Soldaten des Jägerbataillons 25 während einer Gefechtsvorführung.
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➡️ Österreichs Aufrüstung - Hochgerüstet und trotzdem neutral?

Österreich rüstet massiv auf. Die Verteidigungsausgaben befinden sich seit einigen Jahren in einer deutlichen Aufwärtstendenz. Für das Jahr 2025 ist ein Bundesheerbudget von rund 4,7 Milliarden Euro vorgesehen. Das entspricht einem Anstieg von 349 Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr. Für 2026 ist bereits eine weitere Erhöhung auf 5,1 Milliarden Euro geplant.

Der Anteil der Verteidigungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIP) liegt damit 2025 bei etwa 0,8 %, während unter Einrechnung zusätzlicher Posten wie Pensionen der Wert auf etwa 1,17 % steigt. Zum Vergleich: Die österreichische Bundesregierung hat sich mittelfristig das Ziel gesetzt, die Ausgaben bis 2032 auf 2 % des BIP und damit 8 bis 9 Milliarden Euro zu erhöhen – ein ambitioniertes Vorhaben angesichts der bisherigen Steigerungsraten.

Ein Blick auf die Entwicklung der letzten Jahre zeigt, dass die Verteidigungsbudgets kontinuierlich wachsen, jedoch erst in jüngster Zeit stärker zunehmen. Im Jahr 2019 lagen die Ausgaben noch bei rund 2,9 Milliarden Euro, 2021 bereits bei 3,5 Milliarden Euro, und 2023 bei etwa 4,1 Milliarden Euro. Damit haben sich die jährlichen Mittel innerhalb von sechs Jahren um fast 50 % erhöht. Dennoch bleibt Österreich im europäischen Vergleich eines der Länder mit den geringsten Verteidigungsausgaben in Relation zum BIP – der EU-Durchschnitt liegt bei etwa 1,7 Prozent.

Die Militärausgaben Österreichs 2010-2024
statista 2025

Was wird konkret angeschafft?

Der aktuelle Aufrüstungskurs steht im Zeichen des „Rekonstruktionsplans 2032+“, der eine umfassende Modernisierung des Österreichischen Bundesheeres vorsieht. Die Aufrüstung konzentriert sich laut offiziellen Angaben auf mehrere Schlüsselbereiche: Erstens die Luftverteidigung – so wird etwa für die bodengebundene Luftabwehr ein System mit mittlerer Reichweite („bis 50 km“) angeschafft und langfristig wird auch eine Abwehr über 50 km („weitreichende Reichweite“) angestrebt. Zusätzlich plant das Verteidigungsministerium den Ankauf neuer Transportflugzeuge vom Typ Embraer C-390 und die Beschaffung von 12 italienischen Mehrzweckkampfflugzeugen als Ersatz für ältere Systeme.

Zweitens stehen hochmoderne Fahrzeuge im Fokus – etwa Mannschaftstransportpanzer, Spezialfahrzeuge, Kampf- und Schützenpanzer und Mehrzweckhubschrauber. Drittens sind Aufklärung, Cyberabwehr und Führungs- und Informationssysteme Teil des Pakets – hier sollen Drohnen, Systeme zur Führung und Kommunikation sowie Bewaffnung und Ausrüstung modernisiert werden. Viertens zählt Infrastruktur – Ausbau, Modernisierung von Kasernen, Anlagen, Logistik – zu den vorgesehenen Ausgaben, da das Bundesheer auf neue Strukturen umgestellt werden soll.

Zudem stellt die Beteiligung Österreichs an der European Sky Shield Initiative (ESSI) einen weiteren Baustein der laufenden Aufrüstung im Bereich der Luft und Raketenabwehr dar. Bereits im Sommer 2023 unterzeichnete Österreich eine Absichtserklärung zur Teilnahme, mit dem Ziel, bis 2025 Module dieses Schutzsystems in Europa funktionsfähig zu machen.

Für 2025 ist vorgesehen, dass Österreich in den aktiven Beschaffungs und Planungsprozess von Sky Shield eintritt: Laut Aussagen des Bundesheer Generalleutnants Bruno Hofbauer sei „die Planung fertig, es geht jetzt Richtung Bereitstellung“. Damit sollen erstmals gemeinsame europäische Kurz- und Mittelstrecken-Luftabwehrsysteme mit österreichischer Beteiligung zum Einsatz kommen. Ein wichtiger Aspekt: Österreich betont, dass die Entscheidung über den Einsatz der Waffensysteme weiterhin vollständig in österreichischer Hand bleibe.

Zudem ist Österreich derzeit „noch nicht vertraglich gebunden“ an Sky Shield – das heißt, eine finale Beteiligung mit allen Verpflichtungen ist noch nicht unterschrieben. Im März 2025 beschloss der österreichische Nationalrat, eine stärkere parlamentarische Kontrolle der Beschaffung im Rahmen des Projekts Sky Shield einzuführen. Sowohl die großen Regierungsparteien als auch die Oppositionsparteien – mit Ausnahme der Freiheitlichen Partei Österreichs – stimmten dem Antrag zu. Die FPÖ sieht die österreichische immerwährende Neutralität infrage gestellt und kritisieren eine starke Anbindung an NATO kompatible Strukturen.

Zwei österreichische "Black Hawk" trainieren in Belgien.
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Wer verdient an der Aufrüstung Österreichs?

Ein bedeutender Nutznießer ist das deutsche Rüstungs- und Technikunternehmen Rheinmetall AG. Beispielsweise bekam Rheinmetall einen Vertrag über ca. 532 Millionen Euro zur Modernisierung der Luftabwehrsysteme des österreichischen Heeres („Skyguard Next Generation“) zugesprochen. Ebenfalls profitiert Rheinmetall von Rahmenverträgen für Logistik- und Fahrzeugtechnik: So wurde ein Rahmenvertrag mit bis zu 525 Millionen Euro Volumen zur Lieferung von bis zu 1.375 Fahrzeugen geschlossen.

Eine weitere Firma ist das dänische Unternehmen Systematic Defence A/S, das für Österreich ein C2 (Kommandound Kontrollsystem)-Projekt im Wert von 73 Millionen Euro erhielt. Ferner ist die französisch-sprachige Rüstungs- und Technikgruppe Thales Group in Österreich im Bereich Radar-, Kommunikations- und Elektroniklösungen aktiv. Ein weiteres Beispiel für grenzüberschreitende Beschaffung ist der geplante Kauf von vier Transportflugzeugen des Typs C 390 Millennium von dem brasilianischen Hersteller Embraer — dieser Vertrag wurde im Juli 2024 formalisiert. Außerdem wird Italien als zukünftiger Partner genannt – etwa beim geplanten Kauf von 12 italienischen Kampfflugzeugen.

Auch österreichische Unternehmen profitieren deutlich von der aktuellen Aufrüstung des Bundesheeres. Die Bundesregierung verfolgt dabei ausdrücklich das Ziel, nicht nur die militärische Leistungsfähigkeit zu stärken, sondern zugleich die heimische Wirtschaft anzukurbeln. So sollen laut Verteidigungsministerium rund 60 % der Wertschöpfung der laufenden Beschaffungen im Inland verbleiben. Besonders sichtbar ist das im Bau- und Infrastrukturbereich: Für den Neubau der Großkaserne in Villach werden rund 400 Millionen Euro investiert – fast alle Aufträge gehen an österreichische Bau- und Handwerksbetriebe. Insgesamt sind bis 2026 Investitionen von etwa 1,3 Milliarden Euro in Kasernen, Ausbildungszentren und Logistikprojekte geplant.

Rund 150 österreichische Unternehmen mit etwa 11.000 Beschäftigten sind im Sicherheits- und Verteidigungssektor tätig und erwirtschaften gemeinsam über 3,3 Milliarden Euro Umsatz. Dazu gehören Betriebe wie Steyr Arms, die gepanzerte Fahrzeuge und Schusswaffen liefern, Swarovski Optik mit militärischer Präzisionstechnik, Rosenbauer mit Spezialfahrzeugen für das Heer sowie Elektronikfirmen, die Kommunikations- und Aufklärungssysteme entwickeln.

Die Offiziere sind am Maria Theresien-Platz angetreten.
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Wie steht die Politik und die Gesellschaft zur Aufrüstung?`

Politisch wird die verstärkte Aufrüstung insbesondere damit begründet, dass sich die sicherheitspolitische Lage in Europa deutlich verändert habe. So formuliert das Bundesheer in seinem Zielbild „ÖBH 2032+“ klar, dass Österreich befähigt sein soll, sein Staatsgebiet zu verteidigen und seine Souveränität zu sichern. Die Bundesregierung weist darauf hin, dass jahrzehntelange Unterfinanzierung und strukturelle Defizite bei der Ausrüstung des Bundesheers vorliegen, und dass mit dem Aufbauplan und dem Budgetanstieg für die nächsten Jahre diese Defizite angegangen werden sollen. Auch wird argumentiert, Österreich müsse seine Neutralität nicht nur formal wahrnehmen, sondern auch faktisch durch ausreichende Verteidigungsfähigkeit untermauern.

Die ÖVP bekennt sich klar zu einer Modernisierung des Österreichisches Bundesheer und zur Erhöhung der Verteidigungsausgaben. So spricht etwa Verteidigungsministerin Klaudia Tanner klar für den „Aufbauplan 2032+“, mit dem langfristig ein Anteil von bis zu 2 % des BIP für die Landesverteidigung angestrebt wird. Die ÖVP sieht darin eine wichtige Antwort auf veränderte sicherheitspolitische Rahmenbedingungen.

Die SPÖ unterstützt eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben grundsätzlich, allerdings mit Schwerpunkt auf Struktur- und Personalfragen. Ihre Vertreter kritisieren beispielsweise einen Mangel an Personal beim Bundesheer trotz beschafftem Gerät und fordern deshalb nicht allein höhere Ausgaben für Ausrüstung, sondern auch bessere Einsatzfähigkeit und Milizübungen. Die SPÖ fordert etwa eine nachhaltige Anhebung des Budgets auf mindestens 1 % des BIP.

Die NEOS betonen, dass Finanz- und Beschaffungspolitik bei der Aufrüstung nicht „planlos“ erfolgen darf. Sie fordern eine klare Sicherheitsstrategie und eine engere Abstimmung mit europäischen Partnern, bevor große Investitionen getätigt werden.

Die FPÖ wiederum übt scharfe Kritik am aktuellen Aufrüstungskurs. Sie mahnt an, dass Österreichs Neutralität nicht infrage gestellt werden dürfe, und sieht beim Bundesheer trotz erhöhter Mittel weiterhin große strukturelle Mängel. Zudem fordert die FPÖ, Mittel nicht für EU-Verteidigungsprogramme oder internationale Projekte einzusetzen, sondern primär für die Landesverteidigung.

In der Gesellschaft zeigt sich ein gemischtes Bild: Einerseits wird dem Bundesheer großes Vertrauen entgegengebracht – in der Umfrage „Österreichische Sicherheitspolitik im Trend 2025“ erklärten etwa 79 % der Befragten, sie vertrauen dem Bundesheer eher oder voll und ganz. Gleichzeitig zeigt sich, dass eine Mehrheit der Bevölkerung die Verteidigungsfähigkeit Österreichs als unzureichend ansieht – 75 % sagten in einer Umfrage, dass Österreich nicht ausreichend gegen militärische Angriffe aus dem Ausland gerüstet ist.

Auch die Wehrpflicht und ein stärkeres Heer werden von einem Großteil befürwortet; so unterstützen rund 70 % weiterhin die allgemeine Wehrpflicht. Gleichzeitig gibt es aber klare Grenzen in der Zustimmung: Während eine Modernisierung und Aufstockung bei der Landesverteidigung unterstützt wird, stimmt bei Fragen etwa zur Beteiligung an EU-Aufrüstungsprogrammen oder militärischen Auslandseinsätzen eine deutliche Mehrheit zurückhaltend oder ablehnend. Beispielsweise lehnten in einer Umfrage 57 % die finanzielle Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Russland ab, und 82 % sahen die immerwährende Neutralität Österreichs als identitätsstiftend an.

limastreik unter dem Motto Abrüsten fürs Klima am 23. September 2022, Berlin
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Kritik an der Aufrüstung

Trotz steigender Verteidigungsbudgets weist das Bundesheer weiterhin erhebliche Defizite bei Ausstattung, Mobilmachung, Miliz-Einsatz und Übungssituation auf. Fachleute wie der ehemalige Generalstabschef Edmund Entacher kritisieren das Fehlen einer klaren sicherheitspolitischen Strategie: Österreich investiere zwar Milliarden in neue Waffensysteme, Fahrzeuge und Flugzeuge, doch es bleibe unklar, welche konkreten Ziele damit erreicht werden sollen. Statt langfristiger Planung dominiere ein kurzfristiger Beschaffungsfokus, wodurch dringend notwendige Reformen in Organisation, Ausbildung und Personal vernachlässigt würden. Ohne strukturelle Modernisierung drohten die zusätzlichen Mittel „in ineffizienten Strukturen zu versickern“, während Personalmangel, fehlende praxisnahe Übungen und veraltete Strukturen bestehen bleiben.

Ein weiterer zentraler Kritikpunkt betrifft die Prioritätensetzung in einer angespannten Haushaltslage. Während die Regierung bis 2032 eine Anhebung des Verteidigungsbudgets auf 2 % des BIP anstrebt, stehen andere Politikfelder unter Druck. Sozial- und Umweltverbände warnen, dass diese Mittel auf Kosten von Bildung, Gesundheit, Klimaschutz und Sozialpolitik fließen könnten. Auch ist fraglich, wie dass das Ziel von 2 % des BIP angesichts hoher Inflation und Sparzwänge umgesetzt werden soll.

Besonders kontrovers diskutiert wird die Vereinbarkeit der Aufrüstung mit der österreichischen immerwährenden Neutralität, die laut Umfragen für über 80 % der Bevölkerung ein zentraler Bestandteil der nationalen Identität ist. Es wird befürchtet, dass die Teilnahme an europäischen Verteidigungsprojekten wie der „European Sky Shield Initiative“ oder die geplante Anschaffung italienischer Kampfflugzeuge die Neutralität faktisch aushöhlen könnten. Friedensforscher wie Thomas Roithner und Wilfried Graf warnen, dass Österreich durch solche Kooperationen schrittweise in militärische Bündnisstrukturen eingebunden werde und seine traditionelle Rolle als neutraler Vermittlerstaat verliere. Dem entgegenen steht, dass diese Maßnahmen offiziell der Verteidigungsfähigkeit und nicht einer Bündnisintegration dienten – doch die Grenzen sind fließend.

Darüber hinaus fordern zahlreiche Beobachter mehr Transparenz und Effizienz bei Beschaffungen und Reformen. Derzeit fehle ein klarer Überblick über Kosten, Nutzen und Prioritäten der einzelnen Projekte, was Misstrauen in der Bevölkerung schüre. Auch parlamentarische Kontrollinstanzen verlangen mehr Offenlegung bei der Mittelverwendung und der Vergabe großer Rüstungsaufträge. Zunehmend wird deshalb nach Alternativen zur klassischen militärischen Aufrüstung gesucht. Diskutiert werden verstärkte Investitionen in zivile Sicherheitspolitik, etwa in Katastrophenschutz, Cyberabwehr, kritische Infrastruktur und diplomatische Konfliktprävention. Eine Neuausrichtung der österreichischen Friedens- und Neutralitätspolitik könnte die sicherheitspolitische Rolle Österreichs neu definieren – mit dem Ziel, Stabilität nicht durch Waffenstärke, sondern durch Kooperation, Resilienz und internationale Vermittlung zu schaffen.

Autor: Maximilian Stark 10.11.25, lizenziert unter CC BY-SA 4.0

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