vor allem, wenn sie wie in Italien, Ungarn, Österreich oder Schweden bereits erhebliche politische Macht ausüben.

Mehr Demokratie für eine Bessere Welt

Zunehmender Rechtsextremismus und eine aktuelle Politik, die in der Geopolitik die Positionen der USA vertritt und statt Ursachen wie Sozialabbau oder die Auswirkungen des Klimawandels zu bekämpfen, weiterhin auf Profite und Machterhaltung setzt. Damit sich daran etwas ändert, braucht es politische Reformen gegen Korruption und Lobbyismus, mehr Angebote zu politischer Bildung oder Bürgerbeteiligung und vor allem auch neue progressive und demokratische Bündnisse.

Bessere Welt Info setzt sich ein für einen politischen Fortschritt – hin zu Demokratie, Verständnis und Toleranz und gegen Ausgrenzung, Hetze und Diskriminierung.

Autor: Maximilian Stark 10.01.24, lizenziert unter CC BY-NC-SA 4.0

Für mehr Infos lies unten weiter ⬇️

Datenschutzinformation
Der datenschutzrechtliche Verantwortliche (Dr. Norbert Stute, Österreich) würde gerne mit folgenden Diensten Ihre personenbezogenen Daten verarbeiten. Zur Personalisierung können Technologien wie Cookies, LocalStorage usw. verwendet werden. Dies ist für die Nutzung der Website nicht notwendig, ermöglicht aber eine noch engere Interaktion mit Ihnen. Falls gewünscht, können Sie Ihre Einwilligung jederzeit via unserer Datenschutzerklärung anpassen oder widerrufen.