Mehrere Windräder vor einem Sonnenuntergang
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Ein Info-Ratgeber zur ➡️ EU-Klima- und Energiepolitik

Am 9. Juni wählt Europa ein neues Parlament. Zunehmende Umweltkatastrophen, steigende Energiekosten und Millionen Menschen, die aufgrund der Klimakrise zur Flucht gezwungen sind, machen die europäische Umwelt- und Klimapolitik zu einem der Hauptthemen im Wahlkampf.

Ein wesentlicher Bestandteil der bisherigen Politik ist der Europäische Green Deal, der das Ziel verfolgt, Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen. Im Rahmen dieses umfassenden Programms sollen die Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 % gegenüber dem Niveau von 1990 gesenkt werden.

Zu den wichtigsten Maßnahmen gehören die Reform des Emissionshandelssystems, die Einführung von CO₂-Grenzmechanismen, die Förderung erneuerbarer Energien, die Steigerung der Energieeffizienz und die Förderung nachhaltiger Mobilität. Bis 2030 soll der Anteil erneuerbarer Energien am Gesamtenergiemix in der EU auf mindestens 32 % steigen. 2022 wurden bereits 23 % der Energie aus erneuerbaren Quellen gewonnen.

Das Europäische Emissionshandelssystem (EU ETS) ist eines der zentralen Instrumente zur Reduktion von Treibhausgasemissionen. Es basiert auf dem Prinzip „Cap and Trade“ und deckt rund 40 % der EU-Emissionen ab. Seit seiner Einführung im Jahr 2005 hat das EU ETS erfolgreich zur Reduktion der Emissionen in den Sektoren Energie und Industrie um 38 % bis 2022 beigetragen. Die Emissionsobergrenze wird jährlich gesenkt, um eine kontinuierliche Reduktion zu gewährleisten.

Die Verordnung zur Lastenteilung (Effort Sharing Regulation, ESR) regelt dabei die Reduktion der Treibhausgasemissionen in den Sektoren, die nicht vom EU ETS abgedeckt sind, wie Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft. Für diese Sektoren sind bis 2030 Emissionsminderungen von insgesamt 30 % gegenüber 2005 vorgeschrieben, mit spezifischen Zielen für jedes Mitgliedsland.

Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Energieeffizienz. Die EU hat sich das Ziel gesetzt, die Energieeffizienz bis 2030 um mindestens 12 % zu verbessern. Dies umfasst Maßnahmen zur Reduktion des Energieverbrauchs in Gebäuden, der Industrie und im Verkehr. Alle Neubauten sollen ab 2028 emissionsfrei sein.

 

Eine Statistik zum Anteil erneuerbarer Energie in der EU

Ein weiterer zentraler Punkt der EU-Klima- und Energiepolitik ist das Europäische Klimagesetz, das im Jahr 2021 verabschiedet wurde. Dieses Gesetz verankert das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 rechtsverbindlich und stellt sicher, dass alle Mitgliedstaaten konkrete Maßnahmen zur Erreichung dieses Ziels ergreifen.

Als Reaktion auf die Energiekrise und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus Russland wurde 2022 die Initiative REPowerEU ins Leben gerufen. Ihr Ziel ist es, die Energieunabhängigkeit der EU zu erhöhen und den Übergang zu einer nachhaltigen, sicheren und erschwinglichen Energieversorgung zu beschleunigen.

Dies soll durch Diversifizierung der Energiequellen, Ausbau der Energieinfrastruktur sowie Unterstützung von Forschung und Innovation erreicht werden. Zudem umfasst die Initiative gesetzliche und regulatorische Maßnahmen, um Investitionen in erneuerbare Energien und Energieeffizienz zu erleichtern. REPowerEU ist ein zentraler Bestandteil des EU-Green-Deals.

Für die Umsetzung der Klimaziele setzt die EU auch auf die Nachhaltige Finanzierungsstrategie, um private Investitionen in nachhaltige Projekte zu fördern. Ein wichtiges Instrument ist die Taxonomie-Verordnung, die festlegt, welche wirtschaftlichen Aktivitäten als ökologisch nachhaltig gelten. Diese Klassifizierung soll Investoren helfen, nachhaltige Investitionsentscheidungen zu treffen. Der Just Transition Mechanism soll dahingehend sicherstellen, dass der Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft sozial gerecht gestaltet wird. Er unterstützt Regionen und Arbeitnehmer, die besonders stark von den Strukturveränderungen betroffen sind, durch finanzielle Hilfen und Förderprogramme.

 

Eine Statistik zur Klimabilanz der Welt und einzelner Staaten
statista 2021

Kritik an der EU-Klima- und Energiepolitik

Ein zentraler Kritikpunkt ist, dass die aktuellen Maßnahmen nicht ausreichen, um die gesteckten Klimaziele zu erreichen. So weisen einige Klima-Experten darauf hin, dass die Reduktion der Treibhausgasemissionen um 55 % bis 2030 im Vergleich zu 1990 zwar ein Fortschritt ist, aber nicht ausreichend ist, um das Ziel einer Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu erreichen, wie es im Pariser Abkommen vorgesehen ist.

Darüber hinaus formuliert der Europäische Green Deal zwar hohe Ziele, aber die Umsetzung auf nationaler Ebene hinkt deutlich hinterher. In vielen Mitgliedstaaten fehlen klare Aktionspläne und verbindliche Maßnahmen, um die Ziele des Green Deals zu erfüllen. 

Obwohl das EU ETS seit 2005 zur Reduktion der Emissionen beigetragen hat, wird es oft als ineffizient und anfällig für Manipulationen kritisiert. Die Preise für Emissionszertifikate waren lange Zeit zu niedrig, um einen wirklichen Anreiz zur Emissionsreduktion zu schaffen. Erst in den letzten Jahren sind die Preise gestiegen.

Denn während die EU das Ziel hat, den Anteil erneuerbarer Energien bis 2030 zu erhöhen, ist der tatsächliche Ausbau in vielen Mitgliedstaaten schleppend. Bürokratische Hürden, unzureichende Infrastruktur und Widerstand auf lokaler Ebene verlangsamen den Fortschritt. Zudem wird kritisiert, dass die Förderung oft nicht technologieoffen genug ist und bestimmte erneuerbare Energien bevorzugt, während andere vernachlässigt werden.

Die Energieeffizienz, ein weiterer Schwerpunkt der EU-Politik, leidet unter ähnlichen Problemen. Obwohl die EU sich das Ziel gesetzt hat, die Energieeffizienz bis 2030 zu verbessern, bleiben die Fortschritte in vielen Bereichen hinter den Erwartungen zurück. Insbesondere im Gebäudesektor, der für einen erheblichen Teil des Energieverbrauchs verantwortlich ist, sind die Maßnahmen oft unzureichend. Die Renovierungsraten von Gebäuden sind zu niedrig, und es fehlen umfassende Programme, um die Sanierung im großen Stil voranzutreiben.

Ein weiterer kritischer Punkt ist die soziale Gerechtigkeit im Rahmen des EU Green Deals und anderer Klimamaßnahmen. Der Just Transition Mechanism, der Regionen und Arbeitnehmer unterstützen soll, die von den notwendigen Strukturveränderungen betroffen sind, ist unzureichend finanziert und schlecht umgesetzt. Viele betroffene Regionen fühlen sich im Stich gelassen, und es gibt Bedenken, dass die sozialen Folgen des Übergangs zu einer klimaneutralen Wirtschaft nicht ausreichend berücksichtigt werden.

 

Eine Klimademo mit vielen Teilnehmern in Köln
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Wie könnte eine nachhaltige EU-Klimapolitik aussehen?

Die EU muss ihre Treibhausgasemissionsziele über die aktuellen Vorgaben hinaus erhöhen, um eine Reduktion von mindestens 65 % bis 2030 gegenüber 1990 zu erreichen. Dafür braucht es auch die Einführung verbindlicher nationaler Reduktionsziele für alle Mitgliedstaaten.

Das EU ETS sollte um Sektoren wie Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft erweitert werden. Die bisher verfügbaren Emissionszertifikate müssen schneller als bisher geplant reduziert werden, um den Preis für CO2-Emissionen weiter zu erhöhen und stärkere Anreize für Emissionsreduktionen zu schaffen.

Daneben braucht es eine massive Erhöhung der finanziellen Unterstützung für erneuerbare Energien wie Wind, Solar und Geothermie und Förderung von Forschungs- und Entwicklungsprojekten zur Verbesserung der Effizienz und Kostenreduzierung erneuerbarer Technologien. Die Energieeffizienz kann auch durch die Einführung strengerer Energieeffizienzstandards und energetische Sanierung für Gebäude und Fahrzeuge erfolgen. 

Schlussendlich ist die Energie- und Klimapolitik auch eine soziale Frage, wenn Menschen die Energiekosten nicht mehr zahlen oder ihre Häuser durch Umweltkatastrophen unbewohnbar geworden sind. Es ist daher unabdingbar, dass der Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft sozial abgefedert wird. Es braucht Unterstützung für Arbeitnehmer und Regionen, die von den Strukturveränderungen betroffen sind und auch umfassende Investitionen in sozialen Wohnbau, Bildung und Gesundheit. 

Dass das bislang scheitert, hat auch systemische Hintergründe. Denn die Herausforderungen für eine nachhaltige und konsequente EU-Klimapolitik sind tief im kapitalistischen Wirtschaftssystem und dem Einfluss von Lobbyismus verwurzelt. Die Priorisierung kurzfristiger Gewinne, die Macht von Industrieverbänden, politische und wirtschaftliche Interessen auf Kosten steigender sozialer Ungleichheit und technologische Hürden tragen alle dazu bei, dass Klimapolitik oft verwässert oder verzögert wird. 

Um das zu unterbinden, braucht es strengerer Regeln für Lobbyarbeit, um den Einfluss von Industriegruppen auf die Klimapolitik zu begrenzen. Sowie die Verpflichtung zur Offenlegung von Lobbyeinflüssen auf Parteien und ein generelles Lobbyverbot für scheidende Politiker. Zu einer systemischen Bekämpfung des Klimawandels würden auch nachhaltige und konsequente Unterstützung von Entwicklungsländern bei der Umsetzung nachhaltiger Entwicklungsziele und dem Aufbau von Klimaschutzkapazitäten zählen.

All diese Maßnahmen sind sinnvoll, aber vor allem auch überlebenswichtig für uns alle. Leider wenden sich Menschen zunehmend rechten Parteien zu, die die Klimakrise verleugnen oder verharmlosen und vereinfachte Scheinlösungen für komplexe Probleme anbieten. Doch um diese Hindernisse zu überwinden, sind tiefgreifende strukturelle Veränderungen und eine stärkere Regulierung sowie ein Wandel hin zu einem wirtschaftlichen Modell erforderlich, das langfristige Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit in den Vordergrund stellt.

Autor: Maximilian Stark 07.06.24, lizenziert unter CC BY-NC-SA 4.0

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