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Wofür stehen ➡️ Die Grünen in Wien? - Eine Analyse

Am 27. April wählt Wien einen neuen Landtag und Gemeinderat. Die Grünen geben sich kämpferisch. Obwohl man aktuell bei 12 % steht und damit um 3 % schlechter als 2020, hofft man auf eine erneute Regierungsbeteiligung mit der SPÖ. In der ersten rot-grünen Koalition unter Bürgermeister Michael Häupl und Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou von 2010 bis 2020 konnten die Grünen einige Projekte in Wien realisieren. 

Ein nennenswertes Beispiel ist die Umgestaltung der Mariahilfer Straße zur Fußgängerzone, die nach intensiven Diskussionen und Bürgerbeteiligung umgesetzt wurde. Zudem wurde das österreichweite Klimaticket und die Jahreskarte für die Wiener Linien auf 365 Euro reduziert, was zu einem schnellen Anstieg der Fahrgastzahlen führte; 2012 nutzten 907 Millionen Fahrgäste die Wiener Linien, rund 32 Millionen mehr als im Vorjahr.

Die flächendeckende Parkraumbewirtschaftung wurde eingeführt, um den Verkehr in der Stadt zu regulieren. Weitere Maßnahmen umfassten die Einführung eines neuen Prostitutionsgesetzes 2011, das den Straßenstrich in Wohngebieten verbot, und die Umsetzung des Automatenverbots 2014, um Spielsucht und Glücksspiel zu unterbinden. Auch die Errichtung des „Denkmals für die Verfolgten der NS-Militärjustiz“ am Ballhausplatz geht auf eine grüne Initiative zurück.

Trotz dieser Erfolge kam es innerhalb der Koalition zu Spannungen. Ein Beispiel hierfür ist die Diskussion um die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung; die Grünen forcierten dieses Vorhaben. In SPÖ-dominierten Bezirken stieß dies allerdings auf Widerstand, da man negative Auswirkungen auf die Wählerbasis befürchtete. Die Umgestaltung der Mariahilfer Straße führte zu internen Differenzen, da die SPÖ die Vorgehensweise der Grünen als überstürzt empfand. Auch bei der Reform des Wiener Wahlrechts gab es Unstimmigkeiten.

 

Leonore Gewessler und Judith Pühringer bei der Grüne Fotoaktion „Nein zum Türkis-Rot-Pinken Abrissbagger“
Wiki | Die Grünen Wien - CC0

Die zunehmenden Differenzen in zentralen politischen Fragen und der schwindende gegenseitige Vertrauen führten dazu, dass die Koalition nach den Wahlen 2020 nicht fortgesetzt wurde. Die SPÖ entschied sich stattdessen für eine Koalition mit den NEOS. Nach dem Wechsel in die Opposition setzten sich die Grünen weiterhin für ihre Kernthemen ein. Ein bedeutender Erfolg war die Verhinderung der Lobau-Autobahn; ein Projekt, das aufgrund des enormen Bodenverbrauchs und der starken Umweltbelastung umstritten war. Die SPÖ steht nach wie vor für die Umsetzung des Projekts. 

Für die Wiener Gemeinderatswahl 2025 streben die Grünen dennoch eine Neuauflage der rot-grünen Zusammenarbeit an und kritisieren die aktuelle Stadtregierung unter Beteiligung der NEOS als "unberechenbar". Die Grüne-Spitzenkandidatin Judith Pühringer unterstellt zudem fehlenden "Mut für große Ideen und Projekte." Man selbst sieht sich als treibende Kraft für eine sozial-ökologische Politik in Wien und betont die Notwendigkeit mutiger Reformen, insbesondere im Bereich des leistbaren Wohnens und der Bildung

Pühringer ist seit 2021 gemeinsam mit Peter Kraus Parteivorsitzende der Wiener Grünen. Im März 2025 wurde sie zur Spitzenkandidatin gewählt. Nach ihrem Studium der Betriebswirtschaft war sie 15 Jahre lang im NGO-Bereich tätig, insbesondere als Geschäftsführerin des Netzwerks "Arbeit plus", das sich für arbeitslose und armutsbetroffene Menschen einsetzt. 2020 trat sie als Quereinsteigerin den Wiener Grünen bei und wurde zur nicht amtsführenden Stadträtin gewählt.

 

Die Grünen bei einer Verteilaktion anlässlich der Wien-Wahl 2025
Wiki | Die Grünen Wien - CC0

Was fordern die Grünen?

Die Wiener Grünen haben ihr Wahlprogramm für die Gemeinderatswahl 2025 veröffentlicht. Unter dem Motto "Wien, Wien, nur du allein, kannst die Stadt von morgen sein" präsentieren sie mutige und innovative Konzepte für die Zukunft der Stadt.

Ein zentraler Punkt des Programms ist der Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Geplant ist eine Erweiterung des Straßenbahnnetzes um 68 Kilometer, was 17 neuen Linien und einer Verlängerung von 9 bestehenden Linien entspricht, mit besonderem Fokus auf die Außenbezirke. Zudem soll das "2-3-5"-Modell eingeführt werden: U-Bahnen alle 2 Minuten, Straßenbahnen alle 3 Minuten und Busse mindestens alle 5 Minuten während der Hauptverkehrszeit. Das 365-Euro-Jahresticket soll weiterhin bestehen bleiben, ohne Preiserhöhungen. Den Wiener Gürtel möchte man zudem verkehrsberuhigen - "zugunsten von Fußgängern, Radfahrerinnen und Grün." 

Im Gesundheitsbereich setzen die Grünen auf eine Wiener Behandlungsgarantie, um lange Wartezeiten zu verkürzen. Besonderes Augenmerk liegt auf der psychischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen, wofür mehr Kassenplätze und der Ausbau von Primärversorgungszentren geplant sind. Zudem sollen Frauengesundheitszentren wie das "FEM Med" in Favoriten an mehreren Standorten etabliert und zusätzliche Kassenstellen für Gynäkologie geschaffen werden.

Im Bildungsbereich adressieren die Grünen den Lehrermangel und möchten mit höheren Gehältern, besseren Aufstiegsmöglichkeiten und weniger Bürokratie gegensteuern. Zudem setzt man auf eine stärkere Durchmischung in den Schulen. Die Schulwahl soll durch sozioökonomische Kriterien gelenkt werden, um Chancengleichheit zu fördern. Schulsozialarbeit soll umfassend etabliert werden. Sprachförderung soll bereits im Kindergarten verstärkt umgesetzt werden, dafür fordert man eine Sprachförderkraft an jedem Standort.

Ein weiteres zentrales Anliegen ist die Schaffung von leistbarem Wohnraum. Bereits im September 2023 starteten die Grünen die Kampagne „Zu Hause zu teuer“ und sammelten Unterschriften für eine Volksbefragung mit 6 Forderungen. Darunter: Eine Ausweitung der Wohn- und Mietbeihilfe, einen Mietpreisdeckel im Gemeindebau, den Schutz des Altbaus, eine Leerstandsabgabe sowie eine strengere Regulierung von Airbnb, um leistbaren Wohnraum zu sichern und nachhaltige Stadtentwicklung zu fördern. Zusätzlich sollen in den nächsten fünf Jahren 35.000 neue leistbare Wohnungen entstehen.

 

Die Grünen Spitzenkandidaten auf dem 46. Grünen Bundeskongress
Wiki | Die Grünen Wien - CC0

Zusätzlich setzen die Grünen auf Umwelt- und Klimaschutz, beispielsweise durch die Pflanzung von 100.000 neuen Bäumen in der Stadt, um das Mikroklima zu verbessern und CO₂ zu reduzieren. Auch der Schutz von Grünflächen und die Förderung nachhaltiger Mobilität stehen im Fokus, etwa durch die Ablehnung der Lobau-Autobahn und die Investition in klimafreundliche Verkehrsprojekte. Sie streben zudem einen vollständigen Ausstieg aus Öl und Gas an und setzen auf den Ausbau erneuerbarer Energien. 

In der Wirtschaftspolitik fordern die Grünen eine Neuausrichtung. Der Fokus liegt auf der Stärkung des lokalen Einzelhandels, des produzierenden Gewerbes und des Handwerks, um regionale Wirtschaftskreisläufe zu fördern und krisenfeste Arbeitsplätze zu schaffen. Man setzt sich für ein grünes Investitionsprogramm ein, das Maßnahmen wie eine Photovoltaik-Offensive und Fassadenbegrünungen umfasst. Zudem plädieren sie für soziale Sicherheit für Einzel- und Kleinunternehmer durch Zugang zu Mindestsicherung, Mikrokrediten sowie Förderungen für Gründungen und Investitionen.

In der Migrations- und Asylpolitik treten die Grünen für sichere und legale Fluchtwege ein und setzen sich für eine erleichterte Einbürgerung von Migrantinnen und Migranten ein. Sie betonen die Bedeutung von Integration durch Bildung und fordern den Ausbau von Sprachförderprogrammen sowie die Bereitstellung ausreichender sozialpädagogischer Unterstützung in Bildungseinrichtungen. Zudem fordert man eine sofortige und wirksame Reform der MA 35, die für Einwanderung und Staatsbürgerschaft zuständig ist und in der Vergangenheit häufig in der Kritik stand.

In der Sicherheitspolitik sprechen sich die Grünen für ein generelles Waffenverbot inklusive Messertrageverbot im öffentlichen Raum aus. Man ist "entschieden gegen jede Form politischer Radikalisierung" aus. Dafür setzt man auf eine stärkere Zusammenarbeit mit Communitys und gezieltes Vorgehen gegen homophobe Hassverbrechen

 

Mehrere Grünen-Mitglieder bei einer Verteilaktion anlässlich der Wien-Wahl
Wiki | Die Grünen Wien - CC0

Wird es eine neue Rot-Grüne Koalition geben?

Auf Seiten der Grünen spricht man sich immer wieder für eine Zusammenarbeit aus; so betont etwa der grüne Bundesparteichef Werner Kogler die Präferenz für "Rot-Grün statt Rot-Blass". Auf Seiten der Grünen braucht man wieder einen Erfolg. Denn die Partei, die bis 2024 an der Bundesregierung beteiligt war, regiert nurmehr im Burgenland und in Oberösterreich mit. War man vormals in Vorarlberg, Salzburg, Tirol und eben Wien beteiligt, sank zuletzt die politische Beteiligung und der gesellschaftliche Rückhalt. 

Ob die Grünen in Wien wieder in Regierungsverantwortung kommen, hängt von der Gunst der SPÖ ab. Beide Parteien teilen ähnliche Ansichten in der Sozialpolitik. Sie positionieren sich gegen die von der Bundesregierung angepeilte Kürzung der Sozialhilfe und setzen sich für soziale Gerechtigkeit ein. Im Bildungsbereich befürworten sowohl SPÖ als auch Grüne die Förderung der Muttersprache im Regelunterricht und lehnen eine Deutschpflicht in den Pausen ab. Zudem unterstützen beide Parteien den Ausbau des sozialen Wohnbaus und die Errichtung neuer Gemeindebauten, um leistbaren Wohnraum zu schaffen.

Trotz vieler Gemeinsamkeiten gibt es auch signifikante Differenzen, insbesondere in der Verkehrspolitik. Ein prominentes Beispiel ist der Lobau-Tunnel: Die Grünen lehnen dieses Projekt ab, während die SPÖ es unterstützt. Ähnlich verhält es sich mit Ludwigs Herzensprojekt: Die Errichtung einer millionenschweren Multifunktionsarena bei St. Marx wird von den Grünen abgelehnt. Auch die Diskussion um eine autofreie Innenstadt hat in der Vergangenheit wiederholt zu Spannungen geführt. Während die Grünen solche Maßnahmen befürworten, gibt es innerhalb der SPÖ, speziell in den Flächenbezirken, Vorbehalte gegenüber einer solchen Verkehrspolitik. 

Auch in Bezug auf den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und die Förderung des Radverkehrs ist man seitens der SPÖ verhaltener. Zumal man bei einer erneuten Zusammenarbeit mit den NEOS wohl deutlich weniger Zugeständnisse machen müsste. Dementsprechend feindselig spricht man aktuell seitens der Grünen über die Liberalen. Kogler nennt deren Wien-Politik „farblos", das umgesetzte Klimagesetz wird „vage und unverbindlich“ genannt und der pinken Bildungspolitik wird sogar „systemisches Versagen“ vorgeworfen. Entscheidend für die Grünen wird wohl sein, ob sich Rot-Pink rechnerisch ausgehen wird, ebenso ob man für eine Regierungsbeteiligung für Kompromisse in der Verkehrs- und Umweltpolitik bereit wäre. Bislang gibt man sich jedenfalls kämpferisch und wählte „Wien, nur Mut." zu einer der Kernbotschaften des Wahlkampfes. 

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Autor: Maximilian Stark 03.04.25, lizenziert unter CC BY-SA 4.0

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