KI in der Schule

Ein Mädchen an einem PC in einer Schule
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➡️ Künstliche Intelligenz in der Schule - Chancen und Herausforderungen

Der Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) im Bildungsbereich ist längst keine Zukunftsvision mehr – er ist Realität. In Klassenzimmern, Lehrerzimmern und Ministerien wird KI zunehmend diskutiert, erprobt und implementiert.

Die Kultusministerkonferenz (KMK) hat im Oktober 2024 erstmals konkrete Empfehlungen zum Umgang mit KI in Schulen veröffentlicht. Darin plädiert sie für einen „konstruktiv-kritischen“ Einsatz – auch schon in der Grundschule. Die Vorschläge umfassen zentrale Handlungsfelder wie Didaktik, Prüfungswesen, Lehrkräftebildung, Regulierung sowie Fragen der Chancengleichheit.

Laut einer aktuellen Bitkom-Studie greifen bereits 50 % der befragten Lehrkräfte auf KI-Anwendungen zurück, weitere 28 % planen dies und nur 11 % lehnen den Einsatz ab. In Österreich zeichnet sich ein ähnliches Bild: 44 % der Lehrkräfte haben KI bereits im Schulalltag genutzt. Gleichzeitig geben 60 % an, dass sie KI für eine sinnvolle Unterstützung individueller Lernprozesse halten. Doch 73 % wünschen sich gezielte Schulungsangebote – und über 60 % fordern klare rechtliche Rahmenbedingungen.

Ein zentrales Argument für KI in der Schule: die individuelle Förderung. Laut einer repräsentativen Umfrage der Vodafone-Stiftung sehen 73 % der befragten Schüler in KI eine Chance – insbesondere, weil sie es erleichtere, im eigenen Tempo und nach persönlichem Leistungsstand zu lernen. Bildungsforscherin Maria Wirzberger bestätigt: KI-gestützte Systeme können Aufgaben adaptiv an das Lernniveau anpassen – ein Anspruch, dem menschliche Lehrkräfte allein oft kaum gerecht werden können.

Konkrete Anwendung von KI im Schulalltag

So passt die Lern-App ANTON, die vor allem in Grund- und Sekundarschulen genutzt wird, Aufgaben automatisiert an das Lernniveau der Schüler an. Auch Simpleclub, besonders beliebt bei älteren Schülern, erstellt mithilfe von KI personalisierte Lernpläne und schlägt auf Basis des Fortschritts passende Erklärvideos und Übungen vor. Im Mathematikunterricht kommt beispielsweise Bettermarks zum Einsatz. Das System erkennt typische Fehler in den Eingaben der Schüler, gibt gezielte Rückmeldungen und stellt individualisierte Aufgaben bereit. Lehrkräfte erhalten dabei automatisierte Auswertungen und können gezielt fördern. Weitere KI-Anwendungen, die den Schulalltag unterstützen sind fobizz, to teach, schulKI oder telli.

Zudem birgt KI Potenzial zur Entlastung bei administrativen Aufgaben – ein Aspekt, der mit Blick auf den prognostizierten Lehrermangel von hoher Relevanz ist. Laut Berechnungen könnten in Deutschland bis 2035 rund 68.000 Lehrkräfte fehlen. Erste Pilotprojekte arbeiten daher mit Chatbots wie Fellofish, die speziell für Schulen entwickelt wurden und Schülerfragen zu Hausaufgaben beantworten oder automatisierte Stundenpläne erstellen.

Eine Statistik zur digitalen Bildung in Schulen
statista 2021

Gefahren von KI im Unterricht

Doch der KI-Einsatz bringt auch große Herausforderungen mit sich. Bereits 68 % der Schüler, Azubis und Studierenden haben ChatGPT & Co. bewusst für Hausaufgaben oder Studienarbeiten genutzt. Viele Lehrkräfte reagieren mit Verboten – nicht aus Ablehnung, sondern mangels geeigneter Prüfwerkzeuge. Denn KI-generierte Texte lassen sich oft nur schwer als solche erkennen. Ohne fundierte Analyse- und Plagiatstools steht die Bewertung authentischer Leistungen infrage.

Hinzu kommt die Sorge, dass durch den unkritischen Einsatz digitaler Helfer grundlegende Kompetenzen verkümmern könnten. Schreiben, Rechnen, kreatives Denken und Problemlösungskompetenzen sind schwer zu fördern, wenn Schüler sich primär auf Chatbots oder automatische Textgeneratoren verlassen. Die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK) warnt insbesondere vor Überforderung schwächerer Lernender und fordert, KI-Kompetenz selbst zum Lernziel zu machen – inklusive neuer Prüfungsformate.

Ein weiteres Risiko betrifft die Persönlichkeitsentwicklung: Gerade im Kindesalter sind reale zwischenmenschliche Beziehungen zentral für emotionale Reifung und Wertebildung. KI-Systeme mit simulierten Rückmeldungen oder Pseudo-Empathie können diese Bindungen nicht ersetzen. Lehrkräfte bleiben unersetzbare Bezugspersonen für Motivation, soziale Orientierung und pädagogische Führung.

Eine Demo für mehr Datenschutz mit einem Schild
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Infrastruktur, Datenschutz, Chancengleichheit – strukturelle Baustellen

Neben pädagogischen Herausforderungen bestehen massive strukturelle Defizite. Viele Lehrkräfte fühlen sich im Umgang mit KI überfordert und verfügen nicht über die notwnedigen digitalen Kompetenzen. Eine Studie des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) zeigt zudem, dass an 10 % der Schulen keine Computer vorhanden sind und nur 15 % über ausreichend digitale Geräte für alle Schüler verfügen. An jeder zweiten Schule fehlt es Lehrkräften immer noch an umfassenden Fortbildungen im Umgang mit digitalen Geräten.

Ein besonders sensibler Aspekt ist der Datenschutz. Viele KI-Anwendungen erfassen personenbezogene Daten wie Lernverhalten, Interessen oder Leistungsniveaus. Gerade bei minderjährigen Nutzern ist dies hochproblematisch. Werden diese Informationen ohne strenge Schutzvorkehrungen verarbeitet oder sogar an Dritte weitergegeben, drohen Überwachung, Profilbildung oder kommerzielle Auswertung. Das betrifft nicht nur juristische Fragen, sondern berührt auch fundamentale ethische Prinzipien – etwa das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

Auch in sozialer Hinsicht wirft der KI-Einsatz kritische Fragen auf. Nicht alle Kinder haben zu Hause Zugang zu digitalen Endgeräten, stabilem Internet oder elterlicher Unterstützung im Umgang mit Technik. Das benachteiligt insbesondere Schüler aus weniger privilegierten Haushalten – während Gleichaltrige mit besseren Startbedingungen von KI-Anwendungen deutlich stärker profitieren. Wird dieser digitale Graben nicht aktiv durch gezielte Förderprogramme überbrückt, droht eine neue Form struktureller Bildungsungleichheit.

Schließlich ist auch die psychologische Dimension nicht zu unterschätzen. Wenn Schüler sich fortlaufend mit scheinbar fehlerfreier KI-Leistung messen müssen, kann das zu Stress, Überforderung und einem geschwächten Selbstwertgefühl führen. Die Fähigkeit, konstruktiv mit Fehlern umzugehen, gerät in den Hintergrund – denn digitale Tools liefern auf Knopfdruck die vermeintlich perfekte Antwort. Der schulische Lernprozess droht sich so vom aktiven Verstehen hin zur passiven Nutzung zu verschieben – mit möglichen langfristigen Folgen für Selbstständigkeit und Problemlösekompetenz.

Ein Lehrer übersieht einen Jungen, der am PC arbeitet
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Maßnahmen für einen verantwortungsvollen KI-Einsatz

Ein gelungener KI-Einsatz beginnt mit der Qualifizierung der Lehrkräfte. Sie müssen nicht nur technisch versiert, sondern auch didaktisch geschult sein, um KI sinnvoll einzusetzen. Neben verpflichtenden Modulen in der Lehramtsausbildung braucht es kontinuierliche, praxisnahe Fortbildungsangebote.

Zudem muss die digitale Infrastruktur an Schulen flächendeckend ausgebaut werden – vom schnellen Internet bis zur ausreichenden Geräteausstattung. Damit der Bildungserfolg nicht von Wohnort oder Haushaltseinkommen abhängt, ist es Aufgabe der Politik, für digitale Chancengleichheit zu sorgen.

Parallel braucht es klare ethische und rechtliche Bestimmungen für den KI-Einsatz im Unterricht: Datenschutz, Einsatzbedingungen und faire Leistungsbewertung müssen verbindlich geregelt werden. Dazu gehört auch die Frage, in welchen Fächern und unter welchen Bedingungen KI-Anwendungen sinnvoll sind. Schulen benötigen Orientierung, wann KI unterstützend wirken darf – und wann nicht.

Zivilgesellschaftlich ist eine breite Debatte über Medien- und KI-Kompetenz notwendig. Organisationen wie die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW), die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung oder Wikimedia fordern transparente Systeme, klare Regeln und eine gerechte Verteilung der Verantwortung. Schüler sollten früh lernen, wie KI funktioniert – und wie man ihr kritisch begegnet. Bildungspsychologin Christiane Spiel plädiert dafür, sie aktiv in die Gestaltung der Regeln einzubeziehen – als Teil eines demokratischen und verantwortungsvollen Umgangs mit Technologie.

Auf politischer Ebene braucht es koordinierte Maßnahmen auf Landes- und Bundesebene: einheitliche Rechtsrahmen, verbindliche Qualitätsstandards für Bildungs-KI sowie ein bundesweites Förderprogramm für offene, datensichere Lernsysteme. Gleichzeitig müssen Schulen Spielräume erhalten, um innovativ und bedarfsgerecht mit KI zu arbeiten – ohne durch Bürokratie ausgebremst zu werden.

Künstliche Intelligenz kann ein wichtiges und praktisches Hilfsmittel für mehr individuelle Förderung, effizientere Prozesse und moderne Bildung sein. Doch ihr Potenzial wird sich nur entfalten, wenn Technik, Didaktik, Ethik und Chancengleichheit zusammen gedacht werden. Die Schule der Zukunft braucht nicht nur smarte Systeme – sondern vor allem mündige Menschen, die sie zu nutzen wissen.


Autor: Maximilian Stark 19.05.25, lizenziert unter CC BY-SA 4.0

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