Eine Gruppe Polizisten vor einem Demozug
Wki | 7C0 - CC BY 2.0

Eine kritische Perspektive auf ➡️ die deutsche Polizei

Rechte Chatgruppen in Hessen, ein erschossener 16-jähriger während eines Polizeieinsatzes und ein Polizeinotruf der Hilfe bei Diskriminierung verweigert. Alles aktuelle Nachrichten aus den letzten Monaten. Polizeigewalt, Rassismus und Rechtsextremismus sind ernsthafte Probleme, die in den letzten Jahren vermehrt medial thematisiert wurden.

Diese Entwicklungen werfen Fragen zur Rechtmäßigkeit und Vertrauenswürdigkeit unserer Ordnungskräfte auf und erfordern dringende Maßnahmen zur Reform und Verbesserung. Denn jeder Mensch hat das Recht auf Gleichbehandlung und Schutz vor Gewalt durch staatliche Stellen. Wenn die Polizei in unrechtmäßige Gewalt oder Diskriminierung verwickelt ist, wird dieser Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit verfehlt.

Zudem wird die öffentliche Sicherheit gefährdet, wenn Bürger das Vertrauen in die Polizei verlieren. Menschen könnten zögern, Hilfe von der Polizei zu suchen oder Informationen bereitzustellen, aus Angst vor Repressalien oder Schikane. Das beeinträchtigt auch das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Polizei selbst und kann den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährden, wenn Mitarbeiter staatliche Behörden wiederholt durch Verfassungsfeindlichkeit und Rassismus auffallen.

Dieses Verhalten betrifft vor allem ethnische und religiöse Minderheiten, die oft bereits mit Stereotypen und Vorurteilen kämpfen und dadurch zusätzlich gesellschaftliche Ausgrenzung und Diskriminierung erfahren.

Bessere Welt Info setzt sich kritisch mit den Verfehlungen der Polizei in Deutschland auseinander und verweist auf konkrete Lösungsansätze zur Bekämpfung von Polizeigewalt oder behördlichen Rassismus. Daneben finden sich auch Beiträge zu weiteren wichtigen Themen wie dem Wohnungsmangel, der Situation von Geflüchteten, der zunehmenden Kinderarmut, der Rentenpolitik oder den Umgang mit Arbeitslosigkeit.

 

Zwei Polizisten tragen einen Demoteilnehmer weg
Wiki | Stefan Müller - CC BY 2.0 DEED

Polizeigewalt in Deutschland

Polizeigewalt ist ein Thema, das immer wieder für Schlagzeilen sorgt. Dabei spricht man von unangemessener Anwendung von Gewalt durch Polizeibeamte. Das kann sich physisch durch übermäßige Schläge, Tritte, Würgen, Einsatz von Schusswaffen oder rechtswidrige Festnahmen, aber auch psychisch durch verbale Schikane, Erniedrigung oder Diskriminierung äußern.

Jedes Jahr werden rund 12.000 Verdachtsfälle von unrechtmäßiger Polizeigewalt dokumentiert (rbb 2023). 2022 kamen elf Menschen bei Polizeieinsätzen in Deutschland ums Leben (Statista 2022). Zu beiden Zahlen gibt es keine offiziellen Angaben von staatlicher Seite – man hält sich bedeckt. Strafrechtlich verfolgt wird Polizeigewalt zudem nur selten. Gerade einmal zwei Prozent der Fälle kommen vor Gericht, weniger als ein Prozent enden mit einer Verurteilung.

Das liegt zum einen daran, dass viele Staatsanwaltschaften ihr Verhältnis zur Polizei nicht belasten wollen, andererseits haben Polizeibeamte häufig die Definitionsmacht über einen Vorfall. Polizeibeamte genießen in vielen Fällen eine gewisse Immunität. Ihren Aussagen wird in der Regel Glauben geschenkt, dazu decken sich Kollegen oft in ihren Aussagen und Betroffenen werden mit Gegenanzeigen konfrontiert. - Auf unserer englischsprachigen Schwesterseite Better World Info finden sich zudem Beiträge zu Polizeigewalt und DIskriminierung in den USA. 

 

Zwei Polizisten nehmen eine Person mit Migrationshintergrund fest
Wiki | Libertinus, Montecruz Foto - CC BY-SA 2.0 DEED

Racial Profiling und Diskriminierung

Unter Racial Profiling versteht man eine Praxis, bei der Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe, Herkunft oder äußeren Erscheinung von der Polizei ins Visier genommen werden. In einer Umfrage im Jahr 2020 gaben 18 Prozent der befragten Menschen an, bereits mindestens einmal aufgrund ihres Aussehens von der Polizei kontrolliert worden zu sein (Mediendienst). Bei einer ähnlichen Studie mit 6.000 Befragten mit Migrationshintergrund erklärte über die Hälfte, bereits negative und vorfallslose Kontrollen durch die Polizei erlebt zu haben (ebenda).

Zudem berichten Menschen mit Migrationshintergrund häufiger von Diskriminierung und Schikane bei Kontakt mit Polizeibehörden – sie sind auch statistisch häufiger das Ziel von willkürlichen Personalkontrollen.

Zwar legt ein Forschungsprojekt nahe, dass in der Polizei nicht mehr menschenfeindliche Einstellungen existieren als in der Gesamtbevölkerung - ausländerfeindliche Einstellungen wurden bei 18 Prozent der Befragten festgestellt (MEGAVO 2023). Doch häufig wird das diskriminierende Verhalten der Polizeibeamten durch gesellschaftliche Vorurteile und Stereotypen geleitet. So werden bestimmte Gruppen eher als gefährlich eingestuft oder generell mit bestimmten Straftaten in Verbindung gebracht.

Eine Studie belegt, die Folgen von Racial Profiling (RLS 2019). Betroffene meiden bestimmte Orte, entwickeln Angst vor der Polizei und verlieren dadurch auch das Vertrauen in die Behörden. Die Polizei wird weniger mit Sicherheit und Ordnung verbunden, sondern als potenzielle Gefahr wahrgenommen und prinzipiell gemieden, auch wenn man polizeilichen Beistand bräuchte.

 

Mehrere Polizisten vor einem Büro der rechten AfD
WIki | Leonhard Lenz - CC0 1.0 DEED

Rechtsextremismus bei der Polizei

Die Frage des Rechtsextremismus in der deutschen Polizei ist ein weiteres besorgniserregendes Thema. Laut dem Bundesamt für Verfassungsschutz wurden in den letzten Jahren zahlreiche rechtsextreme Vorfälle innerhalb der Polizei gemeldet. Im Jahr 2021 gab es 551 rechtsextremistische Verdachtsfälle (Statista 2022). 2022 wurden 327 Bedienstete der Polizei und des Verfassungsschutzes mit rechtsextremer Gesinnung erfasst (Mediendienst 2022). Diese Zahlen werfen Fragen zur Radikalisierung und zum Versagen bei der Überwachung extremistischer Elemente innerhalb der Polizei auf. Denn die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen, da viele Fälle nicht öffentlich gemacht werden und sich rechtsextreme Gruppen innerhalb der Polizei decken und schützen.

Immer wieder wird bundesweit über Polizisten berichtet, die sich in rechtsextremen Chatgruppen austauschen, in rechten Netzwerken aktiv sind oder neben Neonazis auf Demos marschieren. Aktuell stehen rechtsextreme Polizisten im Verdacht, Drohbriefe und Hassnachrichten im Namen einer fiktiven "NSU 2.0"-Gruppe versandt zu haben. Diese Drohungen waren an Politiker, Journalisten und Aktivisten gerichtet. Bereits der Umgang und das Versagen der Behörden im Falle des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU), haben gezeigt, dass es dringend notwendig ist, die Strukturen und die interne Kontrolle der Polizei zu reformieren.

 

Ein Plakat mit den Todesopfern des NSU
Flickr | Juergen Pohl - CC BY-ND 2.0 DEED

Polizeiversagen beim NSU

Die Polizei hat im Zusammenhang mit dem NSU vielfach Versäumnisse und Fehler begangen, die zu einem weitreichenden Versagen im Umgang mit dieser rechtsextremen Terrorgruppe geführt haben. Der NSU war verantwortlich für eine Serie von rassistisch motivierten Morden, Anschlägen und Raubüberfällen in Deutschland zwischen 2000 und 2007.

Einer der zentralen Gründe für das Versagen der Polizei war die Tatsache, dass die Behörden anfänglich eine rassistische und voreingenommene Sichtweise auf die Verbrechen hatten. Die Ermittler konzentrierten sich zunächst auf die Opfer und deren mögliche kriminelle Verbindungen anstatt im rechtsextremen Milieu zu ermitteln. Dies führte zu einer verfehlten Ermittlungsrichtung und einer Verschleppung der Aufklärung der Verbrechen.

Es gab zudem eine mangelnde Koordination und Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen deutschen Bundesländern und ihren Polizeibehörden. Da die Morde und Anschläge über die Landesgrenzen hinweg stattfanden, war eine enge Kooperation der Behörden unerlässlich. Diese Koordination ließ jedoch zu wünschen übrig.

Es gibt Belege, dass V-Leute des Verfassungsschutzes innerhalb des NSU-Umfelds jahrelang aktiv waren. Zu Ermittlungen oder einer Aufdeckung der Gruppen kam es allerdings nicht. Dies führte zu Spekulationen über eine mögliche Verwicklung des Staates mit der rechten Szene und die Frage, ob Informationen zurückgehalten wurden. Darauf deutet auch die Vernichtung von wichtigen Akten und Beweismitteln, die für die Ermittlungen im NSU-Fall von entscheidender Bedeutung gewesen wären. Nach wie vor stellt sich die berechtigte Frage, inwieweit die Polizeibehörden von den NSU-Morden wussten, deckten oder sogar unterstützten.

Insgesamt führte dies dazu, dass Polizei und Sicherheitsbehörden über viele Jahre hinweg die Verbrechen des NSU nicht angemessen untersuchten und nicht in der Lage waren, die Täter zur Verantwortung zu ziehen. Die Versäumnisse und das Versagen im NSU-Fall haben zu erheblichem öffentlichen Druck und zu Reformen in deutschen Sicherheitsbehörden geführt, um solche Fehler in Zukunft zu verhindern – bislang allerdings mit mäßigem Erfolg.

Denn die genannten Probleme sind nicht nur Einzelfälle, wie sie oft von politischen Akteuren genannt werden, sondern deuten auf systemische Probleme hin. Es ist unerlässlich, dass die deutschen Behörden und die Gesellschaft insgesamt diese Fragen ernsthaft angehen. Es bedarf einer verstärkten Transparenz und Überprüfung der Polizeiarbeit sowie einer Sensibilisierung für Rassismus und Extremismus innerhalb der Polizei.

 

Zwei Polizisten tragen einen Demonstranten mit Gewalt weg
Wiki | Tim Wagner - CC-by 4.0

Was muss sich bei der Polizei ändern?

Die Verbesserung der deutschen Polizei erfordert eine ganzheitliche Herangehensweise, die verschiedene Aspekte der Polizeiarbeit und -kultur berücksichtigt. Essenziell ist die Schaffung unabhängiger Gremien zur Überwachung der Polizei, die Untersuchungen bei Vorwürfen von Fehlverhalten durchführen und dafür sorgen, dass Verstöße angemessen geahndet werden. Im Zusammenhang damit wäre auch die flächendeckende Einführung von Körperkameras für Polizisten wünschenswert, um Transparenz und Rechenschaftspflicht zu fördern und das Verhalten von Polizisten zu überwachen.

Zudem ist es wichtig, die Vielfalt in den Reihen der Polizei durch gezielte Anwerbemaßnahmen und die Schaffung einer inklusiven und vielfältigen Kultur zu fördern, die verschiedene Perspektiven und Hintergründe schätzt. Dazu benötigt es, allerdings auch die Einführung umfassender Schulungsprogramme zur Sensibilisierung für Rassismus und Diskriminierung, um Polizisten in interkultureller Kompetenz zu schulen und Racial Profiling zu verhindern.

Die Ausbildung müsste sich zudem intensiver mit Deeskalation, Gewaltfreiheit und gewaltloser Kommunikation befassen, um Polizisten in die Lage zu versetzen, Konflikte friedlich und ohne übermäßige Gewalt zu lösen. Damit zusammenhängend, wäre auch eine kritische Überprüfung der Ausrüstung und Befugnisse der Polizei, insbesondere in Bezug auf den Einsatz von Tasern und Schusswaffen, Blendgranten, Gummigeschossen und Schlagstöcken notwendig.

 

Eine Demo vor einem Wasserwerfer der Polizei
Flickr | Brainbitch - CC BY-NC 2.0 DEED

Mehr Soziales und Prävention und weniger Polizei 

Die Verbesserung der deutschen Polizei erfordert schlussendlich eine koordinierte Anstrengung von Regierungsbehörden, der Polizeiführung, der Zivilgesellschaft und der Polizeibeamten selbst. Denn es ist von entscheidender Bedeutung, die Polizei zu einer Institution zu entwickeln, die in der Lage ist, die Rechte und Sicherheit aller Bürger zu schützen, unabhängig von ihrer ethnischen Herkunft oder sozialen Stellung.

Dennoch lässt sich auch sagen, dass viele der Aufgaben, die derzeit von der Polizei wahrgenommen werden, besser von anderen Einrichtungen erledigt werden könnten. Dies schließt Programme der Sozialen Arbeit, psychologische Unterstützung und Streitschlichtungsdienste ein. Dadurch können viele Probleme, die zu kriminellem Verhalten führen, vermieden werden.

Statt die Polizei als primäre Antwort auf gesellschaftliche Probleme zu betrachten, könnten alternative Methoden zur Konfliktlösung und zur Wiedereingliederung von Straftätern in die Gesellschaft gefördert werden. Dies würde dazu beitragen, die Überbelegung von Gefängnissen zu reduzieren und die sozialen Ursachen von Kriminalität nachhaltig anzugehen.

Die Forderung nach mehr sozialer Programmen und Einrichtungen und weniger Polizei bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Polizeistellen reduziert werden, wie es beispielsweise in Amerika gefordert wird, wo Rassismus und Übergriffe der Polizei eine ganz andere Dimension haben. Stattdessen geht es allerdings auch in Deutschland darum, die Ressourcen und die Aufmerksamkeit verstärkt auf präventive Maßnahmen, soziale Unterstützung und Gemeinschaftsarbeit zu lenken, um die Sicherheit und das Wohlbefinden der Bürger zu verbessern.

Autor: Maximilian Stark 16.10.23, lizensiert unter CC BY-NC-SA 4.0

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