Israel & Palästina
Eine kritische Perspektive auf ➡️ Israel, Palästina und die Hamas
Aktuell herrscht wieder Krieg in Nahost. Die radikalislamistische Hamas hat am 7. Oktober Israel aus dem Gazastreifen heraus angegriffen und 1.139 Menschen getötet – es war der schlimmste Anschlag auf Juden seit dem Grauen des Holocausts. Entsprechend groß ist nun die Wut und der Rachewille seitens der Israelis.
300.000 Reservisten wurden mobilisiert und der Gazastreifen abgeriegelt. Es wurden Hunderte Luftangriffe geflogen, die auf palästinensischer Seite bis jetzt über 5.100 Opfer forderten. Die humanitäre Lage vor Ort ist katastrophal, Menschen leiden unter der Isolierung und dem Entzug von Wasser, Strom und Lebensmitteln. Währenddessen bereitet sich Israel auf eine Bodenoffensive vor, um die Hamas vernichtend zu schlagen und die über 200 Geiseln zu befreien.
Die westlichen Verbündeten Israels warnen zwar vor einer Eskalation im Gazastreifen und einer humanitären Krise, unterstützen oder akzeptieren allerdings auch eine militärische Intervention. Die Zeichen stehen auf einen langen, blutigen Konflikt, in dem vor allem Zivilisten auf beiden Seiten die Leidtragenden sein werden.
Bessere Welt Info bietet mit diesem Info-Ratgeber eine umfassende Übersicht über die Konfliktparteien, die Hintergründe und vergangene militärische Auseinandersetzungen. Zudem schauen wir auf die Menschenrechtslage in Israel und Palästina, beschäftigen uns mit Friedens Bemühungen und den Unterstützern der Parteien, wie dem Iran und der libanesischen Hisbollah-Miliz auf der Seite der Hamas und der Rolle von Deutschland und den USA für Israel.
Auf unserer Schwesterseite Better World Info finden sich zudem über 10.000 englische Beiträge zur politischen Lage, zu den Menschenrechten und zu dem schwierigien Kampf für Frieden.
Warum gibt es einen Konflikt zwischen Israel und Palästina?
Der Kern des Konflikts liegt in den territorialen Ansprüchen mehrerer Seiten auf dasselbe Gebiet. Denn für Muslime und Juden, aber auch Christen ist das Gebiet von besonderer geschichtlicher und religiöser Bedeutung. Der Tempelberg, der für Juden von großer Bedeutung ist, und die Al-Aqsa-Moschee, eine der wichtigsten religiösen Stätten im Islam, liegen in Jerusalem.
Bereits 1000 Jahre vor unserer Zeitrechnung siedelten Juden auf diesem Gebiet und entwickelten dort die jüdische Religion. Die Römer vertrieben die Juden und sie verstreuten sich in viele Teile der Welt.
Seit dem 16. Jahrhundert gab es immer wieder jüdische Siedler, die sich auf dem Gebiet von Palästina, wie es damals hieß, niederließen. Es entstand der Wunsch, einen eigenen jüdischen Staat auf diesem Gebiet zu errichten. Dort lebten aber zu dieser Zeit vor allem Muslime und Christen. Es kam, infolge einer vermehrten Ansiedlung von Juden, zu Konflikten mit der überwiegend arabischen Bevölkerung.
Großbritannien hatte nach dem ersten Weltkrieg, das Mandat erhalten, Palästina zu verwalten und erlaubte eine vermehrte Ansiedlung von Juden. 1947 beschlossen die Vereinten Nationen, das Gebiet zu teilen und einen jüdischen und einen arabischen Staat zu errichten. 1948 wurde der Staat Israel gegründet.
Die arabische Bevölkerung und die arabischen Nachbarländer lehnten diese Lösung allerdings ab. Bereits im Gründungsjahr von Israel kam es zum ersten israelisch-arabischen Krieg. Die Gründung Israels führte auch zur Vertreibung und Flucht vieler Palästinenser in verschiedene Nachbarländer und ins Westjordanland.
Nach dem Sechstagekrieg von 1967 hat Israel zudem das Westjordanland, den Gazastreifen und Ost-Jerusalem besetzt. Israel hat in diesen besetzten Gebieten vermehrt Siedlungen errichtet, die von der internationalen Gemeinschaft als illegale Besatzung angesehen werden.
Wie ist die Menschenrechtslage in Israel?
In den besetzten Gebieten, insbesondere im Westjordanland und im Gazastreifen, werden die Bewegungen der Palästinenser durch eine komplexe Reihe von Checkpoints und Vorgaben stark eingeschränkt. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen sind diese Einschränkungen oft willkürlich und beeinträchtigen das tägliche Leben der Palästinenser erheblich.
Der Gazastreifen leidet unter einer bereits seit 2007 bestehenden Blockade, die von Israel und Ägypten verhängt wurde. Dies hat zu einer schweren humanitären Krise geführt. Laut den Vereinten Nationen leben die meisten Bewohner Gazas von humanitärer Hilfe, und die Arbeitslosenquote liegt bei über 40 Prozent. Die Versorgung mit sauberem Wasser, Lebensmitteln und Elektrizität ist zudem unzureichend und das Gesundheitswesen prekär.
Illegal errichtete israelische Siedlungen im Westjordanland sind ein weiteres umstrittenes Thema. Nach Angaben der israelischen Organisation Peace Now gibt es über 200 Siedlungen und sogenannte "outposts" im Westjordanland. Dies führt immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen um illegal errichtete Siedlungen und damit verbundene Vertreibungen palästinensischer Gemeinschaften.
Arabische Israelis machen zudem 20 Prozent der Bevölkerung Israels aus, und sie berichten oft von Diskriminierung und Ungleichbehandlung. Zum Beispiel gibt es Gesetze, die die Rechte von arabische Israelis in einigen Bereichen, wie im Zugang zu Land und Ressourcen, beschränken.
Im Zuge der Auseinandersetzungen zwischen Israelis und Palästinensern haben Menschenrechts-Organisationen immer wieder auf den Einsatz exzessiver Gewalt durch israelische Sicherheitskräfte aufmerksam gemacht. Diese Gewalt hat in der Vergangenheit zu zahlreichen Toten und Verletzten geführt - auch Zivilisten, Journalisten und Rettungskräfte waren betroffen. In Zuge dessen ist auch von unrechtmäßigen Verhaftungen, Diskriminierung und Folter die Rede.
Welche Rolle spielen die Hamas, Fatah und die Hisbollah?
Die Hamas ist eine palästinensische islamistische politische und militante Organisation. Sie wurde 1987 gegründet und ist in erster Linie im Gazastreifen aktiv. Die Hisbollah ist eine schiitische politisch-militante Gruppe im israelischen Nachbarland Libanon. Sie wurde in den 1980er Jahren gegründet. Beide Organisationen werden von den USA, Israel und anderen Ländern als terroristische Organisation eingestuft.
Sie propagieren die Vernichtung Israels und die Vertreibung der Juden aus dem Nahost-Gebiet - und streben nach der Errichtung eines islamischen Palästina. Sie haben in der Vergangenheit zahlreiche Angriffe auf Israel verübt, darunter Selbstmord-Anschläge, Terrorattacken und Raketenangriffe. Die Rolle der beiden Organisation im Nahost-Konflikt ist umstritten, und es gibt unterschiedliche Ansichten darüber, ob sie als Befreiungsbewegungen oder als Terrororganisationen angesehen werden sollten.
Die Hamas operiert aus dem Gazastreifen. Dort übernahm sie im Juni 2007 die Kontrolle, nachdem sie sich bei den vorangegangenen Wahlen die absolute Mehrheit holten. Es folgte ein Bürgerkrieg mit der rivalisierenden palästinensischen Gruppe Fatah, die zu diesem Zeitpunkt die Kontrolle über den Gazastreifen ausübte. Der Konflikt dauerte mehrere Tage und endete damit, dass die Hamas die politische und administrative Kontrolle über den Gazastreifen übernahm, während die Fatah weitgehend aus der Region vertrieben wurde.
Dies führte zu einer Aufspaltung der palästinensischen Gebiete, wobei die Fatah weiterhin das Westjordanland regierte und die Hamas den Gazastreifen kontrollierte. Diese Spaltung besteht bis heute fort. Während ihrer Herrschaft im Gazastreifen hat die Hamas nachweislich Verletzungen der Menschenrechte begangen, darunter die Unterdrückung der politischen Opposition, die Ablehnung von freien Wahlen und die Beschränkung der Meinungsfreiheit.
Die Fatah im Westjordanland vertritt eine gemäßigte Position in Bezug auf den israelisch-palästinensischen Konflikt und hat die Idee eines unabhängigen palästinensischen Staates in den von Israel besetzten Gebieten unterstützt. Die Fatah hat in der Vergangenheit Verhandlungen mit Israel geführt, um eine Lösung des Konflikts zu finden.
Die Palästinensische Autonomiebehörde, die von der Fatah kontrolliert wird, verwaltet das Westjordanland und hat dort eine begrenzte Selbstverwaltung, obwohl Israel immer noch eine erhebliche Kontrolle über viele Aspekte des täglichen Lebens in der Region ausübt. Immer wieder kommt es zu gewaltsamen Konflikten mit israelischen Siedlern, die Gebiete im Westjordanland besetzen und illegale Siedlungen errichten. Im aktuellen Konflikt hat sich die Fatah bislang weitestgehend zurückgehalten, der führende Fatah-Politiker und Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas hat sich allerdings von den Taten der Hamas distanziert.
Rechtsextreme Tendenzen in Israel
Die politische Lage in Israel ist in den letzten Jahren von einem deutlichen Rechtsruck geprägt. Unter der Regierung Netanjahu hat Israel eine Verschiebung hin zur politischen Rechten erlebt. Diese Verschiebung war in politischen Entscheidungen und Maßnahmen erkennbar, einschließlich des weiteren Ausbaus von Siedlungen im Westjordanland und in Ost-Jerusalem.
Es gab zudem Fälle von Rechtsextremisten, die palästinensische Bürger oder Friedensaktivisten angriffen. Laut dem israelischen Anti-Defamation League (ADL) stiegen die rechtsextremen Aktivitäten in Israel in den letzten Jahren stark an. Ein bekanntes Beispiel ist "Lehava", eine Organisation, die sich gegen die Beziehungen zwischen jüdischen und arabischen Bürgern Israels ausspricht.
Es wurden Gesetze und Maßnahmen verabschiedet, die als restriktiv angesehen werden, wie das Nation-State-Gesetz von 2018, das Israel als "nur-Staat des jüdischen Volkes" definierte. Diese Maßnahmen wurden als diskriminierend gegenüber Minderheiten, einschließlich der arabischen Bürger Israels, kritisiert.
2022 wurde eine neue ultrarechte Regierung unter der Führung von Netanjahu gewählt. Vertreten sind auch Rechtsextreme wie Bezalel Smotrich, der keinerlei Berechtigung für einen palästinensischen Staat sieht und die Abschaffung der Demokratie zugunsten eines Thora geleiteten Staates befürwortet. Neben innenpolitischen Maßnahmen, die einen Abbau demokratischer Verhältnisse nahelegen, wie die jüngst angestrebte Justizreform, steht die Regierung vor allem auch für einen harten Kurs gegen die Bedürfnisse und Rechte der Palästinenser. Die aktuellen Ereignisse dürften diese Position nur noch weiter verstärken.
Gibt es Friedensbemühungen zwischen Israel und Palästina?
Immer wieder gab es auch Verhandlungen über einen nachhaltigen Frieden zwischen Israel und Palästina. Das erste dieser Art war der Oslo-Friedensprozess von 1993. Er legte den Weg für eine begrenzte palästinensische Autonomie in Teilen des Westjordanlandes und des Gazastreifens fest. Der Prozess stagnierte jedoch und wurde nie zu einer endgültigen Friedenslösung. Der Camp David-Gipfel von 2000 versuchte an die Verhandlungen anzuknüpfen. Unter Vermittlung der USA verhandelten der israelische Premierminister Ehud Barak und der palästinensische Präsident Yasser Arafat über eine dauerhafte Lösung. Die Verhandlungen scheiterten, und es kam zu Ausbrüchen der Gewalt und der zweiten Intifada.
2003 wurde mit der Roadmap ein erneuter Versuch, den Friedensprozess wieder zu beleben, gestartet. Dieser Plan wurde von den Vereinten Nationen, den USA, der Europäischen Union und Russland unterstützt. Er sah die Schaffung eines unabhängigen palästinensischen Staates vor, konnte jedoch nicht vollständig umgesetzt werden. Unter Vermittlung der USA verhandelten Israel und die Palästinensische Autonomiebehörde zuletzt 2007 bei der Annapolis-Konferenz über den Weg zu einer endgültigen Friedensregelung. Die Gespräche führten jedoch nicht zu einer Lösung und wurden 2010 beendet. Seitdem gab es keine nennenswerten Friedensbemühungen von beiden Seiten.
Friedensbewegung in Israel und Palästina
Obwohl der Nahost-Konflikt seit den Anfängen geprägt ist von Gewalt, Leid und Zerstörung, gibt es verschiedenen Gruppen, Aktivisten und Politikern, die sich für eine friedliche Koexistenz und eine endgültige Beilegung des Konflikts einsetzen. Sie durchleben gerade eine schwere Zeit, denn sie versuchen zwischen zwei Fronten zu vermitteln, die kaum mehr offen sind für diplomatische und gewaltfreie Ansätze. Denn schlussendlich profitieren sowohl die radikale Hamas als auch die rechte Regierung Israels vom äußeren Feind und der Aufrechterhaltung des Konflikts, um sich in ihrer Position zu legitimieren und von innenpolitischen Problemen abzulenken.
In Israel sind die wichtigsten Organisationen Peace Now, Gush Shalom, Women Wage Peace und B'Tselem. Auf palästinensischer Seite gibt es Palestinian Center for Rapprochement Between People, Al-Haq und Combatants for Peace, die von beiden Seiten initiiert wurde. Die BDS-Bewegung ist eine internationale Kampagne, die 2005 von palästinensischen Nichtregierungsorganisationen ins Leben gerufen wurde. Sie ruft zum Boykott israelischer Waren, zur Desinvestition aus israelischen Unternehmen und zur Verhängung von Sanktionen gegen Israel auf internationaler Ebene auf. Ihre Befürworter sehen sie als gewaltfreies Mittel, um auf die Situation der Palästinenser aufmerksam zu machen und Druck auf Israel auszuüben, seine Politik zu ändern. Einige Menschen betrachten die BDS-Bewegung jedoch als einen Versuch, Israel zu delegitimieren und zu isolieren, anstatt konstruktive Schritte zur Lösung des Konflikts zu unternehmen.
Für nachhaltigen Frieden zwischen Israel und Palästina
Aktuell sehen wir eine drastische Zuspitzung des Konflikts. Doch das Leid von Zivilisten und die umfassende Zerstörung könnte verhindert werden. Dafür bräuchte es allerdings Interesse an Diplomatie, ernsthaften Friedensverhandlungen – und erheblichen internationalen Druck. Doch bisher haben sich die USA und die EU-Staaten dazu entschieden, nur mahnende Beobachter zu sein.
Offiziell setzt sich die deutsche Regierung und die EU für eine Zwei-Staaten-Lösung und die Einhaltung des Völkerrechts ein. Praktisch steht, vor allem Deutschland mit seiner historischen Schuld, allerdings uneingeschränkt und kritiklos hinter der Politik Israels und ist bislang nicht als neutraler Vermittler aufgetreten.
Kritiker argumentieren zudem, dass Deutschland und die EU nicht ausreichend Druck auf Israel ausüben, um die Einhaltung des Völkerrechts und der Menschenrechte sicherzustellen. Die gesamte EU hat Richtlinien zur Kennzeichnung von Siedlungsprodukten aus den besetzten palästinensischen Gebieten. Doch bislang haben Deutschland und andere EU-Mitgliedstaaten weder diese Richtlinien konsequent durchsetzt, noch wirksame Sanktionen gegenüber Israel verhängt, um die israelischen Politiken zu beeinflussen. Eine konsequente und gleichberechtigte deutsche Friedenspolitik sieht anders aus.
Bessere Welt Info stellt sich ausnahmslos gegen Zerstörung und Terror – egal ob von israelischer oder palästinensischer Seite. Der jahrzehntelange Kreislauf der Gewalt muss ein Ende finden. Das israelische Existenzrecht sollte uneingeschränkt geachtet und Antisemitismus in der Welt wirkungsvoll bekämpft werden. Gleichzeitig muss aber auch ein würdevolles und friedliches Leben und die Wahrung der Menschenrechte für die arabischen Israelis und die Menschen im Westjordanland und im Gazastreifen ermöglicht werden.
Wir fordern ein Ende der Kämpfe und einen Weg der Diplomatie, Gewaltfreiheit und Verständigung. Nur so kann der Nahost-Konflikt nachhaltig und leidfrei befriedet werden. Der Westen und vor allem Deutschland könnten Entwicklungen in diese Richtung anstoßen. Dafür bräuchte es aber ein klares Bekenntnis zu den Rechten aller betroffenen Menschen und entsprechenden Druck, diese auch zu achten und zu unterstützen.
Autor: Maximilian Stark 20.10.23, lizenziert unter CC BY-NC-SA 4.0
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