Nationale SICHERHEIT
Ratgeber ➡️ Nationale Sicherheit - Wo stehen die Parteien?
Deutschland hat 2024 erstmals 2 % seines Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgegeben - stattliche 90,6 Milliarden Euro. Dagegen beliefen sich die Ausgaben für Entwicklungshilfe auf 24,6 Milliarden Euro bzw. 0,76 % des BIP.
Geht es nach Union, AfD, Die Grünen oder FDP, sollen die Militärausgaben sogar noch weiter ansteigen. Andererseits befürworten die Die Grünen ebenso wie SPD und Die Linke auch konkret mehr Investitionen in Friedensmaßnahmen und Krisenprävention oder den Ausbau des Zivilen Friedensdienstes.
Das BSW spricht sich ebenfalls für mehr Investitionen in Friedensmaßnahmen aus, fordert jedoch gleichzeitig einen stärkeren Fokus auf Diplomatie und Abrüstung. Die FDP fordert neben militärischer Verteidigung auch Friedensförderung, mehr Investitionen in Diplomatie und Friedenspolitik sowie eine verstärkte Unterstützung für Entwicklungszusammenarbeit und internationale Friedensinitiativen als Teil einer wertegeleiteten Außenpolitik.
Trotz anderer Schwächen kann man der Ampel-Regierung zugutehalten, dass sich in ihrer Legislaturperiode auch die Friedensausgaben erhöht haben. Vor allem im Bereich der zivilen Friedensförderung, der humanitären Hilfe und der Entwicklungszusammenarbeit. So stiegen die Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe von 2021 bis 2023 um knapp 2 Milliarden Euro. Allerdings wurden in dieser Zeit auch die Militärausgaben um 34 Milliarden Euro erhöht. Das Sondervermögen für die Bundeswehr von 100 Milliarden nicht mit eingerechnet.
Auch die anderen NATO-Mitgliedstaaten haben ihre Verteidigungsausgaben erhöht. Die Ausgaben für Friedensmissionen, einschließlich der Blauhelme der Vereinten Nationen und anderer friedensfördernder Maßnahmen, machen derzeit nur 0,34 % der weltweiten Militärausgaben aus. Im Vergleich zu den 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr werden in Deutschland gerade einmal 1 Milliarde Euro jährlich aufgewendet, um bedürftigen Kindern und Jugendlichen den Zugang zu Bildung, Kultur und Sport zu ermöglichen.
Quo vadis, Deutschland? - ➡️ Friedensfähig oder Kriegstüchtig?
Bessere Welt Info schaut nachfolgend auf die wichtigsten Felder der nationalen Sicherheitspolitik und befasst sich mit den dazugehörigen Parteipositionen.
Parteien zur Bundeswehr
Die SPD lehnt die Wiedereinführung der Wehrpflicht ab und bevorzugt einen flexiblen, freiwilligen Wehrdienst. Sie befürworten eine angemessene Finanzierung der Bundeswehr, um deren Einsatzbereitschaft und Modernisierung sicherzustellen. CDU/CSU betont die Bedeutung einer starken Bundeswehr und der Erfüllung internationaler Verpflichtungen. Sie spricht sich für eine „aufwachsende“ Wehrpflicht aus, bei der zunehmend mehr Menschen zum Wehrdienst verpflichtet werden. Die Ausgaben für die Bundeswehr sollen 3 % des BIP betragen.
Die Die Grünen möchten den freiwilligen Wehrdienst sowie die Reserve der Bundeswehr attraktiver gestalten. Spitzenkandidat Robert Habeck forderte eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf 3,5 % des BIP, um die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands zu stärken. Die FDP betont die Notwendigkeit, die Bundeswehr zu modernisieren und gleichzeitig eine europäische Armee zu schaffen. Die AfD hingegen fordert eine stärkere Betonung nationaler Souveränität und eine Neuausrichtung der Verteidigungspolitik, während die Die Linke und das BSW Abrüstung, den Abbau von Spannungen und die Schaffung einer neuen europäischen Sicherheitsarchitektur ohne NATO als zentrale Ziele nennen. SPD, FDP, AfD, Die Linke und BSW lehnen die Wehrpflicht ab.
Die NATO - Europäische und transatlantische Sicherheitsarchitektur
Die CDU/CSU bekennt sich zur NATO und strebt eine enge transatlantische Partnerschaft an, während gleichzeitig Diplomatie und internationale Zusammenarbeit hervorgehoben werden. Dazu gehört auch die Schaffung eines EU-Kommissars für Verteidigung, um die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik effektiver zu gestalten. Die SPD unterstützt das NATO-Ziel von 2 % des BIP für Verteidigungsausgaben. Die FDP unterstützt ebenfalls die NATO uneingeschränkt und setzt sich für die Erfüllung aller NATO-Ziele, einschließlich des Zwei-Prozent-Ziels für Verteidigungsausgaben, ein. Zudem plädiert sie für eine multilaterale Weltordnung, die auf Rechtsstaatlichkeit basiert.
Im Gegensatz dazu lehnt die AfD eine gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik ab und fordert eine stärkere Betonung nationaler Souveränität. Sie befürwortet eine ausgewogene Zusammenarbeit mit den USA und Russland und plädiert für den Austritt Deutschlands aus der Europäischen Union zugunsten eines Bundes souveräner Nationalstaaten. Die Linke und das BSW kritisieren die NATO deutlich. Beide Parteien lehnen die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland ab. Die Linke möchte die NATO durch eine europäische Sicherheitsarchitektur ersetzen, während das BSW die NATO in ihrer bisherigen Form auflösen und eine neue Sicherheitsstruktur schaffen will, die Russland mit einbindet.
Internationale Friedensförderung und Diplomatie
Die SPD strebt eine Stärkung der europäischen Sicherheitsarchitektur an und befürwortet eine konstruktive Vermittlerrolle Deutschlands bei der Umsetzung eines dauerhaften Friedens. Man will die Mittel für humanitäre Hilfe bedarfsgerecht erhöhen und die Zusammenarbeit mit internationalen Partnern intensivieren. Ähnlich legen Die Grünen großen Wert auf zivile Krisenprävention und Friedensförderung. Sie möchten die Mittel für zivile Konfliktprävention dauerhaft erhöhen, den Zivilen Friedensdienst ausbauen und fordern eine Außenpolitik, die auf Menschenrechten und Nachhaltigkeit basiert. Die CDU/CSU setzt sich für eine verstärkte Integration der Privatwirtschaft in die Entwicklungszusammenarbeit ein. In Bezug auf die Friedensförderung betont die CDU/CSU die Bedeutung von Prävention, humanitärer Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit - zivile Konfliktbearbeitung und Friedensförderung werden dagegen nicht behandelt.
Die AfD plädiert für eine Reduzierung der Entwicklungshilfe und eine stärkere Fokussierung auf deutsche Interessen. Konkrete Maßnahmen zur Konfliktbearbeitung und Friedensförderung werden nicht formuliert. Die FDP spricht sich für eine stärkere Verzahnung von humanitärer Hilfe, Entwicklungszusammenarbeit und Friedensförderung aus, um Synergien zu nutzen und die Wirksamkeit der Maßnahmen zu erhöhen. Zudem plädiert die FDP für eine engere Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft, um nachhaltige Entwicklung und wirtschaftliches Wachstum in Partnerländern zu fördern. Die Linke betont die Bedeutung von ziviler Friedensförderung und humanitärer Hilfe. Sie fordert eine Erhöhung der Mittel für Entwicklungszusammenarbeit, um globale Ungleichheiten zu bekämpfen und nachhaltige Entwicklung zu fördern. Ebenso lehnt sie Auslandseinsätze der Bundeswehr strikt ab und fordert eine restriktive Rüstungsexportpolitik. Das BSW legt den Schwerpunkt auf Abrüstung, den Abbau von Spannungen und den Dialog zwischen den Großmächten.
Nukleare Teilhabe und Atomwaffen
Die Union betrachtet die nukleare Teilhabe als essenziellen Bestandteil der deutschen Sicherheitspolitik und spricht sich für deren Fortführung aus. Sie unterstützt die Beschaffung neuer Trägersysteme, um die nukleare Teilhabe auch in Zukunft sicherzustellen. Die SPD nennt eine Welt ohne Atomwaffen als Ziel und setzt sich für die Erfüllung und Verlängerung des New START-Vertrages zur Begrenzung von strategischen Nuklearwaffen ein. Die Grünen sprechen sich kritisch gegen Atomwaffen aus und setzen sich für Abrüstungsinitiativen wie den Atomwaffenverbotsvertrag und Rüstungskontrollen ein. Zur nuklearen Teilhabe äußern sich Grüne und SPD nicht explizit.
Die FDP betont die Notwendigkeit einer starken Verteidigung und sieht die nukleare Teilhabe als wichtigen Bestandteil der NATO-Strategie. Sie spricht sich gegen einen Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland aus. Parteichef Lindner wirbt sogar für EU-Atomwaffen. Die Linke fordert strikt den Abzug der US-Atomwaffen aus Büchel. Sie spricht sich für die Beseitigung aller Atomwaffen weltweit und der Beteiligung am Atomwaffenverbotsvertrag aus. Das BSW vertritt ähnliche Standpunkte. Auch die AfD lehnt US-Atomwaffen ab und wirbt für die "Stärkung und Erweiterung der Kontrollmechanismen in der nuklearen und konventionellen Rüstung" wie dem INF- oder dem New START-Vertrag.
Parteien zu Ukraine
Die Parteien vertreten unterschiedliche Positionen zur militärischen Unterstützung der Ukraine. Die SPD spricht sich für eine umfassende Unterstützung der Ukraine in militärischer, finanzieller und humanitärer Hinsicht aus, lehnt jedoch die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern ab. CDU/CSU unterstützt die Lieferung dieser Waffensysteme unter bestimmten Bedingungen und strebt eine breite Unterstützung für die Ukraine an. Die Grünen sehen Russland als die größte Bedrohung für Frieden und Sicherheit in Europa und setzen auf Sanktionen aber auch Waffenlieferungen, um den Druck auf Moskau zu erhöhen. Die FDP befürwortet eine unverzügliche Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern. Im Gegensatz dazu fordert die AfD ein Ende der militärischen Unterstützung der Ukraine und der Sanktionen gegen Russland; stattdessen wirbt sie für eine stärkere wirtschaftliche Kooperation. Die Linke und das BSW lehnen ebenfalls jegliche militärische Hilfe ab und setzen hingegen auf Diplomatie und zivile Konfliktlösungen. Die Linke fordert effektive Sanktionen gegen Russland; das BSW möchte diese umfassend abbauen.
Parteien zu Israel
Die CDU/CSU unterstreicht die Bedeutung der Unterstützung Israels in seinem Recht auf Selbstverteidigung. Sie spricht sich für die Lieferung von Waffen an Israel aus, um dessen Sicherheitsinteressen zu wahren. Die SPD unterstützt Israels Recht auf Selbstverteidigung und befürwortet Waffenlieferungen, betont jedoch auch die Notwendigkeit, die humanitäre Lage in Gaza zu berücksichtigen und unterstützt eine Zwei-Staaten-Lösung im Nahostkonflikt. Die Grünen und die FDP vertreten eine ähnliche Haltung.
Die AfD hat ihre Positionen zu Israel und Waffenlieferungen mehrfach geändert. Anfangs unterstützte sie Israel und befürwortete Waffenlieferungen, doch im Oktober 2024 forderte sie ein Ende der einseitigen Unterstützung und der Waffenexporte an Israel. Im Wahlprogramm bezieht man dazu keine eindeutige Stellung. Die Linke spricht sich für eine friedliche Lösung des Nahostkonflikts aus; sie fordert ein Ende der Besatzung palästinensischer Gebiete und einen Stopp der deutschen Waffenexporte nach Israel. Das BSW kritisiert die deutsche Unterstützung Israels und fordert ein Waffenembargo.
Fazit
Mit Blick auf die Wahlprogramme zeigt sich, dass die meisten deutschen Parteien eine deutliche Tendenz zu einer Verstärkung der Verteidigungs- und Militärausgaben haben, während zivile Friedensmaßnahmen und Konfliktlösungen eher in den Hintergrund treten. Dies wird besonders deutlich in den Programmen von CDU/CSU, SPD, AfD, Grünen und FDP, die weiterhin hohe Ausgaben für die Bundeswehr und die Aufrüstung Deutschlands fordern, um die militärische Leistungsfähigkeit zu gewährleisten und den internationalen Verpflichtungen nachzukommen. Die Argumentation dahinter stützt sich auf die geläufige Sicherheitspolitik und den Schutz Deutschlands vor möglichen Bedrohungen. Doch es stellt sich die Frage, inwieweit die hohe Fokussierung auf Militär und Aufrüstung tatsächlich zu einer nachhaltigen Lösung globaler Konflikte beiträgt.
Denn die wachsenden Verteidigungsausgaben gehen auf Kosten von Investitionen in zivile Friedensförderung und Diplomatie. Gerade in einer Zeit, in der globale Konflikte immer komplexer werden und auch die sozioökonomischen Ursachen von Kriegen und Konflikten nicht ausreichend adressiert werden, erscheint eine einseitige Konzentration auf militärische Mittel als zu kurzsichtig. Investitionen in Entwicklungszusammenarbeit, Bildung, wirtschaftliche Stabilität und der Ausbau von zivilen Friedensprojekten sind erforderlich, um langfristig eine nachhaltigere Lösung für Krisenregionen zu bieten und die Entstehung neuer Konflikte zu verhindern. Doch die Programme der etablierten Parteien stellen diese Dimensionen oft nur verkürzt dar - wenn sie nicht vollends unterschlagen werden.
Denn ohne signifikante Investitionen in Diplomatie, Dialogprozesse und die Stärkung internationaler Institutionen, bleibt die internationale Zusammenarbeit und die Förderung von Konfliktlösungen im Wesentlichen ein Lippenbekenntnis. In Konfliktregionen wie der Ukraine, Israel oder Syrien wäre es sinnvoll, gezielt präventive Maßnahmen zur Friedenssicherung zu fördern, die langfristig militärische Einsätze überflüssig machen. Doch leider erleben wir eher das Gegenteil.
Die globale Politik ist aktuell bestimmt durch Machtdenken, Populismus, Nationalismus und der Unterordnung vor wirtschaftlichen Interessen. Auch in Deutschland versucht man innere und äußere Stärke zu demonstrieren und setzt dabei auf Abschreckung, Aufrüstung und Eskalation. Doch eine nachhaltige Friedenspolitik lässt sich kaum mit militärischer Kraft etablieren, sondern führt in eine fortwährende Paranoia und immense Kosten, um im Wettrüsten nicht in Verzug zu geraten. Das geht vor allem auf Kosten wichtiger Bereiche wie Bildung, Gesundheit, Infrastruktur und Soziales - und befeuert damit einen gesellschaftlichen Abstieg. Was bleibt dann schlussendlich noch zu verteidigen? - Input von Experten ist willkommen!
Autor: Maximilian Stark 09.01.25, lizenziert unter CC BY-NC-SA 4.0
P.S. Letztendlich werden wir uns entscheiden müssen zwischen:
- Mißtrauen, militärischer Abschreckung, drohender Aufrüstung, Eskalationsspirale und einem fragilen Zustand, der früher oder später zur Apokalypse führt ODER
- Dialog auf Augenhöhe, gemeinsame Abrüstung, zivile und defensive Verteidigung sowie vertrauensbildende Maßnahmen für eine gerechte und nachhaltige Welt.
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Infos zu Nationale SICHERHEIT
- KRIEGSTÜCHTIG ?[70]
- FRIEDENSFÄHIG ![47]
- Friedensgebot der Verfassung[25]
- Parteien zur nationalen Sicherheit[8]
- AUFRÜSTUNG & Eingreiftruppe - 2% BSP[35]
- Bundeswehr im Krieg
- Nationale Sicherheitsstrategie[36]
- Sicherheits- und Militärpolitik[57]
- Zivile Verteidigung[17]
- US Vasall oder Souverän?[39]
- Nukleare Teilhabe? - Deutsche Mitschuld![35]