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Wofür steht die ➡️ ÖVP in Wien? - Eine Analyse 

Am 27. April wählt Wien einen neuen Landtag und Gemeinderat. Auch die ÖVP hat große Ziele: Nach langen Jahren in der Opposition möchte sie wieder Teil der Stadtregierung werden. Dafür versucht sie vor allem durch einen harten Kurs in der Sicherheitspolitik und neue Infrastrukturkonzepte zu punkten. Die regierende SPÖ kritisiert man für deren "links-linke Politik", spricht sich andererseits aber auch für eine rot-türkise Koalition zugunsten der "politischen Balance" aus. Ob man dafür die nötigen Prozentpunkte erreicht, ist aktuell allerdings fraglich. Profitierte man bei der Wahl 2020 noch vom bundesweiten ÖVP-Aufschwung unter Sebastian Kurz und etablierte sich mit 20 % als stärkste Oppositionspartei, werden aktuell nur mehr 10 % prognostiziert – ein Absturz auf den vierten Platz, nur knapp vor den NEOS.

Allgemein blickt die Wiener ÖVP auf eine lange, aber auch durchaus wechselhafte Geschichte zurück. Von 1897 bis 1910 stellten die Konservativen mit Karl Lueger den Bürgermeister. Obwohl er Großprojekte wie die Kommunalisierung der Gas- und Elektrizitätsversorgung vorantrieb, ist er vor allem auch durch seine Etablierung des politischen Antisemitismus in Erinnerung geblieben.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war die ÖVP bis 1949 Teil einer Koalition mit der SPÖ, bevor diese die absolute Mehrheit erreichte und Wien jahrzehntelang dominierte. In den folgenden Jahrzehnten blieb die ÖVP Wien meist in der Opposition, konnte aber in den 60er- und 1970er-Jahren noch 30 % der Stimmen erreichen. Mit dem Erstarken der FPÖ in den 90er-Jahren verlor die Wiener ÖVP jedoch weiter an Bedeutung und fiel bei der Wahl 2015 auf einen historischen Tiefstand von nur 9,2 %.

Erst bei der Wien-Wahl 2020 gelang der ÖVP unter Gernot Blümel ein deutlicher Aufschwung. Unter seiner Führung wurde eine "Mitte-Rechts-Politik mit Anstand" verfolgt, wobei die Schwerpunkte auf Leistung, Sicherheit, Integration und Wirtschaft lagen. Konkret forderte die Partei eine "Gebührenbremse", die Einführung von Tourismuszonen mit Sonntagsöffnungen zur Belebung der Wirtschaft sowie die Vergabe von Gemeindewohnungen ausschließlich an Personen mit ausreichenden Deutschkenntnissen.

Auch anlässlich der anstehenden Wahlen setzt die Wiener ÖVP traditionell wieder auf wirtschaftsfreundliche Politik, eine restriktive Migrationspolitik und konservative Werte. Seit Mai 2022 ist Karl Mahrer der Landesparteiobmann der Konservativen. Unter seiner Führung betont die ÖVP Wien die Notwendigkeit von "mehr Normalität" in der Stadtpolitik und eine Politik für die "schweigende Mehrheit". Vor allem die Sicherheitspolitik ist dem früheren Landespolizeikommandanten ein Anliegen.

Dabei rutscht er allerdings immer wieder in rechtspopulistische Rhetorik ab und fällt durch rassistisch gefärbte Aussagen auf. So sah er eine syrische und afghanische "Machtübernahme" am Wiener Brunnenmarkt. Im 10. Wiener Gemeindebezirk könne man sich am Abend „nicht mehr frei bewegen“. Wien sieht man zur "Messer-Metropole" verkommen – "No-Go-Areas" inklusive. Eine Sprechweise, die deutlich an die rechtsextreme FPÖ andockt. Im Unterschied zu ihr wolle man aber Lösungen anbieten. Seit 2022 wird zudem gegen Mahrer und dessen Ehefrau wegen Verdachts auf Anstiftung zur Untreue ermittelt – das Verfahren läuft. Mahrer sagt dazu, er habe ein "gutes und reines Gewissen". Ein schlechtes Abschneiden bei der anstehenden Wahl könnte ihm dennoch den Obmann-Posten kosten.

 

Eine Frau verteilt ÖVP-Material an eine Frau im Rollstuhl
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Was fordert die ÖVP für Wien? 

Die Sicherheitspolitik bildet das Kernstück des ÖVP-Wahlprogramms. Angesichts zunehmender Jugendgewalt fordert die Partei die Umsetzung eines 10-Punkte-Aktionsplans, der unter anderem die Einführung von Fallkonferenzen und eine stärkere Verantwortung der Eltern vorsieht. Zudem sollen mehr Videoüberwachung, zusätzliches Sicherheitspersonal in den Öffis, ein neuer Sicherheitsstadtrat sowie ein strikteres Vorgehen gegen Drogenmissbrauch im öffentlichen Raum eingeführt werden.

In der Sozialpolitik setzt die ÖVP bei den Ärmsten an. Geplant ist die Einführung eines Arbeitslosengeld-Modells, bei dem die Bezüge mit zunehmender Dauer der Arbeitslosigkeit sinken, um „Anreize zur raschen Wiedereingliederung“ in den Arbeitsmarkt zu schaffen. Der geringfügige Zuverdienst während der Arbeitslosigkeit soll zeitlich begrenzt werden. Die fordert Partei zudem die Abschaffung der U-Bahn-Steuer sowie die Reduktion der Luftsteuer, insbesondere zur Unterstützung kleiner Familienbetriebe. Ein „Wiener Anpackerbonus“ in Form eines Gratistickets für den öffentlichen Verkehr soll Personen gewährt werden, die über das Pensionsalter hinaus weiterarbeiten. 

Im Bildungsbereich strebt die ÖVP kleinere Gruppengrößen in Kindergärten und flexiblere Abholzeiten an, um besser auf die Bedürfnisse von Familien einzugehen. Dazu fordert sie verpflichtende Sprach-Screenings für alle Dreijährigen sowie eine dreijährige Anwesenheitspflicht bei mangelnden Deutschkenntnissen. Im Gesundheitswesen plant die ÖVP zur Entlastung der Ambulanzen, Patienten verstärkt über die Hotline 1450 an Arztpraxen und Apotheken zu vermitteln. Eine Gesundheitspräventions- und Fitness-Offensive soll darüber hinaus dazu beitragen, dass die Wiener Bevölkerung länger gesund bleibt. Auffällig ist, dass die ÖVP Wien in ihrem Gesundheitskapitel kaum auf strukturelle Herausforderungen des Wiener Gesundheitssystems eingeht.

 

Eine ÖVP-Wahlveranstaltung der ÖVP zum Lobautunnel
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Die Klimapolitik der ÖVP Wien bleibt auffällig vage. Unter dem Schlagwort „Technologieoffenheit“ lehnt sie verpflichtende Maßnahmen wie Fahrverbote oder den gezielten Rückbau des motorisierten Individualverkehrs ab. Stattdessen setzt sie auf die Förderung von E-Mobilität und Wasserstoff sowie auf den Ausbau von Schnellstraßenprojekten wie der umstrittenen Stadtstraße Aspern. Man spricht sich gegen eine „ideologiegetriebene Parkplatzvernichtung“ und eine „bewusste Auto-Vertreibungspolitik“ aus. Die Einnahmen aus Parkgebühren sollen zweckgebunden für die Verbesserung der Mobilitätsinfrastruktur verwendet werden. Auch den Bau des Lobautunnels will die Partei mit der SPÖ umsetzen.

Im Bereich Wohnen setzt die ÖVP verstärkt auf den privaten Wohnbau. Sie kritisiert die angebliche „Blockadehaltung“ der Stadt Wien und fordert, private Bauträger stärker einzubinden sowie Eigentumsbildung aktiver zu fördern. Auch in der Wirtschaftspolitik verfolgt die ÖVP Wien klare marktliberale Linien: Sie fordert die Senkung der Kommunalsteuer, die Bereitstellung zusätzlicher Flächen für Betriebsansiedlungen sowie eine umfassende Entbürokratisierung für Unternehmen und Bauvorhaben.

In der Asylpolitik verfolgt die Wiener ÖVP einen restriktiveren Kurs und hat einen Vier-Punkte-Plan zur Reduktion der Flüchtlingszahlen vorgestellt. Dieser sieht vor, Asyl- und Migrationspolitik klar zu trennen, den Schutz der EU-Außengrenzen zu verstärken und Asylverfahren verstärkt in der Nähe der Herkunftsländer durchzuführen. Die Partei wirbt für „humanitäre Hilfe vor Ort statt Aufnahme weiterer Menschen“. Zudem fordert sie eine gerechtere Verteilung von Geflüchteten innerhalb Österreichs und einen stärkeren Fokus auf Integration durch verpflichtende Deutschkurse und Arbeitsmarktmaßnahmen. Die ÖVP argumentiert, dass Wien als Bundesland mit den höchsten Sozialleistungen besonders attraktiv für Migranten sei, und fordert daher eine Angleichung an das Niveau anderer Bundesländer. Außerdem schlägt sie eine Mindestaufenthaltsdauer von fünf Jahren in Österreich vor, bevor die volle Höhe der Sozialleistungen bezogen werden kann.

 

Mehrere ÖVP-Mitglieder beim Wahlkampf am Praterstern
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Wie stehen die Chancen der Wiener ÖVP?

Seit den Wahlen 2020 konnte die ÖVP in Wien kaum größere politische Erfolge verbuchen. Zudem leidet sie unter dem Imageproblem der Bundespartei, die in den letzten Jahren durch Korruptionsaffären und interne Machtkämpfe geschwächt wurde. Die Wiener Konservativen präsentieren nun ein Wahlprogramm mit zahlreichen Forderungen, die klar ihre Handschrift tragen: wirtschaftsliberal, ordnungspolitisch hart und integrationspolitisch fordernd. Besonders auffällig ist der starke Fokus auf Law-and-Order-Maßnahmen: Mit einem 10-Punkte-Plan gegen Jugendgewalt, der Forderung nach mehr Videoüberwachung und einem eigenen Sicherheitsstadtrat bedient die ÖVP das Narrativ einer gefühlt zunehmenden innerstädtischen Unsicherheit. Nachhaltige sozialpolitische Maßnahmen fehlen im Programm dagegen komplett. 

Integration wird als reine Bringschuld verstanden, ohne die strukturellen Barrieren in Bildung, Arbeitsmarkt und Wohnraum ernsthaft zu adressieren. Sozialleistungen sollen gekürzt, der Wohnungsmarkt stärker privatisiert und klimapolitische Maßnahmen gegen den motorisierten Individualverkehr als „ideologiegetrieben“ abgelehnt werden. Insgesamt wirkt das Programm stark auf eine konservative Zielgruppe zugeschnitten, ohne umfassende Antworten auf die komplexen sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Herausforderungen der Stadt zu liefern.

Viele Vorschläge bedienen populistische Schlagworte – konkrete Umsetzungspläne und soziale Ausgleichsmaßnahmen sind hingegen nicht erkennbar. Es dürfte daher schwerfallen, sich als echte Konkurrenz zur FPÖ zu etablieren, die in Umfragen stark zugelegt hat und in Bereichen wie Migration und Sicherheit deutlich populistischer und radikaler auftritt. Während sich die ÖVP als potenzieller Koalitionspartner der SPÖ ins Spiel brachte, dürfte die anhaltende konservative Kritik an der Stadtpolitik dort noch nicht verklungen sein. Auch inhaltlich sind die Gräben tief; eine Koalition der SPÖ mit den NEOS oder den Grünen erscheint deutlich naheliegender. Sollte die ÖVP Wien aufgrund niedriger Zustimmung geschwächt in die Opposition gehen, wäre wohl eine grundlegende Neuausrichtung der Partei unumgänglich.

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Autor: Maximilian Stark 08.04.25, lizenziert unter CC BY-SA 4.0

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