FDP - Partei

➡️ Wofür steht die FDP? - Eine kritische Analyse des Wahlprogramms
Am 10. Dezember hat die FDP ihr Wahlprogramm für die kommenden Bundestagswahlen präsentiert. Man gibt sich kämpferisch. Doch hinter der liberalen Partei liegen stürmische Wochen. Der intern geplante Ampel-Bruch, die nachfolgenden Enthüllungen über das "D-Day-Papier" und Parteichef Lindner, der massiv unter Druck steht. Aktuell ist die FDP unter die Fünf-Prozent-Hürde gerutscht und muss um einen erneuten Einzug in den Bundestag bangen.
Dabei hat die 1948 gegründete Partei durchaus politische Erfolge vorzuweisen. So war sie maßgeblich an der Verabschiedung des Grundgesetzes beteiligt. Später übernahm sie eine wichtige Rolle in den sozialliberalen Koalitionen der 1970er-Jahre, die unter Walter Scheel und Hans-Dietrich Genscher Reformen wie die Ostpolitik und den Ausbau sozialer Rechte vorantrieben. Nach der Wiedervereinigung trug die FDP unter Genscher wesentlich zur Außenpolitik und europäischen Integration bei.
Man profilierte sich als Partei des Liberalismus mit den Schwerpunkten auf individueller Freiheit, Marktwirtschaft und Bürgerrechten. Doch in den letzten Jahren lässt sich eine zunehmende Abkehr vom klassischen Liberalismus und progressiven Positionen zugunsten einer stärkeren Orientierung an teils rechtskonservativen und wirtschaftsliberalen Positionen beobachten - etwa durch die Betonung von Steuersenkungen für Wohlhabende und eine restriktivere Haltung in Migrationsfragen.
Bessere Welt Info schaut kritisch auf die FDP und ihre politischen Positionen. Wir beschäftigen uns mit ihrer Parteistruktur, den wichtigsten Wahlthemen und dem langjährigen Parteivorsitzenden Christian Lindner.

Warum steckt die FDP in der Krise?
In der vergangenen Ampel-Koalition hat die FDP versucht, sich als Verteidigerin von Wirtschaft und Liberalismus zu positionieren, konnte aber in wesentlichen politischen Feldern kaum sichtbare Erfolge erzielen. Gleichzeitig war sie häufig in Konflikte mit den Grünen und der SPD verwickelt, wodurch der Eindruck einer Partei entstand, die in der Koalition hauptsächlich blockiert, statt konstruktiv mitzuwirken.
Bundeskanzler Olaf Scholz entließ den FDP-Finanzminister Christian Lindner schlussendlich Anfang November aufgrund von fortwährenden Blockaden und mangelnder Zusammenarbeit. Nachfolgende Enthüllungen verdeutlichten: Die FDP hatte den Ampel-Bruch von langer Hand geplant; sie hatte sich davon eine profitable Position bei Neuwahlen versprochen.
Durch das Bekanntwerden des parteiintern formulierten "D-Day"-Plans geriet die Parteispitze in erhebliche Erklärungsnot. Das achtseitige Dokument analysierte verschiedene Szenarien für einen möglichen Ausstieg aus der Ampel-Koalition und skizzierte, wie sich die FDP strategisch von ihren Koalitionspartnern SPD und Grünen abgrenzen könnte. Der Begriff „D-Day“, eine Anspielung auf den alliierten Landungstag im Zweiten Weltkrieg, sorgte ebenfalls für breite Empörung.
Die militärische Symbolik wurde als unangemessen empfunden und verstärkte die Wahrnehmung, dass die FDP politische Konflikte als Machtspiele inszeniert, statt sich auf Sachpolitik zu konzentrieren. Das Papier offenbarte vor allem die strategische Unsicherheit der Partei und erweckte den Eindruck, dass die FDP sich stärker mit Machtkalkulationen als mit der Umsetzung von Regierungsprojekten beschäftigte. Diese Vorgehen schadete ihrer Glaubwürdigkeit erheblich und wurde sowohl von politischen Gegnern als auch von vielen Wählern als opportunistisch wahrgenommen.
Generalsekretär Bijan Djir-Sarai und Bundesgeschäftsführer Carsten Reymann mussten daraufhin ihre Posten räumen. Parteichef Lindner reagierte zunächst, indem er die Bedeutung des Papiers herunterspielte und es als "Praktikanten-Papierchen" bezeichnete.

Die Schwächen von ➡️ Christian Lindner und der FDP
In einer Videobotschaft wandte er sich später direkt an die Bürger und bedauerte die Fehler der FDP, die von politischen Gegnern ausgenutzt wurden, um vom Wesentlichen abzulenken. Er betonte, dass die Koalition nicht an der FDP gescheitert sei, sondern weil sie die Akzeptanz der Bürger verloren hat. Er selbst will von dem Aktionsplan nichts gewusst haben und blieb bei seiner Spitzenkandidatur.
Doch beim aktuellen ZDF-Politikbarometer ist nur Alice Weidel unbeliebter unter den Spitzenkandidaten (ZDF 2024). Auch in Bürger-Umfragen schlug sich das nieder: Die FDP wurde als Hauptschuldige des Ampel-Aus gesehen; die Partei liegt bei 2-3 %. Linder gibt sich dagegen kämpferisch und formuliert ein zweistelliges Ergebnis als Ziel für die Bundestagswahl.
Der Parteichef galt lange Zeit als unumstritten. Er hatte die FDP 2017 wieder in den Bundestag und 2021 in die Regierung geführt. Die strikte Verteidigung der Schuldenbremse und ihre Blockadehaltung bei Klimaschutzmaßnahmen z.B. dem Gebäudeenergiegesetz wurde zwar als Durchsetzungsfähigkeit dargestellt, führte aber zu einem schlechten öffentlichen Bild. Andererseits musste man auch Kompromisse eingehen. So wurden hohe Sondervermögen für Corona und die Bundeswehr verabschiedet, die Laufzeitverlängerung von AKWs nicht umgesetzt oder die Einführung des Bürgergelds mitgetragen. Das resultierte in einem fortwährenden Unmut innerhalb der FDP und ihrer Wählerschaft. Sie wurde sowohl von Progressiven für ihre Verhinderungspolitik als auch von Wirtschaftsliberalen für fehlenden Mut zu größeren Reformen kritisiert.
Wichtige Themen werden von der Partei oft technisch oder zu einseitig dargestellt, was sie für Wähler weniger greifbar machen. Zudem schien sie unter Christian Lindner oftmals zu reaktiv, statt mit einem klaren Zukunftsplan aufzutreten. Wähler vermissen eine Vision, die über wirtschaftliche Argumente hinausgeht und auch soziale oder ökologische Anliegen adressiert. Ihre kritischen Positionen zu Sozialleistungen oder Migration werden auch von der CDU oder der AfD vertreten, die damit mehr Wähler mobilisieren können.
Ein weiteres Problem ist die Schwäche der FDP bei den Landtagswahlen der vergangenen Jahre. Insbesondere im liberal-progressiven Wählerspektrum, das 2021 maßgeblich zu ihrem Wahlerfolg beigetragen hatte, verlor man zunehmend an Boden. Besonders junge und urbane Wähler, die die FDP 2021 durch ihr modernes Auftreten überzeugt hatte, fühlen sich zunehmend von den Grünen oder der SPD angesprochen.
Gleichzeitig verliert die FDP konservative Wähler an der Union oder der AfD, da sie als zu pragmatisch und kompromissbereit wahrgenommen wird. Personell bräuchte die Partei wohl auch einen Wechsel, um neue Wählergruppen und Themen zu besetzen. Doch die Wahl Buschmanns zum Generalsekretär verdeutlicht erneut: Die FDP ist eine Lindner-Partei - in Machtpositionen kommen vor allem Vertraute des Parteivorsitzenden. Die Partei kämpft somit an mehreren Fronten gleichzeitig um Vertrauen und ihre Wählerbasis.

Wofür steht die FDP?
Die FDP setzt auf neoliberale Wirtschaftspolitik, indem sie Steuersenkungen, Bürokratieabbau und Marktliberalisierung fordert. Das kommt vor allem Besserverdienenden zugute, denn man will den Spitzensteuersatz erst ab einem Einkommen von 96.000 Euro greifen lassen. Auch Unternehmen sollen unter 25 % Steuern zahlen.
Der Solidaritätszuschlag soll vollständig abgeschafft, die Spekulationsfrist für Wertpapiere wieder eingeführt und die Körperschaftsteuer gesenkt werden. Eine Vermögen- oder Reichensteuer oder die Anhebung der Erbschaftssteuer wird weiterhin abgelehnt.
Die Einhaltung der Schuldenbremse bleibt ein Kernanliegen der FDP, um Überschuldung zu verhindern und die finanzielle Zukunft nachfolgender Generationen zu sichern. Führende Ökonomen kritisieren dagegen die Schuldenbremse immer wieder, weil sie in Krisenzeiten notwendige staatliche Investitionen hemmt und dadurch wirtschaftliches Wachstum sowie Zukunftsfähigkeit gefährdet. Zwar möchte die Partei Investitionen in Digitalisierung, Infrastruktur und Klimaschutz ohne weitere Verschuldung finanzieren - doch wie das umgesetzt werden soll, wird nicht näher definiert.
In der Einwanderungspolitik fordert die FDP klare Regeln und eine konsequente Umsetzung, um Ordnung zu gewährleisten und gesellschaftliche Polarisierung zu vermeiden. Die Partei betont, dass eine liberale und weltoffene Haltung nicht im Widerspruch zu klaren Regelungen steht und plädiert für ein strikteres ordnungspolitisches Migrationssystem. Zwar stellt die FDP Migration als wirtschaftliche Chance dar, insbesondere durch die Förderung qualifizierter Zuwanderung. Doch die Rhetorik, die Lindner und der neue Generalsekretär Marco Buschmann bei der Vorstellung des Parteiprogramms Anfang Dezember wählten, bedient ähnliche rechtspopulistische Töne, wie sie auch von CDU und AfD angeschlagen werden.
In Bezug auf Frauenrechte wird der FDP vorgeworfen, sich nicht stark genug für Frauen-Politik und Gleichstellung einzusetzen: Die FDP lehnt Frauenquoten in Führungsetagen ab, da sie diese als Eingriff in die unternehmerische Freiheit sieht. Trotz liberaler Grundwerte fehlt es der FDP an einem konkreten Programm, das Gleichstellung aktiv vorantreibt. Auch die Haltung der FDP zu Schwangerschaftsabbrüchen ist uneinheitlich: Sie hat sich zwar für die Streichung von §219a StGB (Werbeverbot für Abtreibungen) eingesetzt, lehnt jedoch eine Abschaffung von §218 StGB (der Abtreibungen kriminalisiert) ab.

Beim Klimaschutz setzt die FDP vor allem auf marktwirtschaftliche Instrumente wie den EU-Emissionshandel und lehnt Verbote sowie planwirtschaftliche Maßnahmen ab. Technologieoffenheit steht im Fokus, etwa durch die Förderung von Wasserstoff, synthetischen Kraftstoffen und Kernfusion. Ein generelles Tempolimit lehnt die Partei strikt ab.
Ebenso wie das Verbot von Verbrennungsmotoren oder strikte Regeln für Gebäudeenergie. Verkehrstechnisch hatte man sich zuletzt für mehr Autos in den Innenstädten und weniger Fußgänger-Zonen und Fahrradwege ausgesprochen. Der starke Fokus auf wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und die Schuldenbremse stehen klar im Widerspruch zu den finanziellen Anforderungen des Klimaschutzes.
In der Bildungspolitik setzt die FDP auf verstärkte Investitionen, die durch den Abbau von Subventionen und Staatsbeteiligungen finanziert werden sollen, sowie auf flexible Schulstartzeiten, um Schülern bessere Lernbedingungen zu bieten. Die Kultusministerkonferenz der Länder soll abgeschafft werden und der Bund dadurch mehr Kompetenzen erhalten. Zudem wird diskutiert, das Kindergeld zu kürzen, um diese Mittel für beitragsfreie Kitas, Ganztagsbetreuung und höhere Bildungsstandards einzusetzen.
Die FDP lehnt einen „übergriffigen“ Staat ab, der zu stark in das Privatleben eingreift. Der Staat soll sich nach Ansicht der Partei auf seine Kernaufgaben wie innere Sicherheit, Justiz und Bildung konzentrieren. In diesem Zusammenhang plant die FDP Initiativen wie die Einführung eines KI-gestützten Bürgerassistenten, um Verwaltungsprozesse zu erleichtern und den Zugang zu digitalen Dienstleistungen zu verbessern. Zudem soll die Bürokratie abgebaut werden. So soll das deutsche Lieferkettengesetz abgeschafft, das Arbeitszeitrecht massiv eingeschränkt und Behörden wie das Umweltbundesamt eingestellt werden.
Die FDP befürwortet in ihrer Außen- und Verteidigungspolitik eine klare Unterstützung der Ukraine, auch mittels schwerer Waffen wie den Taurus-Marschflugkörpern, und spricht sich für Sanktionen gegen Russland aus. Gegenüber China nimmt sie dagegen eine zurückhaltendere Haltung ein, was ihr den Vorwurf einbringt, wirtschaftliche Interessen mit China zu stark zu priorisieren. Zudem hebt die FDP Deutschlands besondere Verantwortung für die Sicherheit Israels hervor und befürwortet eine enge Zusammenarbeit, ohne jedoch Waffenlieferungen im Programm zu benennen.
Sie bekennt sich zur europäischen Integration und fordert eine wirtschaftlich starke, sichere und innovationsfreundliche EU, unterstützt Freihandelsabkommen und wirtschaftliche Zusammenarbeit, ohne Menschenrechtsfragen in den Vordergrund zu stellen. In der Verteidigungspolitik plädiert die FDP für eine Stärkung der Bundeswehr, höhere Verteidigungsausgaben zur Erfüllung der NATO-Verpflichtungen und eine gemeinsame europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik.

Hat die FDP eine Chance bei der Wahl 2025?
Nach dem Bruch mit der SPD und den Grünen hat die FDP stärker auf wirtschaftsliberale und migrationspolitisch restriktive Positionen gesetzt, um sich klar von ihren ehemaligen Koalitionspartnern abzugrenzen. Dabei setzt die FDP zunehmend auf Positionen, die von Kritikern als rechtspopulistisch eingeordnet werden.
Sie fordert, Asylbewerber an der deutschen Grenze zurückzuweisen, wenn diese aus anderen EU-Staaten kommen, und drängt auf eine Harmonisierung der Sozialleistungen für Asylsuchende innerhalb der EU. Außerdem plädiert die FDP für verstärkte Grenzkontrollen, verpflichtende Arbeitsmaßnahmen für Asylsuchende und schnellere Abschiebungen. Die Partei fordert zudem eine Reform des europäischen und internationalen Rechts, um diese Ziele konsequenter umsetzen zu können.
Lindner fordert zudem "mehr Milei oder Musk" für die deutsche Politik. Die beiden Rechtslibertären stehen vor allem für marktfundamentalistische Positionen, populistische Meinungsmache – und vor allem Angriffe auf demokratische Institutionen und gesellschaftliche Minderheiten. Ob die Musk-Bewunderung auch bei der CDU gut ankommt?
Das Verhältnis zwischen CDU und FDP, insbesondere ihren Vorsitzenden Friedrich Merz und Christian Lindner, ist derzeit angespannt. Obwohl beide Parteien traditionell als natürliche Partner gelten und in der Vergangenheit Koalitionen gebildet haben, kam es in letzter Zeit zu öffentlichen Differenzen. So kritisierte Merz die FDP scharf und warf ihr "organisierten Selbstmord" vor.
Der Chef des CDU-Arbeitnehmerflügels, Dennis Radtke, sprach davon, dass die FDP die eigenen Wähler abwerben wolle und gab sich kämpferisch keine Stimmen abzutreten, "schon gar nicht an eine völlig unzuverlässige Lindner-FDP". Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm, sprach sich gegen eine Zusammenarbeit aus: "Die FDP ist alles andere als ein natürlicher Partner. Denn es gibt in der Gesellschafts- und Innenpolitik nahezu keine Gemeinsamkeit zwischen CDU und FDP" (Stern 2024).
Trotz dieser Spannungen gibt es auch Anzeichen für eine mögliche Zusammenarbeit, da beide Parteien inhaltliche Überschneidungen beispielsweise in der Asyl-, Klima- oder Steuerpolitik aufweisen und eine bürgerliche Koalition in Betracht ziehen könnten. Lindner sprach sich unlängst für eine exklusive Zusammenarbeit mit der CDU aus und distanzierte sich klar von allen sonstigen Parteien. Wohl auch, weil die FDP auf Leihstimmen der Union angewiesen ist.
Die Chancen der FDP bei der Bundestagswahl 2025 hängen entscheidend davon ab, ob sie ihre neue Positionierung erfolgreich vermitteln und sich als klare Alternative zu SPD, Grünen und AfD etablieren kann. Während die Partei in der Wirtschaftspolitik ihre traditionelle Stärke bewahren dürfte, könnten die verstärkten rechtspopulistischen Tendenzen in ihrer Migrationspolitik langfristig mehr schaden als nützen. Viele ihrer neuen Forderungen, wie die Schließung der Grenzen für Asylsuchende aus anderen EU-Staaten, haben zwar potenziell Unterstützung am rechten Rand, entfremden jedoch liberale Stammwähler. Zudem steht die FDP vor der Herausforderung, sich in einem zunehmend polarisierten politischen Umfeld von der CDU abzugrenzen, die ebenfalls bürgerliche Wähler anspricht.
Autor: Maximilian Stark 03.01.25, lizenziert unter CC BY-NC-SA 4.0
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