FPÖ-Generalsekretär NAbg. Christian Hafenecker, Koordinator der Historikerkommission Andreas Mölzer und dem Historiker Thomas Grischany
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Wofür steht die ➡️ FPÖ? - Kritische Analyse der Wählerschaft und des Wahlprogrammes

Die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) könnte bald Österreich regieren. Aktuelle Umfragen zur kommenden Nationalratswahl 2024 sehen die FPÖ als stimmenstärkste Kraft – sie kann mit über 30 Prozent der Stimmen rechnen. Und das nur vier Jahre nachdem der damalige FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache und FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus öffentlich im Ibiza-Video ihre Bereitschaft zur Korruption und illegalen Parteifinanzierungen oder die Übernahme unabhängiger Medien andeuteten. 

Doch was macht die FPÖ so erfolgreich? Bessere Welt Info setzt sich kritisch mit der rechtspopulistischen Partei auseinander und schaut auf die Gründe für den derzeitigen Erfolg. Dafür beschäftigen wir uns ausführlich mit der FPÖ-Wählerschaft, dem Wahlprogramm und vergangenen politischen Entscheidungen und fragen: Wer profitiert davon - und wer nicht?

Die Geschichte der FPÖ 

Die FPÖ wurde 1956 gegründet und hat ihre Wurzeln in der Vorgängerorganisation, dem Verband der Unabhängigen (VdU). Der VdU war eine Partei, die nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet wurde und ehemalige Nationalsozialisten, aber auch konservative und liberale Kräfte, die gegen die fortschreitende sozialistische Dominanz in Österreich protestierten, vereinte.

Der VdU entwickelte sich in den 1950er Jahren zu einer stärker nationalkonservativen und rechten Kraft und wurde schließlich 1956 zur FPÖ umstrukturiert. Diese neue Partei positionierte sich als Alternative zu den etablierten politischen Kräften in Österreich. In den folgenden Jahrzehnten durchlief die FPÖ verschiedene Entwicklungen, erlebte interne Machtkämpfe und Veränderungen in ihrer ideologischen Ausrichtung. Immer wieder kam es zu Auseinandersetzungen zwischen liberalen und radikalen Kräften innerhalb der Partei, wobei gemäßigte Personen zunehmend von Führungspositionen ausgeschlossen wurden. Das zeigt sich in der Gründung des Liberalen Forums, das von fünf ehemaligen FPÖ-Parlamentieren 1993 ins Leben gerufen wurde. 

In den 1980er und 1990er Jahren gewann die FPÖ unter der Führung von Jörg Haider an Einfluss - er machte die Partei zu einem bedeutenden Akteur in der österreichischen Politik. Die FPÖ gewann bei verschiedenen Wahlen an Zustimmung und wurde an Koalitionsregierungen auf Bundesebene beteiligt. 

2000 kam die FPÖ mit Haider als erste rechte Partei des neuen Typs in eine europäische Regierung. Seitdem ist die FPÖ in Österreich fester Bestandteil der Politiklandschaft. Zuletzt stellten sie 2017 die Regierungskoalition mit der ÖVP unter Sebastian Kurz, die mit der Ibiza-Affäre ein jähes Ende nahm. Auf Bundesebene ist die FPÖ seitdem in der Opposition. Auf Landesebene stellt sie wie in Salzburg oder in Niederösterreich ein Teil der Landesregierung. 

 

Wahlverhalten Nationalratswahl 2017
statista 2017

Wer wählt die FPÖ?

Die Wählerschaft der FPÖ ist überwiegend männlich und in der Arbeiterklasse zu finden(ORF 2019). Sie besitzen eher niedere Bildungsabschlüsse – bei Menschen mit Matura oder Universitätsabschluss erreicht sie nur 5 Prozent. Mit Blick auf die Altersklassen lassen sich kaum Unterschiede erkennen, bei den unter 30-Jährigen kommt die FPÖ auf 30 Prozent. Thematisch waren der Wählerschaft vor allem Zuwanderung, Sicherheit und Arbeitsbedingungen und -plätze wichtig – der Klimawandel interessiert nur jeden zehnten FPÖ-Wähler. 

Das Ibiza-Video wurde von den FPÖ-Wählern kaum kritisch mit der eigenen Partei verknüpft, sondern eher auf das Verhalten einzelner Politiker oder das politische System als Ganzes bezogen. Ein Imageschaden ist für die Partei nur kurzfristig entstanden. Denn der FPÖ gelingt es immer wieder, die Unzufriedenheit der Arbeiterklasse aufzugreifen. Die Wählerschaft äußert sich überwiegend pessimistisch und unglücklich mit sich selbst und den politischen Verhältnissen (Standard 2023). 

Sie fühlen sich ungerecht behandelt, abgehängt, haben Zukunftsängste und kaum Vertrauen in die politischen Institutionen. Egal ob unter Strache, Haider oder jetzt aktuell Herbert Kickl; die FPÖ schafft es erfolgreich, diese Ängste aufzugreifen und sich als „Partei des kleinen Mannes“ zu inszenieren, die für Österreichs sozial Schwache und Abgehängte eintritt und gegen die etablierte Politik wettert.

Ein weiteres Kernelement der freiheitlichen Politik ist zudem der Nationalismus. Die FPÖ wirbt wie kaum eine andere österreichische Partei für die Bewahrung nationaler Werte, Traditionen und kultureller Identität. Vor allem in Tirol, Kärnten oder der Steiermark werden immer wieder Debatten und historische Ereignisse politisch aufgeladen und versucht, die lokale Bevölkerung durch völkisch-nationale Positionen für sich zu gewinnen. 

Wofür steht die FPÖ?

Doch entgegen den Wünschen und Interessen ihrer Wählerschaft vertritt die FPÖ vor allem eine Politik, die den Konzernen und Reichen in Österreich nützt. Gut lässt sich das bereits mit Blick auf die letzte Regierungsbeteiligung der FPÖ 2017 ablesen, bei der Herbert Kickl bereits als Innenminister fungierte. 

In dieser Zeit beschloss die FPÖ in Zusammenarbeit mit der ÖVP, die Verlängerung der Arbeitswoche auf eine 60h-Woche, Einschnitte bei den Krankenkassen, die Kürzung des AMS-Budgets und der Unfallversicherung, eine Senkung der Mindestsicherung für Kinder und stimmte für das Freihandelsabkommen CETA (kontrast 2023). Berühmt wurde die FPÖ-Sozialministerin Beate Hartinger-Klein, die 150 € im Monat als ausreichende Lebensgrundlage bezeichnete (kontrast 2018). 

 

Ein Wahlplakat der FPÖ
Flickr | Douglas Sprott - CC BY-NC 2.0

Auch nach ihrer Regierungszeit 2019 hat die FPÖ als Oppositionspartei im Nationalrat mehrmals gegen Verbesserungen für Arbeiter und Sozialschwache gestimmt. So stimmte man gegen eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes und der Notstandshilfe, die Einführung einer Vermögens- oder Erbschaftssteuer oder die Aussetzung von Mieterhöhungen. Ebenso stellte man sich gegen den Ausbau der Kinderbetreuung, härtere Strafen und Transparenz im Umgang mit korrupten Politikern oder die Senkung der Mehrwertsteuer auf Gas oder Strom (kontrast 2022). 

Ähnlich verhält es sich mit Blick auf die EU-Politik der FPÖ. Auch in der EU setzte man sich gegen Mindestlohn, geringere Arbeitszeiten oder bezahlten Urlaub ein. Einem Aktionsplan für Sozialreformen in Europa oder einer Ausbildungsgarantie für Jugendliche stand man ablehnend gegenüber (EU-Parlament 2020). Man spricht sich zudem für einen EU- und NATO-Austritt aus. 

Ein Blick in die Vergangenheit zeichnet ebenfalls kein gutes Bild der FPÖ-Regierungsbilanz. Nach der Erstauflage von Schwarz-Blau verzeichnete Österreich 2006 die höchsten Arbeitslosenzahlen der Zweiten Republik - 400.000 waren arbeitslos, davon 80.000 Jugendliche (OTS 2007). Profitiert haben vor allem die größten Konzerne in Österreich, durch Steuersenkungen konnten diese Milliardengewinne erwirtschaften. Für die Arbeitnehmer dagegen wurden die Krankenkassenbeiträge erhöht, das Krankengeld und die Pensionsbezüge gekürzt und Weiterbildungen nach der Karenzzeit gestrichen (OTS 2001). 

Durch Privatisierungsmaßnahmen der Regierung entstand ein Schaden für Österreich in Milliardenhöhe. Gegen zahlreiche Politiker jener Zeit liefen im Nachgang Ermittlungsverfahren wegen Korruption, beispielsweise um die Privatisierung der BUWOG oder die Teilprivatisierung der Österreichischen Post durch den damaligen FPÖ-Finanzminister Grasser

Kaum verwunderlich, dass sich auch im FPÖ-Wahlprogramm wenig soziale Reformen finden lassen – im Gegenteil. Der Sozialstaat soll abgebaut, Ausgaben in Gesundheit, Bildung oder Soziales reduziert werden, beispielsweise durch eine Kürzung der Pensionsbezüge oder höhere Selbstbehalte in der Gesundheitsversorgung. Gleichzeitig soll die Mehrwehrtsteuer erhöht und Steuersenkungen für Unternehmen und Großverdiener umgesetzt werden, ebenso soll die Bankenregulierung und Arbeitnehmervertretungen geschwächt werden (kontrast 2017). 

Warum ist die FPÖ dennoch so erfolgreich?

Nun stellt sich die Frage, warum die FPÖ so erfolgreich ist, obwohl sie deutlich gegen die mehrheitlichen Interessen ihrer Wählerschaft arbeitet. Das lässt sich anhand verschiedener Faktoren erklären. Ähnlich der AfD in Deutschland schafft es die FPÖ sich, als Protestpartei zu inszenieren, die sich für die Interessen der Abgehängten und Sozialschwachen einsetzt und gegen die da Oben bzw. das System kämpft – obwohl sie in Österreich längst Teil des politischen Establishments ist.

Das Vertrauen der Österreicher in die Politik schwindet. Laut einer Umfrage fühlt sich über die Hälfte der Österreicher politisch kaum vertreten (Standard 2023). Nur ein Drittel glaubt, dass das politische System in Österreich gut funktioniert (ORF 2023). Immer wieder wurde die österreichische Politiklandschaft durch Korruptionsskandale oder Bestechungsvorwürfe erschüttert. Auf das Ibiza-Video folgten Enthüllungen über illegale Einflussnahmen durch die ÖVP, die schlussendlich Sebastian Kurz zu Fall brachten.

 

Eine Wahlveranstaltung der FPÖ
Wiki | János Korom Dr. - CC BY-SA 2.0

Die FPÖ selbst reagierte schnell und konsequent im Ibiza-Verfahren – man distanzierte sich und schloss die Beteiligten aus der Partei aus. Deshalb entstand auch kein nennenswerter Imageschaden bei der Wählerschaft. Viele Bürger fühlen sich enttäuscht und nicht ernst genommen von der Politik. Die zunehmende Inflation, die steigende Zahl Geflüchteter im Land und die Energiekrise haben die Situation nochmals verschärft. Die Menschen fürchten um ihre Zukunft und wünschen sich Sicherheit

Die FPÖ hat lange Tradition als Protestpartei. Immer wieder stellte man sich fundamental gegen die allgemeine politische Agenda. Sie setzt sich gegen Russland-Sanktionen im Ukraine-Krieg ein, versuchte während der Corona-Pandemie Maßnahmen zur Eindämmung zu stoppen und widersetzt sich jeglichem Klimaaktivismus. Wenn man FPÖ wählt, setzt man ein Zeichen gegen das Establishment und drückt seinen Protest aus – so denken viele. Das zeigt sich auch darin, dass ein Teil der FPÖ-Wählerschaft Herbert Kickl nicht als Kanzler haben möchte (Spiegel 2023). 

Doch der Erfolg der FPÖ lässt sich auch anderweitig erklären. Denn rechtes Gedankengut hat in Österreich schon lange Tradition. Nach dem Zweiten Weltkrieg fand man schnell in eine Opferrolle, die eine umfassende Aufarbeitung der eigenen NS-Vergangenheit verhinderte. Das Resultat ist eine mit Rassismus und Antisemitismus durchzogene Gesellschaft. Das zeigt sich auch in aktuellen Studien. So gab ein Viertel der Befragten an, rechtsextremen Positionen etwas abgewinnen zu können oder antisemitische Ansichten zu vertreten (SORA 2023). 

Der Rassismus in der Bevölkerung nimmt ebenfalls seit Jahren zu (Zeit 2020). Dahingehend ist es auch nicht verwunderlich, dass sich viele Menschen in Österreich gegen Migration und Geflüchtete im Land aussprechen. Ein Glücksfall für die FPÖ, die Asyl, Integration und Migration seit Jahrzehnten nutzt, um gesellschaftlich zu polarisieren und eine Politik der Ausgrenzung und völkisch-nationalen Einheit zu befördern. 

Denn egal, ob die Löhne sinken, Wohnungsmangel herrscht oder die Preise im Supermarkt steigen: Die FPÖ schafft es, diese Themen emotional aufzuladen und sozial schwache Gruppen gegeneinander auszuspielen. Da spielt auch das restriktive Staatsbürgerschaftsrecht in Österreich eine Rolle. Viele Menschen, die vor Ort leben oder sogar geboren wurden, dürfen nicht wählen, weil sie keine österreichische Staatsbürgerschaft besitzen. 1,5 Millionen Menschen sind dadurch von den Wahlen ausgeschlossen (tagesschau 2023). Auch das stärkt den rechten Rand. 

 

Ein Anti-Kickl Aufkleber an einer Laterne
Flickr | Ivan Radic - CC BY 2.0

Mehr soziale Gerechtigkeit für eine Bessere Welt

Aktuell steht die FPÖ gut da. Sie profitiert von den Schwächen der anderen großen Parteien in Österreich. Die türkis-grüne Regierung hat Inflation, soziale Ungerechtigkeit und die Covid-Pandemie nicht wirklich gemeistert. Die SPÖ war mit internen Kämpfen beschäftigt. Hinzu kommt, dass es kaum mehr eine Abgrenzung gibt; Koalitionen mit der FPÖ sind schon lange gesellschaftsfähig. Immer wieder übernimmt man auch deren Positionen – vor allem in Migrationsfragen

Das zeigte sich zuletzt auch in Niederösterreich. Der Landesverband dort gilt als besonders rechts und der Vorsitzende Udo Landbauer war in mehrere rechtsextreme Skandale verwickelt. Dennoch konnte sich die ÖVP 2023 auf eine Koalition einigen. Umsetzen möchte man gemeinsam, dass auf den Schulhöfen nur mehr Deutsch gesprochen wird, Restaurants nur mehr Fördermittel bekommen, wenn sie österreichische Küche anbieten und nur Menschen eine Sozialwohnung bekommen, wenn sie nach ihren Maßstäben "integriert" sind. 

Viele sehen darin bereits die Vorboten der Nationalratswahl 2024. Zumal sich Bundeskanzler Karl Nehammer zuletzt vom grünen Koalitionspartner distanzierte und in Migrationsfragen versucht, als Hardliner aufzutreten. Leider würde unter einer FPÖ-Regierung die soziale Ungleichheit keinesfalls schwinden – im Gegenteil.

Ein Blick auf die aktuellen politischen Positionen und vergangenen Entscheidungen der Partei zeichnen das Bild eines neoliberalen, ausgrenzenden und möglicherweise autoritären Kurses. Kritische Stimmen ausschalten, Regularien abbauen und die Demokratie langsam zersetzen: Diesen Kurs hat Kickl schon als Innenminister eingeschlagen. Dazu eine Politik für die Interessen der Reichen und Unternehmen und gegen den Großteil der Bevölkerung. 

Um das zu verhindern, braucht es mehr Prävention und Maßnahmen gegen den wachsenden Rechtsextremismus in der Gesellschaft – vor allem an Schulen, aber auch in der Erwachsenenbildung. Ebenso bedarf es Programme der politischen Bildung und Teilhabe, um der Bevölkerung den Wert der Demokratie zu vermitteln und die Gefahren eines autoritären Kurses unter der FPÖ aufzuzeigen. 

Dafür braucht es auch neue progressive Bündnisse und Protestgruppen, die sich dem Rechtsruck nicht unterordnen und ihren Wunsch nach Demokratie und sozialen Reformen auf die Straße bringen. Denn soziale und finanzielle Gerechtigkeit rückt unter der FPÖ in weite Ferne. 

Auch die Medien spielen eine Rolle. Allzu oft wird nur zaghaft über die rassistischen und antisemitischen Codes der FPÖ berichtet – in den Redaktionen fehlen oft Menschen, die selbst Erfahrungen mit Rassismus und gesellschaftlicher Ausgrenzung gemacht haben. 

Bessere Welt Info bekennt sich zum politischen Fortschritt und steht für soziale Gerechtigkeit – für Demokratie, Verständnis und Diplomatie und gegen Ausgrenzung, Hetze und Diskriminierung.

Autor: Maximilian Stark 23.01.24, lizenziert unter CC BY-NC-SA 4.0

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