Jemen
➡️️ Jemen Konflikt – Die größte humanitäre Krise der Geschichte
Der seit 2014 andauernde Krieg im Jemen zählt heute zu den schwersten humanitären Katastrophen weltweit. Auslöser war die Machtübernahme der Huthi-Rebellen, einer schiitischen Minderheit, die die Hauptstadt Sanaa einnahmen und die international anerkannte Regierung stürzten.
Eine von Saudi-Arabien geführte Militärkoalition griff ein, um die Regierung wieder einzusetzen. Der daraus resultierende Konflikt forderte zahllose zivile Opfer, zwang Millionen in die Flucht und hinterließ ein verwüstetes Land.
Regionale Machtkämpfe, wirtschaftlicher Zusammenbruch und eine dramatische Hungersnot verschärfen die Lage zusätzlich – weite Teile der Bevölkerung sind auf humanitäre Hilfe angewiesen.
Mehr als ein Jahrzehnt Krieg hat rund 4,5 Millionen Menschen vertrieben – das sind 14 % der Bevölkerung. Etwa 18,2 Millionen Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen, 5 Millionen leben in akuter Ernährungsunsicherheit. Die Gefahr einer großflächigen Hungersnot wächst stetig.
Chronik des Konflikts im Jemen
Die Huthi-Bewegung, auch „Ansar Allah“ genannt, führt seit 2004 einen Aufstand gegen die Regierungstruppen und protestiert gegen die Marginalisierung schiitischer Gruppen im Norden.
Nach den Protesten des Arabischen Frühlings 2011 trat Präsident Ali Abdullah Saleh zurück; Nachfolger wurde Abdrabbuh Mansour Hadi. Die Machtübergabe verlief jedoch chaotisch, und 2014 eskalierte der Konflikt in einen offenen Bürgerkrieg.
Ende 2014 übernahmen die Huthis die Hauptstadt Sanaa. Präsident Hadi floh 2015 außer Landes. Saudi-Arabien startete daraufhin mit arabischen Verbündeten eine Militärintervention, unter anderem durch eine See- und Luftblockade. Diese Kampagne wurde massiv von Waffenexporten aus Großbritannien und den USA unterstützt – mit verheerenden Folgen für die Zivilbevölkerung.
In den Schlüsselregionen Sanaa, Hodeidah, Marib und Taiz halten die Kämpfe weiter an. Während Ex-US-Präsident Biden 2021 die Huthi von der US-Terrorliste nahm, wurde diese Entscheidung 2024 nach Angriffen auf Handelsschiffe im Roten Meer revidiert.
Seit November 2023 eskaliert die Lage erneut: Die Huthis erklärten Israel den Krieg, kaperten Handelsschiffe im Roten Meer und blockieren eine der weltweit wichtigsten Schifffahrtsrouten – mit gravierenden Folgen für den Welthandel und die Umwelt.
Als Reaktion verstärkte Israel Luftangriffe auf den Hafen von Hodeidah – ein zentrales Drehkreuz für humanitäre Hilfe. Saudi-Arabien und die VAE führten ihrerseits eine brutale Luftoffensive, bei der über 150.000 Zivilisten ums Leben kamen.
Die humanitäre Katastrophe in Jemen
Die saudische Blockade und Angriffe auf Infrastruktur haben das Land weitgehend vom Welthandel abgeschnitten. Der Hafen Hodeidah ist akut gefährdet – ein vollständiger Ausfall wäre katastrophal.
Mehr als 6,7 Millionen Menschen benötigen Notunterkünfte; die meisten leben in provisorischen Lagern ohne Schutz, Bildung, medizinische Versorgung oder sanitäre Einrichtungen. Rund 80 % der Geflüchteten sind Frauen und Kinder – besonders deren Rechte werden massiv eingeschränkt. Frauen dürfen nur noch in männlicher Begleitung reisen.
9,8 Millionen Kinder benötigen dringend Hilfe. Angriffe auf Krankenhäuser und Schulen haben das Gesundheitssystem lahmgelegt. Die gezielte Zerstörung von Lebensmittelinfrastruktur und die Instrumentalisierung von Wasser treffen Kinder besonders hart. Zivilgebäude und Versammlungen wurden systematisch bombardiert – viele dieser Angriffe gelten als Kriegsverbrechen.
Die humanitäre Hilfe ist durch die Krise im Roten Meer stark eingeschränkt. Die Huthis behindern Hilfslieferungen, blockieren Genehmigungen, vereinnahmen Hilfsgüter für eigene Zwecke. Auch die jemenitische Regierung erschwert mit Bürokratie und neuen Gesetzen die Arbeit von Hilfsorganisationen.
Alle Konfliktparteien sind für willkürliche Verhaftungen, Folter und das Verschwindenlassen von Menschen verantwortlich – ohne dass bisher Rechenschaft gefordert wurde.
Wirtschaftskrise im Jemen
Die wirtschaftliche Lage verschärft die humanitäre Notlage. Seit 2019 ist die Wirtschaft gespalten – ein Teil unter Kontrolle der Huthis, der andere unter der der saudisch unterstützten Regierung. Die Inflation explodierte, die Währung stürzte ab – insbesondere in den von der Regierung kontrollierten Gebieten.
Die Kaufkraft der Menschen ist dramatisch gesunken. Grundbedürfnisse sind für viele unbezahlbar. Die Bevölkerung ist in großem Maße auf immer weniger Hilfsgüter angewiesen.
Eine zerstörte Infrastruktur, Handelsausfälle und fehlende Grundversorgung haben das Land wirtschaftlich kollabieren lassen. Ohne stabile Regierung sind wirtschaftliche Reformen oder Investitionen nicht möglich. Proteste, besonders im Süden, wurden gewaltsam niedergeschlagen.
Rolle von Großbritannien & USA
Großbritannien und die USA haben der saudisch geführten Koalition Waffen und technische Unterstützung geliefert – und tragen somit Mitverantwortung für tausende zivile Todesopfer. Anfang 2024 begannen beide Länder mit eigenen Luftangriffen auf Huthi-Ziele.
US-Präsident Biden erklärte, diese Angriffe seien eine Reaktion auf die Huthi-Angriffe auf Schiffe und Israel. Unter Donald Trump wurde die militärische Präsenz der USA weiter verstärkt – unter anderem, um Iran in Verhandlungen über sein Atomprogramm zu drängen.
Vermutet wird auch, dass die USA den Konflikt nutzen, um gegen al-Qaida und IS-nahe Gruppen in Jemen (AQAP) vorzugehen. Seit 2002 haben die USA fast 400 Angriffe in Jemen durchgeführt – zuletzt im März 2025 mit einer neuen Kampagne. Saudi-Arabien distanzierte sich von diesen Angriffen und forderte Zurückhaltung.
Friedensbemühungen im Jemen
Der Jemen hat in den letzten Jahren immer wieder Phasen von Waffenruhen erlebt, deren Erfolg jedoch sehr unterschiedlich ausfiel. Seit den Offensiven der Jahre 2015–2016 herrscht ein politischer Stillstand, begleitet von zahlreichen gescheiterten Waffenstillständen.
- 2011: Initiative des Golf-Kooperationsrats (GCC)
Der GCC schlug einen politischen Übergangsplan vor, der den Rücktritt des damaligen Präsidenten Ali Abdullah Saleh im Gegenzug für Immunität vor Strafverfolgung vorsah. Es war ein entscheidender Versuch, die Region zu stabilisieren und demokratische Reformen einzuleiten. Das Abkommen legte den Grundstein für eine neue Regierung und führte schließlich zur Wahl von Abdrabbuh Mansur Hadi als Übergangspräsident.
Die Vereinbarung brachte jedoch keine umfassenden Reformen und schloss wichtige Akteure wie die Huthis und südliche Sezessionisten aus – was letztlich zu weit verbreiteter Unzufriedenheit und weiteren Kämpfen führte.
- 2013–2014: Nationale Dialogkonferenz
Diese Konferenz war ein Übergangsprozess in Sanaa, der politische, soziale und wirtschaftliche Probleme des Jemen ansprechen sollte.
Trotz einiger Fortschritte gelang es nicht, zentrale Streitfragen zu lösen. Viele Ergebnisse waren nicht bindend, und die Delegierten konnten die politischen Lager des Landes nicht zusammenbringen. Erneut waren die Huthis und südlichen Separatisten nicht beteiligt – ihre Forderungen blieben daher unbeachtet.
- 2015: UN-vermittelte Friedensgespräche
Als Reaktion auf die eskalierende Gewalt vermittelte die UNO Friedensgespräche in Genf – unter Beteiligung der jemenitischen Regierung, der Huthi-Rebellen und weiterer Konfliktparteien.
Tiefes Misstrauen und anhaltende Feindseligkeiten erschwerten jedoch Fortschritte, und beide Seiten fanden kaum gemeinsame Basis. Die Gespräche führten zu keinem dauerhaften Waffenstillstand.
- 2016: Friedensgespräche in Kuwait
Monatelange Verhandlungen in Kuwait brachten keine Annäherung – im Gegenteil: Die unvereinbaren Positionen der Parteien wurden deutlich.
Die Huthis waren nicht bereit, die Kontrolle über die Hauptstadt aufzugeben, ohne politische Garantien. Gleichzeitig bestand die jemenitische Regierung auf einem vollständigen Rückzug der Huthi-Truppen als Voraussetzung für jede Einigung. Die Einmischung Saudi-Arabiens und Irans erschwerte die Friedensbemühungen zusätzlich.
- 2018: Stockholmer Abkommen
Das von den Vereinten Nationen vermittelte Abkommen zwischen der jemenitischen Regierung und den Huthi-Rebellen konzentrierte sich auf drei Hauptbereiche: einen Waffenstillstand in der Hafenstadt Hodeidah, einen Gefangenenaustausch und die Situation in Taiz.
Das Abkommen stellte einen bedeutenden Schritt in Richtung Frieden dar, doch gegenseitige Vorwürfe von Vertragsverletzungen führten dazu, dass es nicht von Dauer war.
- 2019: Abkommen von Riad
Von Saudi-Arabien vermittelt, verfolgte das Abkommen das Ziel, die Kräfte gegen die Huthi-Rebellion zu vereinen, indem der Südübergangsrat (Southern Transitional Council) in die Regierung integriert und die Machtverteilung neu geregelt wurde. Es sah die Bildung eines neuen, inklusiven Kabinetts, die Verlegung von Truppen und die Bündelung der Sicherheitskräfte unter staatlicher Kontrolle vor.
Das Scheitern des Abkommens war auf mangelnde Durchsetzung, anhaltende äußere Einflussnahme und konkurrierende regionale Interessen zurückzuführen – letztlich verfolgten die verschiedenen Fraktionen ihre eigenen Agenden.
- 2020: Waffenstillstandsvorschläge
Im Zuge der Covid-19-Pandemie gab es 2020 mehrere Versuche, einen Waffenstillstand zu etablieren. Die UNO und andere internationale Akteure bemühten sich intensiv um Friedensvereinbarungen.
Die saudische Koalition kündigte einen einseitigen Waffenstillstand an, um die Kämpfe zu reduzieren und sich auf die Bekämpfung der Pandemie zu konzentrieren. Diese Vorschläge wurden jedoch eher als kurzfristige Maßnahmen wahrgenommen und griffen nicht die zugrundeliegenden Konfliktursachen – wie Machtverteilung und politische Repräsentation – auf.
Da kein umfassender Friedensplan vorlag, waren die Vereinbarungen fragil und zum Scheitern verurteilt. Anhaltende Militäroperationen verhinderten eine dauerhafte Lösung.
- 2022: Waffenruhe und neue Gespräche
Im April 2022 wurde eine landesweite Waffenruhe erklärt, die zu einem spürbaren Rückgang der Gewalt führte und neue Friedensgespräche ermöglichte. Dieser Durchbruch erlaubte die Wiedereröffnung wichtiger Häfen und Flughäfen, wodurch dringend benötigte Hilfsgüter ins Land gelangen konnten.
Beide Seiten zeigten sich gesprächsbereit, und die Zivilbevölkerung war hoffnungsvoll, dass dies zu einer dauerhaften Lösung führen könnte. Die Waffenruhe wurde jedoch durch anhaltende Scharmützel und Verstöße untergraben, was das Vertrauen in den Prozess schwächte. Zudem fehlte ein neutraler Vermittler, was bedeutete, dass beide Seiten zögerten, Zugeständnisse zu machen, ohne Sicherheit über eine gleichwertige Gegenleistung.
- 2023: Fortgeführte Verhandlungen
Die Bemühungen zur Verlängerung der Waffenruhe und zur Erreichung eines umfassenden Friedensabkommens dauerten an. Ziel war ein dauerhafter Waffenstillstand, die Lösung humanitärer Fragen, Gefangenenaustausch, Wiederöffnung humanitärer Hilfsrouten, wirtschaftliche Stabilisierung und der Wiederaufbau nach dem Konflikt.
Die Lage blieb jedoch komplex und instabil. Mit der zunehmenden Einmischung der USA und Israels wurden die Chancen auf Frieden weiter geschwächt. Im Mai 2025 wurde ein neuer Waffenstillstand zwischen den USA und den Huthis durch Oman vermittelt. Die Huthis stimmten zu, ihre Angriffe auf Schiffe im Roten Meer einzustellen – nicht jedoch auf Israel.
Bei einer kürzlichen Sitzung der UNO warnten Delegierte, dass der Weg zu einer dauerhaften Lösung für den Jemen noch lang sei.
„Auch wenn die Frontlinien derzeit relativ stabil erscheinen, herrscht im Jemen kein Frieden.“ – Hans Grundberg, Sondergesandter des UN-Generalsekretärs für den Jemen
Humanitäre Hilfe bleibt vorrangig, ebenso wie der Aufbau einer inklusiven Regierung, die Förderung des Dialogs, die Repräsentation der vielfältigen jemenitischen Bevölkerung, der Wiederaufbau der Infrastruktur sowie des wichtigsten Flughafens und Hafens des Landes. Die Landeswährung befindet sich weiterhin im freien Fall, Hilfslieferungen erreichen ihre Ziele nicht, eine Cholera-Epidemie breitet sich im ganzen Land aus, und anhaltende Stromausfälle lähmen das öffentliche Leben.
Es bleibt noch viel zu tun, denn der humanitäre Hilfsplan für Jemen im Jahr 2025 ist derzeit nur zu etwa 9 % finanziert, während sich das Land an die Hoffnung auf einen weiteren brüchigen Waffenstillstand klammert.
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Autorin: Rachael Mellor, 20.05.25, Maximilian Stark, 05.06.25 – lizenziert unter CC BY-SA 4.0
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