Ein Mädchen, das in einem Rollstuhl sitzt, schaut in die Kamera
Wiki | MIKI Yoshihito - CC BY 2.0

➡️ Menschen mit Behinderung - Info-Portal

Bessere Welt Info widmet sich mit diesem Ratgeber den Problemen und Herausforderung von Menschen mit Behinderung im Alltag, darunter Erfahrung mit Diskriminierung oder der erschwerte Zugang zu Arbeit und Bildung. Wir beschäftigen uns aber auch mit Maßnahmen, die eine inklusive und gerechtere Gesellschaft ermöglichen und schauen auf Organisationen, die sich dafür einsetzen. 

Darüber hinaus bieten wir auch kritische Ratgeber zu verwandten Themen wie Pflege, Obdachlosigkeit, Armut, Mieten, Arbeitslosigkeit oder soziales Engagement. 

-Auf unserer Schwesterseite Better World Info finden sich viele englische Beiträge zum Thema Disability

Behinderung - Was bedeutet das? 

In Deutschland gilt eine Person als behindert, wenn sie eine dauerhafte Beeinträchtigung der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben hat. Behinderung ist nicht nur ein medizinisches, sondern auch ein soziales Phänomen. Dies bedeutet, dass nicht nur die individuelle Diagnose relevant ist, sondern auch die Auswirkungen der Beeinträchtigung auf die Teilhabe an Bildung, Arbeit, sozialen Aktivitäten und anderen Lebensbereichen.

Die Arten von Behinderungen werden nicht nur nach medizinischen Diagnosen, sondern auch nach den Auswirkungen auf das tägliche Leben klassifiziert:

 

Eine Frau mit Down-Syndrom mit einem Backblech in der Hand
Wiki | Mexxlady - CC BY-SA 4.0

Körperliche Behinderung

Körperliche Behinderungen betreffen die motorischen Fähigkeiten und können durch angeborene Zustände, Unfälle oder Krankheiten verursacht werden. Beispiele für körperliche Behinderungen sind Querschnittslähmung, Amputationen, Muskeldystrophie oder Gelenkerkrankungen. Die Auswirkungen können von leichten Einschränkungen bis hin zu schwerwiegenderen Mobilitätsproblemen reichen.

Geistige Behinderung

Geistige Behinderungen beeinflussen die kognitiven Fähigkeiten einer Person und können auf genetischen Faktoren, pränatalen Bedingungen oder erworbenen Hirnschäden basieren. Menschen mit geistiger Behinderung können Schwierigkeiten in der intellektuellen Entwicklung, im Aufbau von sozialen Beziehungen, Selbstversorgung und im Kommunikationsverhalten haben. Die Ausprägungen reichen von milden Lernschwierigkeiten bis zu schwerwiegenderen kognitiven Beeinträchtigungen.

Seelische/psychische Behinderung

Diese Kategorie umfasst Erkrankungen, die die emotionale und psychische Gesundheit beeinträchtigen. Dazu gehören Depressionen, Angststörungen, Schizophrenie, posttraumatische Belastungsstörungen und andere psychische Beeinträchtigungen. Die Auswirkungen können von episodisch bis chronisch reichen und erheblichen Einfluss auf das tägliche Leben haben.

Die Feststellung einer Schwerbehinderung erfolgt in Deutschland durch den Schwerbehindertenausweis. Dieser Ausweis wird auf Antrag bei den Versorgungsämtern ausgestellt und enthält den Grad der Behinderung (GdB), der auf ärztlichen Gutachten basiert. Der GdB wird unter Berücksichtigung verschiedener Lebensbereiche festgelegt, darunter Mobilität, Alltagsbewältigung, soziale Kontakte, psychische Belastbarkeit und mehr. Ein GdB von 50% oder mehr gilt als Schwerbehinderung.

 

Eine Grafik zu den Arten der Behinderung in Deutschland 2021
Statistik der schwerbehinderten Menschen in Deutschland

Wie ist die Lage für Menschen mit Behinderung in Deutschland?

Weltweit leben 1 Milliarde Menschen mit einer Behinderung – 15% der Weltbevölkerung. In Deutschland waren es 2021 rund 8 Millionen Menschen mit Schwerbehinderung. Das entspricht 9 % der Gesamtbevölkerung (destatis 2022) Dreiviertel der Betroffenen sind über 55 Jahre alt, nur 4% sind jünger als 25 Jahre alt. Der größe Anteil an Senioren und Rentnern mit Behinderung erfordert eine spezifische Betrachtung ihrerer Problemlagen. Auf Bessere Welt Info finden sich dazu Beiträge zu Themen wie Altersarmut, Wohnen im Alter oder Mobilitätshilfen. 

Die häufigste Form der Behinderung ist eine Beeinträchtigung der Funktion der inneren Organen. In Österreich sind leben 1,3 Millionen Menschen mit einer Behinderung (WU 2018). In der Schweiz sind es 1,8 Millionen Menschen - 20% der Bevölkerung (BFS 2019). 

Deutschland hat 2009 die UN-Behindertenrechtskonvention ratifiziert, die sicherstellen soll, dass Menschen mit Behinderungen die gleichen Rechte und Chancen wie alle anderen Menschen haben. Die Konvention betont die Inklusion, Selbstbestimmung und Partizipation von Menschen mit Behinderungen.

Auch im deutschen Grundgesetz ist festgeschrieben, dass Menschen mit Behinderung nicht benachteiligt werden dürfen. Das deutsche Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) und das Sozialgesetzbuch XIV (SGB) sind dabei zentrale Gesetze, die die Rechte von Menschen mit Behinderungen regeln. Sie sollen die gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben fördern, beispielsweise durch Kostenübernahmen oder Beratungsangebote

So haben Menschen mit Behinderungen Anspruch auf Pflege- und Unterstützungsleistungen, um ihre Selbstständigkeit zu fördern. Dies kann ambulante Pflege, Assistenzleistungen oder den Bezug von Pflegeheimen umfassen, aber auch den Zugang zu kulturellen Veranstaltungen, Sport, Freizeitaktivitäten und sozialen Angeboten. 2024 hat die Bundesregierung 500 Millionen für die Inklusion von Menschen mit Behinderung vorgesehen. (Kobinet 2023

Auch Maßnahmen zur Integration von Menschen mit Behinderungen in den Arbeitsmarkt sind inbegriffen. Dazu gehören beispielsweise Anti-Diskriminierungsregelungen und Unterstützung bei der Anpassung von Arbeitsplätzen. 50% der Menschen mit Schwerbehinderung zwischen 16 und 64 Jahren waren 2021 in den Arbeitsmarkt integriert (deutschland.de 2023)

Es gibt zudem Bemühungen, Menschen mit Behinderungen in das allgemeine Bildungssystem zu integrieren. Förderschulen existieren weiterhin, aber es wird angestrebt, den inklusiven Unterricht in Regelschulen zu stärken. Im Schuljahr 2021 lag der Anteil an Schülern, die einen sonderpädagogischen Förderbedarf hatten, bei 7%

Die Inklusionsquote beschreibt dabei den Anteil der Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf, die eine Regelschule besuchen, an allen Schülerinnen und Schülern der Primär- und Sekundarstufe I. Sie lag in Deutschland 2021 bei 3% (statista 2022) Die Exklusionsquote gibt dagegen den Anteil der Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf, die eine Förderschule besuchen, an allen Schülerinnen und Schülern der Primär- und Sekundarstufe I an. Sie lag im selben Jahr bei 4%.

 

Ein Mann im Rollstuhl in einem Bus
WIki | Metropolitan Transportation Authority - CC BY 2.0

Herausforderungen von Menschen mit Behinderung

Obwohl es gesetzliche Bestimmungen für Barrierefreiheit gibt, sind viele öffentliche Orte, Verkehrsmittel und Wohngebäude noch nicht ausreichend barrierefrei gestaltet. Dies betrifft insbesondere Menschen mit Mobilitätseinschränkungen, Seh- oder Hörbehinderungen. Mangelnde Barrierefreiheit beschränkt die eigenständige Teilnahme am gesellschaftlichen Leben massiv.

2018 waren nur 1,8% der Bestandswohnungen in Deutschland barrierefrei (EnableMe 2022). Auch am Arbeitsplatz ist dies ein Problem – nur 28% der Unternehmen gaben an, umfassend barrierefrei zu sein.

Dadurch entsteht häufig auch eine höhere finanzielle Belastung von Menschen mit Behinderungen, da sie zusätzliche Kosten für barrierefreies Wohnen, medizinische Versorgung, Pflege und spezielle Hilfsmittel tragen müssen. Es ist auch eine Herausforderung, ausreichende finanzielle Unterstützung durch staatliche Leistungen zu erhalten – oft ist dies mit langwierigen Behördengängen, Bearbeitungszeiten und Formalien verbunden. 

Menschen mit Behinderungen stehen zudem oft vor Herausforderungen bei der Integration in den Arbeitsmarkt. Arbeitgeber können Vorurteile haben, es mangelt an geeigneten Anpassungen am Arbeitsplatz, und es gibt Schwierigkeiten im Erwerb von beruflichen Qualifikationen. Die Arbeitslosenquote liegt bei Menschen mit Behinderungen bei 11,5% - doppelt so hoch wie bei der restlichen Bevölkerung (ZDF 2022).

Viele Menschen mit Behinderungen sind daher gezwungen, in speziell dafür ausgelegten Werkstätten zu arbeiten. In Deutschland sind über 310.000 Menschen in diesen Werkstätten beschäftigt. Dort erhalten sie einen Lohn, der erheblich unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns liegt, sie sind vom gesellschaftlichen Leben exkludiert und haben kaum Chancen in den regulären Arbeitsmarkt vermittelt zu werden (Perspektive 2022).

Diskriminierung aufgrund von Behinderung ist rechtlich verboten, und es gibt Mechanismen, um Verstöße zu melden und rechtlich dagegen vorzugehen. Trotz dieser rechtlichen Maßnahmen existiert weiterhin psychische und physische Übergriffe gegenüber Menschen mit Behinderungen. 2022 waren ein Drittel der 8.800 gemeldeten Diskriminierungsfälle aufgrund von Anfeindungen gegen Menschen mit Behinderungen (ZDF 2023). Das hat Auswirkungen auf die gesellschaftliche Teilhabe, aber auch auf die psychische Gesundheit und den Selbstwert der Betroffenen.

Trotz Bemühungen um Inklusion im Bildungssystem stoßen Menschen mit Behinderungen auf Hindernisse, sei es aufgrund mangelnder barrierefreier Infrastruktur in Bildungseinrichtungen oder aufgrund fehlender Unterstützung für ihre individuellen Bedürfnisse. Der Anteil an Schülern und Schülerinnen auf Förderschulen ist in Deutschland, verglichen mit anderen europäischen Ländern, hoch. Fast ein Drittel verlässt die Schule ohne einen Abschluss und hat so kaum eine berufliche Alternative zu den bereits genannten Werkstätten (ZDF 2022). 

Auch der Zugang zu qualitativ hochwertiger Pflege und Unterstützung kann eine Herausforderung darstellen. Die Verfügbarkeit von barrierefreien Pflegeeinrichtungen und geschultem Personal variiert, und individuelle Bedürfnisse müssen besser berücksichtigt werden. Aktuell ist die Gesetzeslage dahingehend nicht gut. Menschen mit Behinderungen werden benachteiligt und sie erhalten geringe finanzielle Unterstützung in dem Bereich (Lebenshilfe 2023).

 

Drei Frauen, die Basketball im Rollstuhl spielen
Wiki | LauraHale - CC BY-SA 3.0

Maßnahmen für eine inklusive Gesellschaft

Ein wichtiger Schritt sollte die konsequente Umsetzung von Inklusion im Bildungssystem sein. Dies beinhaltet die Integration von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen in allgemeine Schulen und die Bereitstellung von Unterstützungsmaßnahmen, um ihre individuellen Bedürfnisse zu erfüllen. Dafür braucht es allerdings auch Fortbildungsprogramme für Lehrer, um ihre Fähigkeiten im Umgang mit Behinderungen zu stärken und ihnen die notwendigen Werkzeuge für einen inklusiven Unterricht zu geben. Immer wieder berichten Lehrkräfte über mangelnde Ressourcen und Überforderung (Dlf 2017). 

Es braucht zudem gezielte Maßnahmen, um die Arbeitsmarktintegration von Menschen mit Behinderungen zu fördern. Dazu gehören finanzielle Anreize für Arbeitgeber, die Förderung von inklusiver Personalpolitik und Barrierefreiheit in Unternehmen, sowie Maßnahmen zur beruflichen Qualifikation und Rehabilitation, um Menschen aus den Werkstätten zu holen.

Gesetzliche Vorgaben und Verordnungen sollten nachhaltig sicherstellen, dass öffentliche Gebäude, Verkehrsmittel und digitale Medien barrierefrei gestaltet sind – derzeit mangelt es häufig an einer infrastrukturellen Umsetzung. Dies umfasst auch dringend Maßnahmen zur Förderung von barrierefreiem Wohnungsbau – viele Menschen mit Behinderungen finden derzeit keine geeignete Wohnung (regional 2023).

Ein umfassender Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen, einschließlich spezialisierter Versorgung für Menschen mit unterschiedlichen Arten von Behinderungen, ist notwendig. Dies schließt Unterstützungsdienste im Alltag mit ein, darunter persönliche Assistenz, Pflegeleistungen, Therapieangebote und Hilfsmittel, die die Selbstständigkeit fördern. Eine Erweiterung finanzieller Unterstützung ist dafür erforderlich, um ihnen ein weitestgehend selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.

Es bedarf zudem verstärkter öffentlicher Kampagnen, um das Bewusstsein für die Herausforderungen von Menschen mit Behinderungen zu schärfen und Vorurteile abzubauen. Die Integration von Schulprogrammen, die die Vielfalt der Gesellschaft betonen und Schüler für die Probleme von Menschen mit Behinderungen sensibilisieren, ist essenziell, um Diskriminierung bereits frühzeitig zu unterbinden.

Die Gewährleistung der Beteiligung von Menschen mit Behinderungen an Entscheidungsprozessen auf individueller, gemeindlicher und gesellschaftlicher Ebene ist unerlässlich. Nach wie vor ist die Repräsentation von Menschen mit Behinderungen, vor allem auf Länderebene, mangelhaft. (bpb 2023) Denn nur durch eine umfassende Beteiligung wird sichergestellt, dass ihre Perspektiven und Bedürfnisse angemessen berücksichtigt werden und sie aktiv an der Gestaltung ihres Lebensumfelds teilhaben können.

Menschen mit Behinderung wünschen sich vor allem Akzeptanz, Respekt, Inklusion, Selbstständigkeit, Interesse und Gleichbehandlung (EU-Schwerbehinderung 2023). Bessere Welt Info unterstützt diese Anliegen und tritt für eine inklusive und diskriminierungsfreie Gesellschaft ein. Mit diesem Ratgeber möchten wir auf die Anliegen von Menschen mit Behinderung aufmerksam machen und Organisationen und Portale unterstützen, die wichtige Arbeit in diesem Bereich leisten. Wir schaffen einen partizipativen Raum, der kritischen Austausch und Vernetzung zwischen Experten, Bürgern und Aktivisten ermöglicht. 

Autor: Maximilian Stark 12.12.23, lizensiert unter CC BY-NC-ND 4.0

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