Eine Demo gegen Rechts in Bad Mergentheim 2024
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Die ➡️ Menschenwürde - ein universelles Menschenrecht

Im aktuellen politischen und sozialen Kontext ist die Diskussion um die Menschenwürde allgegenwärtig – etwa im Umgang mit Geflüchteten, im Gesundheitswesen, bei Armut oder bei der digitalen Überwachung. Grundlegend beruht die Menschenwürde auf dem Prinzip, dass jeder Mensch allein aufgrund seines Menschseins einen unveräußerlichen Wert besitzt. 

Sie ist im deutschen Grundgesetz fest verankert – Artikel 1, Satz 1 lautet: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Die Menschenwürde ist ein zentraler EU-Wert. Dieses Prinzip bildet das Fundament aller Grundrechte und ist Ausdruck einer humanistischen Weltanschauung

Doch trotz internationaler Abkommen wie der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 wird die Menschenwürde weltweit oft systematisch verletzt. Fast alle Staaten haben die Prinzipien formal anerkannt, doch die Realität zeigt immer wieder massive Verstöße – etwa durch Armut, Krieg, Unterdrückung und Diskriminierung. Besonders betroffen sind vulnerable Gruppen wie Frauen, Kinder, ethnische Minderheiten, LGBTQIA+ Personen und Geflüchtete.

Ein gravierendes Beispiel ist die moderne Sklaverei. Laut dem Global Slavery Index 2023 leben weltweit rund 50 Millionen Menschen in Zwangsarbeit, Menschenhandel oder Zwangsheirat – vor allem in Asien, Afrika, aber auch in globalen Lieferketten westlicher Industrienationen. In Ländern wie Nordkorea, Eritrea und Afghanistan ist Zwangsarbeit sogar staatlich organisiert.

Auch bewaffnete Konflikte tragen zur Verschlechterung der Menschenwürde bei. Laut UNHCR waren 2023 über 117 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht. Viele von ihnen leben unter menschenunwürdigen Bedingungen – etwa in Flüchtlingslagern ohne ausreichenden Zugang zu Nahrung, medizinischer Versorgung oder Bildung. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine führte allein bis Anfang 2024 zu 6,3 Millionen Geflüchteten. Im Sudan benötigen aktuell über 24 Millionen Menschen humanitäre Hilfe.

 

Eine Grafik zum weltweiten Sklavenhandel
statista 2022

Einhergehend mit Flucht kommt oft Armut, Durst und Hunger. Auch sie untergraben weltweit die Menschenwürde fundamental. Laut Welthunger-Index 2023 leiden rund 735 Millionen Menschen an chronischem Hunger. 8,4 % der Weltbevölkerung leben in extremer Armut (weniger als 2,15 US-Dollar pro Tag), verbunden mit Ausgrenzung, gesundheitlicher Unterversorgung und fehlenden Zukunftschancen.

Diskriminierung ist ebenfalls weit verbreitet: In 62 Staaten ist Homosexualität strafbar, in 7 Ländern droht sogar die Todesstrafe. Laut UNESCO besuchen 129 Millionen Mädchen weltweit keine Schule – ein klarer Verstoß gegen das Recht auf Bildung und Entwicklung. Allgemein fehlt Frauen in vielen Teilen der Welt der gleichberechtigte Zugang zu Bildung, Eigentum und Selbstbestimmung.

Laut dem Freedom House Report 2024 leben nur 20 % der Weltbevölkerung in freien demokratischen Staaten – Tendenz sinkend. In autoritären Regimen wie China, Iran oder Russland werden Meinungsfreiheit, politische Teilhabe und Menschenrechte systematisch eingeschränkt. Reporter ohne Grenzen bestätigt, dass Länder wie Eritrea, Nordkorea oder Iran am Ende des weltweiten Pressefreiheitsindex stehen.

Auch digitale Technologien stellen neue Herausforderungen dar. Die zunehmende Anwendung von KI, Gesichtserkennung und Datenprofiling kann die individuelle Selbstbestimmung gefährden. Laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung 2023 befürchten 58 % der Deutschen, dass KI-basierte Entscheidungen ihre Menschenwürde beeinträchtigen könnten – etwa im Arbeitsmarkt oder im Gesundheitswesen.

Es zeigt sich: Selbst in wohlhabenden Demokratien wird die Menschenwürde durch soziale Ungleichheit, Rassismus, Obdachlosigkeit oder die Aushöhlung sozialer Sicherungssysteme untergraben. Globale Krisen, wachsende Ungleichheit und populistische Bewegungen verstärken diese Entwicklung und entwerten gezielt bestimmte Menschengruppen.

 

Eine Demo für Geflüchtete und Menschenrechte am Brandenburger Tor 2013
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Die Lage in Deutschland

In Deutschland ist die Achtung der Menschenwürde ein zentrales Verfassungsprinzip und rechtlich umfassend geschützt – insbesondere durch Artikel 1 des Grundgesetzes. Er verpflichtet den Staat, die Würde jedes Einzelnen zu respektieren und zu schützen. Dies bedeutet, dass alle staatlichen Maßnahmen und Gesetze theoretisch im Einklang mit der Achtung der Menschenwürde stehen müssen, und keine anderen Rechte oder Interessen über diesem Grundsatz stehen dürfen. Doch trotz dieser starken juristischen Verankerung gibt es in der Realität zahlreiche Herausforderungen und konkrete Fälle, in denen die Menschenwürde in Deutschland gefährdet oder verletzt wird.

Ein gravierendes Beispiel ist die soziale Ungleichheit: Laut dem Paritätischen Gesamtverband lebten im Jahr 2024 etwa 17,6 Millionen Menschen in Deutschland in Armut – das entspricht 15,5 % der Bevölkerung. Zuletzt stieg die Zahl Jahr für Jahr, besonders auch die Kinderarmut. Besonders betroffen sind daneben Alleinerziehende, Rentner und Menschen mit Migrationshintergrund. Armut bedeutet nicht nur einen Mangel an Geld, sondern häufig auch soziale Ausgrenzung und ein Leben unter Bedingungen, die als menschenunwürdig gelten  – etwa durch ungesunde Ernährung, mangelnde medizinische Versorgung oder schlechte Wohnverhältnissen.

Auch in Pflege und Altenbetreuung ist die Menschenwürde oft bedroht. Laut dem Pflegereport der Barmer 2023 fehlen bis 2030 voraussichtlich über 180.000 Pflegekräfte. Viele Pflegebedürftige leiden unter der Personalknappheit und dem damit verbundenen Zeitmangel und der unzureichenden Betreuung. Mangelnde Hygiene, Einsamkeit oder soziale Isolierung sind die Folge.

Ein weiterer sensibler Bereich ist die Asyl- und Flüchtlingspolitik. Zwar ist Deutschland eines der aufnahmefreundlichsten Länder Europas, doch die Bedingungen in Erstaufnahmeeinrichtungen stehen häufig in der Kritik. Der Flüchtlingsrat und Menschenrechtsorganisationen wie Pro Asyl berichten regelmäßig von überfüllten Unterkünften, mangelnder Privatsphäre, unzureichender medizinischer Versorgung und Diskriminierung. Laut dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wurden 2023 über 351.000 Asylanträge gestellt – viele Geflüchtete erleben in Deutschland langwierige Verfahren und Rechtsunsicherheit, die ihre Würde beeinträchtigen. Hinzu kommt zunehmende gesellschaftliche Stigmatisierung, Ausgrenzung und rassistische Straftaten - allein 2023 wurden 15.087 Vorfälle erfasst. 

In Verbindung damit stehen auch die besorgniserregende Entwicklungen in Bezug auf Rechtsextremismus. Denn im Jahr 2024 erreichte die Zahl rechtsextremer Delikte mit 33.963 Fällen einen neuen Höchststand. Auch die NSU-Mordserie oder die tödlichen Anschläge von Hanau oder München verdeutlichen die enorme Gefahr des Rechtsextremismus. Laut dem Verfassungsschutzbericht 2023 wurden 1.170 rechtsextrem motivierte Gewalttaten registriert, von denen sich viele gezielt gegen Menschen mit Migrationshintergrund, Juden und Muslime richteten. Zudem wurden über 9.000 rechtsextreme Straftaten mit fremdenfeindlichem Hintergrund gezählt, darunter zahlreiche Körperverletzungen und Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte. Diese Entwicklung stellt für gesellschaftliche Minderheiten eine reale Bedrohung im Alltag dar – insbesondere, da mit dem Erstarken der AfD eine politische Kraft zunehmend Einfluss gewinnt, die rechtsextreme Tendenzen verharmlost, unterstützt oder sogar aktiv befördert.

Auch Obdachlosigkeit ist ein deutliches Zeichen für eine gefährdete Menschenwürde in Deutschland. Laut der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe lebten 2022 rund 263.000 Menschen in Deutschland ohne eigene Wohnung – darunter 37.000 Obdachlose. Besonders in Großstädten fehlt es an bezahlbarem Wohnraum, Notunterkünften und sozialer Begleitung. Obdachlose Menschen sind häufig Schikanen, Ausgrenzung und sogar Gewalt ausgesetzt – ihre Grundrechte auf Sicherheit, Gesundheit und Teilhabe werden damit de facto verletzt.

 

Aufnahme von der Demo "Mensch sein in Österreich" am 31. August 2015
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Für eine Verbesserung der Menschenwürde

Für eine nachhaltige Entwicklung der Lage der Menschenwürde – sowohl in Deutschland als auch weltweit – bedarf es eines konsequenten Zusammenspiels aus politischem Willen, rechtlicher Verbindlichkeit, sozialem Engagement und internationaler Kooperation. Menschenwürde darf nicht nur ein normatives Ideal bleiben, sondern muss praktisch erlebbar und rechtlich durchsetzbar sein. Konkrete Maßnahmen lassen sich auf mehreren Ebenen ansetzen.

In Deutschland braucht es vor allem eine stärkere soziale Gerechtigkeit, um die Würde auch derjenigen zu sichern, die am Rand der Gesellschaft stehen. Eine Reform des Sozialsystems, die nicht nur das physische Existenzminimum absichert, sondern auch gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht, ist zentral. Dazu gehören höhere Regelsätze beim Bürgergeld, eine grundlegende Kindergrundsicherung sowie Investitionen in Bildung und soziale Infrastruktur in benachteiligten Stadtteilen.

Auch im Bereich der Pflege ist die Menschenwürde oft gefährdet – etwa durch Personalmangel oder Zeitdruck. Hier braucht es bessere Arbeitsbedingungen, verbindliche Personalschlüssel und eine grundlegende Pflegereform, um menschenwürdige Betreuung sicherzustellen. Finanzieren könnten wir das auch über höhere Abgaben reicher Menschen z.B durch eine Reichensteuer, eine konsequente Erbschaftssteuer oder eine Vermögenssteuer – zusätzlich würde man damit die soziale Gerechtigkeit ausgleichen.

Zudem müssen menschenrechtliche Maßstäbe konsequent auf die Wirtschaft angewandt werden. Das deutsche Lieferkettengesetz ist ein erster Schritt, reicht aber nicht aus. Es sollte verschärft und auf EU-Ebene verbindlich ausgeweitet werden, um sicherzustellen, dass deutsche Unternehmen nicht von Kinderarbeit, Ausbeutung oder Umweltzerstörung in anderen Ländern profitieren. Auch der Schutz der digitalen Selbstbestimmung ist zentral – hier braucht es strengere Datenschutzgesetze, Transparenzpflichten für KI-Systeme und den Ausbau digitaler Bildung, um Menschen vor entwürdigender Überwachung oder algorithmischer Diskriminierung zu schützen.

Weltweit ist eine Verbesserung der Menschenwürde ohne globale Gerechtigkeit kaum denkbar. Der Zugang zu Bildung, sauberem Wasser, medizinischer Versorgung und menschenwürdiger Arbeit ist Grundvoraussetzung – laut WHO haben noch immer 2,2 Milliarden Menschen keinen sicheren Zugang zu Trinkwasser. Die Sustainable Development Goals (SDGs), die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen, sind eng mit der Menschenwürde verbunden. Reiche Länder müssen ihrer Verantwortung durch fairen Handel, entschuldungsorientierte Entwicklungspolitik und stärkere Beiträge zur internationalen Klimafinanzierung nachkommen. Klimawandel, Hunger und Flucht sind eng mit der Frage der Menschenwürde verknüpft. Es braucht verbindliche menschenrechtliche Standards bei der Gestaltung globaler Lieferketten, Handelsabkommen und Klimaschutzmaßnahmen.

Auch die internationale Strafgerichtsbarkeit muss gestärkt werden, um systematische Menschenrechtsverletzungen wie Folter, Genozid oder sexuelle Gewalt nicht folgenlos zu lassen. Gleichzeitig müssen zivilgesellschaftliche Organisationen und Menschenrechtsverteidiger wie Journalisten oder Aktivisten besser geschützt werden – weltweit werden laut Front Line Defenders jedes Jahr Hunderte von ihnen bedroht oder ermordet. Ihre Arbeit ist oft der letzte Schutzwall gegen entwürdigende Gewalt.

Letztlich beginnt die Achtung der Menschenwürde jedoch im Alltag jedes Einzelnen – in der Art, wie wir miteinander umgehen, wie wir über andere Menschen sprechen und wie wir Verantwortung füreinander übernehmen. Eine menschenwürdige Gesellschaft erfordert nicht nur politische Reformen, sondern auch eine Kultur des Respekts, der Empathie und der aktiven Teilhabe.

Autorin: Maximilian Stark 12.05.25 | Lizenz: CC BY-SA 4.0

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