WIRTSCHAFTSPolitik
➡️ Wirtschaftspolitik - Aktuelle Lage und Parteien
Wirtschaftlich lief es in Deutschland zuletzt nicht optimal. In zwei aufeinanderfolgenden Jahren hat das Land eine Rezession erlebt. Im Jahr 2024 verzeichnete die deutsche Wirtschaft einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 0,2 Prozent. Bereits 2023 sank es um 0,3 Prozent. Für 2025 wird lediglich ein geringes Wachstum prognostiziert, wobei die OECD erwartet, dass Deutschland im Vergleich zu anderen Industrienationen am langsamsten wachsen wird.
Mehrere Faktoren trugen zu dieser Entwicklung bei. Der erhoffte Konsumboom blieb aufgrund von Kaufkrafteinbußen und steigenden Arbeitsplatzsorgen aus. Zudem litt die Baubranche unter schwacher Nachfrage, und der Export, insbesondere nach China, entwickelte sich schleppend. Politische Unsicherheiten, wie das Ende der Ampel-Koalition und die daraus resultierenden Neuwahlen im Februar, erhöhten die Unsicherheit und führten zu verzögerten Investitionen.
Auch der Fachkräftemangel spielt dabei eine Rolle. Im Jahresdurchschnitt 2023/24 gab es bundesweit 532.000 offene Stellen, die nicht adäquat besetzt werden konnten. Vor allem das Gesundheitswesen ist betroffen, was das angeschlagene Gesundheitssystem in Deutschland und die teils prekären Arbeitsbedingungen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen noch begünstigt. Auch in der öffentlichen Verwaltung, im sozialen Bereich und im Bausektor fehlen viele Fachkräfte. Dadurch schreitet der Wohnungsbau auch nur schleppend voran, oder Pflegeleistungen müssen durch den Mangel an Kitas oder Seniorenheimen privat verrichtet werden.
Die Steuerpolitik der Bundesregierung stand ebenfalls in der Kritik. Trotz des steigenden Investitionsbedarfs, speziell im Bildungs-, Gesundheits- und Sozialbereich, wurde an der Schuldenbremse festgehalten, was den finanziellen Spielraum für notwendige Investitionen erheblich einschränkte.
Der Bundesrechnungshof warnte vor zusätzlichen Belastungen von bis zu 180 Milliarden Euro in den kommenden Jahren, vor allem durch Deutschlands Anteil am EU-Wiederaufbaufonds. FDP-Finanzminister Christian Lindner hielt dennoch an der Schuldenbremse fest, die eine Neuverschuldung von maximal 16 Milliarden Euro erlaubt. Führende Ökonomen kritisieren dagegen diese Haltung immer wieder, weil sie in Krisenzeiten notwendige staatliche Investitionen hemmt und dadurch wirtschaftliches Wachstum sowie Zukunftsfähigkeit gefährdet.
Die Inflation in Deutschland hat die Lebenshaltungskosten der Bürger deutlich erhöht, insbesondere durch steigende Preise für Energie, Lebensmittel und Mieten. Während der Covid-Pandemie 2020 schrumpfte das BIP um 4,6 %, und viele Branchen erlitten massive Verluste. Mit staatlichen Hilfen wie Kurzarbeit und Soforthilfen, die über 130 Milliarden Euro umfassten, konnte ein wirtschaftlicher Kollaps verhindert werden, jedoch stieg die Staatsverschuldung deutlich. Die Arbeitslosenquote erhöhte sich kurzfristig auf über 6 %, stabilisierte sich jedoch durch umfangreiche Unterstützungsmaßnahmen.
Zwischen 2022 und 2023 stiegen die Verbraucherpreise um 6,9 %, während die Löhne nur um 2,6 % zulegten. Erst 2024 gab es mit einem Reallohnanstieg von 2,9 % leichte Entlastung. Besonders stark betroffen sind die Wohnkosten: Seit 2010 sind die Mieten in Großstädten um bis zu 70 % gestiegen, und mittlerweile geben einkommensschwache Haushalte oft mehr als 40 % ihres Einkommens für Miete aus.
Die Energiekrise ab 2022, ausgelöst durch die Russland-Sanktionen, ließ auch die Gaspreise in die Höhe schnellen. Die Strompreise erhöhten sich bis 2023 um etwa 25 % im Vergleich zu 2021, während die Gaspreise im gleichen Zeitraum um rund 74 % gestiegen sind. Unternehmen, vor allem in energieintensiven Branchen, müssen ihre Produktion einschränken, und Haushalte leiden unter hohen Energiekosten. Diese Entwicklung trifft junge Erwachsene besonders hart, von denen 25 % als armutsgefährdet gelten. Viele Menschen spüren den sozialen Abstieg und sind wütend, dass sie sich trotz gleicher Arbeit weniger Kaufkraft haben. Auch deshalb erachtet man die Wirtschaft als wichtiges Wahlthema der anstehenden Bundestagswahl.
Die Parteien zur Wirtschaft
Die Union betont die Bedeutung von Leistung und möchte die Wirtschaft durch Steuererleichterungen, Bürokratieabbau und Wachstumsprogramme stärken. Konkret plant sie die Grenze des Spitzensteuersatzes zu erhöhen und Überstunden steuerfrei zu machen. Außerdem sollen Subventionen bekämpft werden, die der deutschen Wirtschaft schaden. Man bekennt sich klar zur Schuldenbremse. Die CDU plant, bürokratische Hürden für ausländische Fachkräfte abzubauen und die Anerkennung von Berufsabschlüsse zu beschleunigen. Gleichzeitig legt sie Wert auf eine strikte Kontrolle der Zuwanderung und die Einhaltung klarer Kriterien für die Arbeitsmigration.
SPD:
Die Sozialdemokraten schlagen die Einrichtung eines "Deutschlandfonds" vor, um gezielt in Zukunftsprojekte zu investieren. Dieser Fonds soll dazu beitragen, Innovationen zu fördern und den wirtschaftlichen Wandel sozial gerecht zu gestalten. Konkret soll der Strompreis gesenkt werden und Unternehmen sollen Steuervorteile für Investitionen oder "Made in Germany" erhalten. Spitzeneinkommen und -vermögen sollen stärker besteuert werden durch die Einführung einer Vermögenssteuer oder die Reformierung der Erbschaftssteuer. Die Schuldenbremse soll beibehalten, aber reformiert werden. Bezüglich ausländischer Arbeitskräfte möchte die SPD ein Punktesystem einführen, das Qualifikationen, Sprachkenntnisse und Berufserfahrung berücksichtigt.
AfD:
Die Partei setzt auf eine marktwirtschaftliche Ausrichtung mit dem Ziel, die deutsche Wirtschaft zu stärken. Sie fordert die Abschaffung von Subventionen für erneuerbare Energien oder Entwicklungshilfe und spricht sich für eine Verlängerung der Laufzeiten von Kohle- und Kernkraftwerken aus, um die Energieversorgung sicherzustellen. Zudem plädiert die AfD für eine Deregulierung des Arbeitsmarktes und eine Senkung von Steuern und Abgaben, um die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen zu erhöhen. Aus der EU möchte man austreten und eine Neugründung als "Wirtschafts- und Interessensgemeinschaft". Auch die Rückkehr zur D-Mark wird gefordert. Die Schuldenbremse soll beibehalten werden. Sie fordert eine restriktive Migrationspolitik und lehnt die Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland ab. Zudem fordert die AfD, dass Langzeitarbeitslose zu gemeinnütziger "Bürgerarbeit" verpflichtet werden und die Bundesagentur für Arbeit zugunsten kommunaler Jobcenter aufgelöst wird.
FDP:
Die Freien Demokraten setzen auf eine Politik der Entlastung und Deregulierung. Sie fordern unter anderem die Senkung von Steuern und Abgaben sowie den Abbau bürokratischer Hürden, um Unternehmertum und wirtschaftliches Wachstum zu fördern. Subventionen sollen abgebaut und Staatsbeteiligungen sollen zugunsten privater Investoren veräußert werden. Konkret soll zudem die Unternehmenssteuer unter 25 Prozent sinken und das Lieferkettengesetz oder der Solidaritätszuschlag abgeschafft werden. Die Schuldenbremse möchte man unbedingt beibehalten. Die Liberalen fordern ein flexibles Einwanderungsgesetz mit einem Punktesystem nach kanadischem Vorbild, um den Prozess der Arbeitsmigration effizienter zu gestalten. Zudem wirbt man für eine längere Lebensarbeitszeit und eine Senkung des Krankenstandes.
Die Grünen wollen die Wirtschaft durch günstigen, klimagerechten Strom anfeuern. Dafür sollen Abgaben und Steuern auf Strom gesenkt werden. Sie wollen durch einen "Deutschlandfonds" in Infrastruktur, Bildung und Digitalisierung investieren und die Schuldenbremse reformieren, um mehr finanzielle Spielräume zu schaffen. Unternehmen sollen für CO₂-Einsparungen gefördert und private Investitionen in klimafreundliche Technologien durch eine Investitionsprämie angeregt werden. Sie wollen die Einwanderung von Fachkräften durch ein transparentes Punktesystem erleichtern und betonen die Bedeutung von Integration und Antidiskriminierungsmaßnahmen.
Die Linke setzt sich für eine stärkere Regulierung der Wirtschaft und umfangreiche staatliche Investitionen ein. Sie fordert unter anderem höhere Steuern für Vermögende und Unternehmen, um soziale Gerechtigkeit zu fördern und öffentliche Dienstleistungen auszubauen. Die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel und den öffentlichen Nahverkehr soll abgeschafft werden. Die Preisgestaltung soll allgemein von der Politik gedeckelt werden. Die Schuldenbremse soll zudem abgeschafft – gekürzt soll vor allem bei Rüstung und klimaschädlichen Subventionen werden.
BSW:
Das Bündnis unter Führung von Sahra Wagenknecht strebt eine "180-Grad-Wende in der Wirtschafts- und Energiepolitik" an. Im Fokus steht die Stärkung der deutschen Industrie durch die Sicherstellung günstiger Energiepreise. Dazu sollen langfristige Energieimporte zu niedrigen Preisen gesichert werden, u.a. durch Gaslieferungen aus Russland. Der Mittelstand soll stärker entlastet werden, dafür sollen Unternehmen mehr zahlen. Die Schuldenbremse soll reformiert werden, so sollen Bereiche wie Wohnraum, Schulen oder Straßen davon ausgenommen werden. In Ämtern fordert man weniger Lobbyeinfluss und mehr Bürgerbeteiligung. Das BSW fordert eine Regulierung der Arbeitsmigration nach den Bedürfnissen des deutschen Arbeitsmarktes.
Kommt der deutsche Wirtschaftsaufschwung?
Die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands nach der Bundestagswahl 2025 wird stark von den politischen Prioritäten der neuen Regierung abhängen. Wenn konservative Parteien wie CDU/CSU, AfD und FDP auf Wachstumsförderung durch Steuererleichterungen für Unternehmen und Besserverdienende, Sozialkürzungen und Deregulierung setzen, wird die soziale Ungleichheit weiter zunehmen. Gerade angesichts der hohen Lebenshaltungskosten, die für viele Haushalte bereits existenzbedrohend sind, würde diese Politik die soziale Spaltung verstärken.
Progressive Kräfte wie die Grünen, die Linke und das Bündnis Sahra Wagenknecht fordern dagegen eine stärkere Besteuerung von Vermögen und hohen Einkommen, um öffentliche Investitionen in Bildung, Klimaschutz und soziale Sicherung zu finanzieren. Studien zeigen, dass Maßnahmen, wie eine moderate Vermögenssteuer, zusätzliche Einnahmen von bis zu 20 Milliarden Euro jährlich generieren würden. Diese Gelder könnten genutzt werden, um die Lebenshaltungskosten gezielt zu senken und die soziale Ungleichheit zu reduzieren.
Der globale Kapitalismus und die unzureichende Besteuerung multinationaler Konzerne befeuern die sozialen Spannungen. Zwar setzen einige Parteien wie SPD und Grüne auf internationale Abkommen zur Bekämpfung von Steuervermeidung, doch ohne eine starke Durchsetzung auf EU- und OECD-Ebene bleiben diese Bemühungen begrenzt.
Schlussendlich sind fast alle Parteien um die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit des Landes und die Anliegen der Unternehmen bemüht. Soziale Gerechtigkeit, Bildung oder umweltpolitische Themen werden dem untergeordnet. Dafür sorgen auch starke Lobbyverbände und reiche Unternehmer wie Elon Musk, die immer offener ins politische Geschehen eingreifen und versuchen demokratische Kontrolle durch Privatisierung und Deregulierung aufzuweichen.
Dabei sind vor allem Investitionen in Infrastruktur, Bildung, Klimaschutz und Digitalisierung notwendig, um die deutsche Wirtschaft zukunftsfähig zu machen - und vor allem auch den sozialen Frieden zu wahren. Auch die konsequente Besteuerung von hohen Einkommen und Vermögen trägt dazu bei. Doch die wohlhabenden Mitglieder unserer Gesellschaft sind sich bewusst, dass ihr Reichtum auf Ungerechtigkeiten beruht, und machen sich dies zunutze. Durch finanzielle Unterstützung von Parteien, Medienübernahmen oder raffinierte Öffentlichkeitsarbeit lenken sie den öffentlichen und politischen Diskurs, um Maßnahmen zur Förderung sozialer Gerechtigkeit zu vereiteln. Stattdessen soll bei den Ärmsten gespart werden, beispielsweise durch Bürgergeldsanktionen, Teuerungen im Nahverkehr oder Leistungskürzungen für Geflüchtete.
Hinzu kommt der drastische Fachkräftemangel. Die rechtspopulistische Rhetorik von CDU, FDP oder AfD, die sich gleichermaßen gegen Migranten und Geflüchtete richtet, erschweren die dringend benötigte Zuwanderung. Dabei benötigt Deutschland laut Bundesagentur für Arbeit jährlich etwa 400.000 Fachkräfte aus dem Ausland.
Studien zeigen, dass restriktive Asyl- und Einwanderungsgesetze, wie sie oft von rechtspopulistischen Akteuren gefordert werden, die Integration und Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte erschweren. So führt eine negative öffentliche Haltung gegenüber Migration laut einer OECD-Analyse zu einem Rückgang von Einwanderungen um bis zu 15 %. Der zunehmende gesellschaftliche Rassismus tut sein Übriges. Stattdessen wären klare und integrationsfreundliche Klima nötig, um dem Arbeitskräftemangel zu begegnen.
Ohne umfassende Reformen in den genannten Bereichen droht Deutschland, in eine Phase zunehmender sozialer und wirtschaftlicher Instabilität zu geraten. Die politischen Entscheidungen der nächsten Jahre werden darüber entscheiden, ob das Land seine wirtschaftliche Stärke erhalten kann, während es gleichzeitig die soziale Ungleichheit bekämpft und den Herausforderungen des globalen Kapitalismus standhält. Die dafür dringend benötigten Investitionen in Bildung, Soziales und Klimaschutz sind aktuell leider in weiter Ferne.
Autor: Maximilian Stark 17.01.25, lizenziert unter CC BY-NC-SA 4.0
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