ERDGAS & Fracking
➡️ Erdgas und Fracking - ein kritischer Info-Ratgeber
Der Erdgasproduktion verursacht Grundwasserverunreinigung, hohen Energieverbrauch, Luftverschmutzung und CO₂-Emissionen bei der Verbrennung – und dennoch steigt die weltweite Nutzung und der Abbau. Im Jahr 2024 erreichte der weltweite Erdgasverbrauch nach Schätzungen der International Energy Agency (IEA) rund 4.200 Milliarden Kubikmeter. Damit lag der Verbrauch etwa 2,8 % höher als im Vorjahr. Getrieben wurde diese Entwicklung vor allem von der industriellen Nutzung und der Stromerzeugung, auf die rund drei Viertel des Nachfragezuwachses entfielen.
Besonders dynamisch zeigte sich die Region Asien-Pazifik, die allein etwa 40 % des zusätzlichen Gasvolumens aufnahm. Auch die weltweite Erdgasproduktion stieg im gleichen Zeitraum an – laut Enerdata wuchs sie um etwa 2 % gegenüber 2023, was einer Gesamtmenge von 4,19 Billionen Kubikmetern entspricht. Die größten Produzenten waren erneut die Vereinigten Staaten, gefolgt von Russland, Iran und China, die zusammen mehr als die Hälfte der globalen Fördermenge stellten.
Die Lage in Deutschland
Auch in Deutschland wird weiterhin Erdgas gewonnen, allerdings in deutlich geringerem Umfang als noch vor einigen Jahrzehnten. Die heimische Förderung konzentriert sich vor allem auf das Bundesland Niedersachsen, wo seit den 1960er-Jahren große Erdgasvorkommen im Untergrund erschlossen wurden. Weitere, kleinere Fördergebiete befinden sich in Schleswig-Holstein und Brandenburg.
Ein aktuelles Beispiel ist das neue Erdgasprojekt „N05-A“ nahe der Nordseeinsel Borkum, das von dem niederländischen Unternehmen ONE-Dyas geplant wurde. Das Projekt fördert Gas aus einer Lagerstätte in der Nordsee, die teils auf niederländischem, teils auf deutschem Hoheitsgebiet liegt. Allerdings befindet sich das Bohrfeld in der Nähe von ökologisch sensiblen Schutzgebieten und dem Weltnaturerbe Wattenmeer, sodass Umweltschutzorganisationen erhebliche Risiken für die Meeresumwelt und das Klima sehen. Dennoch wird März 2025 testweise Gas gefördert, in Vollbetrieb sollen bis zu 3 % des deutschen Energiebedarfs dadurch gedeckt werden. Deutschland plant zudem den Bau neuer, moderner Gaskraftwerke. Doch das könnte langfristig die fossile Abhängigkeiten verfestigen und den dringend nötigen Ausbau erneuerbarer Energien verzögern.
Während Deutschland in den 1990er-Jahren noch mehr als 20 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr förderte, liegt die jährliche Produktion heute nur noch bei rund 4 bis 5 Milliarden Kubikmetern. Damit deckt die heimische Förderung weniger als 5 % des deutschen Erdgasverbrauchs; der überwiegende Teil muss importiert werden. Dieser Umstand, sowie Lieferengpässe, höhere Preise für Gas und CO₂-Zertifikate sowie massiv erhöhte Netzentgelte haben die Energiekosten sind in den letzten Jahren massiv steigen lassen.
In Deutschland zahlten private Haushalte 2024 für Erdgas durchschnittlich etwa 12,28 Cent pro kWh, was gegenüber 2021 einem Anstieg von 79 % entspricht. Bei Strom lag der Preis im selben Zeitraum bei etwa 41,20 Cent pro kWh, also rund 25 % mehr gegenüber 2021. Für die kommenden Jahre wird prognostiziert, dass die Strompreise wegen sinkender Netzgebühren ab 2026 moderat sinken könnten. Die Gaspreise dürften dagegen erneut zulegen — etwa durch steigende Netzentgelte um 11 % bis zum Jahr 2026.
Woher bezieht Deutschland sein Erdgas?
Deutschland bezieht sein Erdgas heute aus einem deutlich diversifizierteren Mix als noch vor wenigen Jahren, doch die geopolitische Abhängigkeit ist damit keineswegs verschwunden – sie hat sich lediglich verlagert. Der wichtigste Lieferant ist inzwischen Norwegen, das 2024 fast die Hälfte des in Deutschland verbrauchten Erdgases bereitstellte. Über ein dichtes Netz an Pipelines gelangt norwegisches Gas direkt nach Mitteleuropa. Norwegen gilt als verlässiger Partner, politisch stabil und demokratisch – dennoch ist das Land nicht frei von Kritik. Als einer der größten fossilen Exporteure Europas steht es im Spannungsfeld zwischen Klimaschutz und Wirtschaftskraft. Auch die empfindliche Offshore-Infrastruktur in der Nordsee ist ein Sicherheitsrisiko, das durch Sabotageakte oder technische Ausfälle jederzeit gestört werden könnte.
Ein weiteres Viertel des deutschen Erdgases stammt aus den Niederlanden, die allerdings ihre eigene Produktion sukzessive drosseln. Rund 18 % der deutschen Energie kommen über Belgien, das vor allem als Knotenpunkt für Flüssigerdgas (LNG) aus Drittländern dient. Über die Häfen Zeebrugge und Dunkerque (in Frankreich) erreicht Gas aus Katar, den USA oder auch Russland das europäische Netz – und somit indirekt auch Deutschland. Etwa 8 % der deutschen Gasversorgung stammen mittlerweile aus direktem LNG-Import über neue Terminals an der Nordseeküste, etwa in Wilhelmshaven, Brunsbüttel und Lubmin.
Gas aus Aserbaidschan, Katar und den USA
Zunehmend an Bedeutung gewinnen Aserbaidschan und die Golfstaaten, wenn auch bislang überwiegend indirekt. Aserbaidschan exportiert Erdgas über die Transadriatische Pipeline (TAP) nach Südeuropa. Von dort aus fließt es ins europäische Verbundnetz, über das auch Deutschland versorgt wird. Direkte Lieferverträge existieren nicht, doch die EU hat mit Baku vereinbart, die Gasimporte bis 2027 zu verdoppeln. Äußerst kritisch ist in diesem Zusammenhang, dass Aserbaidschan ein autoritär regiertes Land ist, das immer wieder wegen Menschenrechtsverletzungen und seiner Rolle im Konflikt um Bergkarabach in der Kritik steht. Damit entsteht die paradoxe Situation, dass Europa einerseits Energieunabhängigkeit von Russland anstrebt, gleichzeitig aber neue Abhängigkeiten von anderen autoritären Regimen aufbaut.
Ähnlich ambivalent ist das Verhältnis zu den Golfstaaten, insbesondere zu Katar. Das Emirat zählt zu den größten LNG-Exporteuren der Welt und hat mit den deutschen Energieunternehmen RWE und Uniper langfristige Lieferverträge geschlossen, die bis 2041 laufen sollen. Die ersten Lieferungen sollen 2026 beginnen – ein Schritt, der Deutschland zusätzliche Energiesicherheit geben soll. Doch auch Katar steht im Fokus internationaler Kritik: das Land nutzt seine Energieexporte gezielt als geopolitisches Druckmittel, um Berichte über Menschenrechtsverletzungen, eingeschränkte Pressefreiheit und problematische Arbeitsbedingungen zu überdecken. Zudem ist die LNG-Förderung mit hohem Energieaufwand und erheblichen Treibhausgasemissionen verbunden, was im erheblichen Widerspruch zu Deutschlands Klimazielen steht.
Ergänzend spielen auch die USA eine wachsende Rolle. Sie liefern mittlerweile einen großen Teil des in Europa konsumierten Flüssiggases und sind damit zu einem zentralen Akteur auf dem globalen Gasmarkt geworden. Doch auch hier bleibt Kritik: Ein Großteil des US-Gases stammt aus Fracking. Dabei wird ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien mit hohem Druck in Gesteinsschichten gepresst, um Risse zu erzeugen, aus denen Erdgas entweicht. Diese Methode ermöglicht zwar den Zugang zu unkonventionellen Gasvorkommen wie Schiefergas, ist aber ökologisch hoch problematisch. In Deutschland ist diese Methode weitgehend verboten. Nur in wenigen konventionellen Lagerstätten dürfen Unternehmen unter strengen Auflagen Fracking einsetzen. Dennoch gibt es immer wieder Diskussionen, ob die Technik angesichts der Energiekrise und der Abhängigkeit von Importen erneut erlaubt werden sollte.
Bezieht Deutschland noch Erdgas aus Russland?
Aus Russland bezieht die Bundesrepublik seit September 2022 kein Pipelinegas mehr direkt – ein deutlicher Bruch mit der jahrzehntelangen Energiepartnerschaft, die Deutschland einst zu einem der größten Abnehmer russischen Erdgases machte. Die Bundesregierung betont bis heute, es gebe „keine Neigung“, diese direkten Lieferungen wiederaufzunehmen.
Doch die Realität auf den Energiemärkten ist weniger eindeutig. Unabhängige Daten belegen, dass weiterhin russisches Erdgas – in Form von Flüssigerdgas (LNG) – indirekt nach Deutschland gelangt. So bezog die staatliche SEFE Energy GmbH im Jahr 2024 etwa 58 LNG-Ladungen russischen Ursprungs, die über Zwischenstationen in Frankreich und Belgien nach Deutschland weitergeleitet wurden. Diese Lieferungen entsprechen rund 4,1 Millionen Tonnen Erdgas.
Schätzungen zufolge liegt der Anteil russischen Gases am deutschen Gesamtverbrauch weiterhin zwischen 3 und 9 % – wenn auch über Umwege. Europaweit wurden 2024 über 22 Milliarden Kubikmeter Erdgas aus Russland über LNG-Terminals importiert. Damit zeigt sich: Während Russland seine globale Exportposition wieder festigt, bleibt Deutschland – trotz politischer Abgrenzung – indirekt in die russischen Energielieferketten eingebunden. Der Energiemarkt illustriert damit eindrucksvoll, wie schwer sich geopolitische Entflechtung in einem global vernetzten System tatsächlich umsetzen lässt.
Die Erdgasversorgung in Europa
Erdgas spielt in der Europäischen Union nach wie vor eine wichtige Rolle für die Energieversorgung, obwohl die EU sich ehrgeizige Klimaziele gesetzt hat. Rund 20 % des gesamten Energieverbrauchs in der EU entfallen auf Erdgas, das vor allem für Heizung, Stromerzeugung und Industrieprozesse genutzt wird. Im Jahr 2023 lag die eigene Erdgasförderung der EU bei etwa 45 Milliarden Kubikmetern, während der Verbrauch rund 330 Milliarden Kubikmeter betrug. Damit deckt die Union nur etwa 13 % ihres Bedarfs aus eigener Produktion. Die wichtigsten Förderländer innerhalb der EU sind Niederlande, Rumänien, Deutschland, Italien und Polen, wobei die Fördermengen in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen sind.
Besonders sichtbar ist dieser Rückgang in den Niederlanden, wo das ehemals größte europäische Erdgasfeld Groningen seit Oktober 2023 endgültig stillgelegt wurde. Grund dafür waren zunehmende Erdbeben durch die jahrzehntelange Gasförderung, die Häuser beschädigten und die Bevölkerung gefährdeten. Das Beispiel Groningen zeigt deutlich, dass selbst konventionelle Erdgasförderung erhebliche geologische und gesellschaftliche Risiken mit sich bringt. In anderen EU-Ländern sind ähnliche Probleme bekannt: In Italien und Rumänien beklagen Umweltschützer Schäden an Böden und Gewässern durch die Gasindustrie.
Das Fracking ist in der EU besonders umstritten. In Ländern wie Frankreich, Bulgarien, Dänemark und auch Deutschland ist Fracking gesetzlich verboten oder streng eingeschränkt. Nur wenige Staaten, darunter Polen und teils das Vereinigte Königreich (vor dem Brexit), haben Versuche unternommen, Fracking-Projekte umzusetzen – meist mit geringem wirtschaftlichen Erfolg. In Polen wurden etwa zwischen 2010 und 2015 über 70 Probebohrungen durchgeführt, doch viele Unternehmen zogen sich wegen technischer Schwierigkeiten, Kosten und Widerstands der Bevölkerung wieder zurück.
Aus klimapolitischer Sicht steht die Erdgasförderung in der EU zunehmend in der Kritik. Denn laut Schätzungen der Europäischen Umweltagentur (EEA) stammen über 4 % der gesamten Treibhausgasemissionen der EU aus der Erdgasförderung und -nutzung. Damit ist klar, dass Erdgas – trotz seiner Rolle als vermeintliche „Brückentechnologie“ – kein nachhaltiger Energieträger ist, wenn die EU bis 2050 klimaneutral werden will.
Hinzu kommt die Abhängigkeit von Importen: Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine 2022 musste die EU ihre Energieversorgung grundlegend umstellen. Vor dem Krieg stammten noch rund 40 % des importierten Erdgases aus Russland; inzwischen sind es weniger als 15 %. Die Lücke wurde vor allem durch Lieferungen aus Norwegen, Aserbaidschan, Algerien und durch den Import von Flüssigerdgas aus den USA und Katar geschlossen. Der Ausbau dieser LNG-Infrastruktur steht jedoch ebenfalls in der Kritik, da er neue fossile Abhängigkeiten schafft und Investitionen bindet, die für den Ausbau erneuerbarer Energien dringend benötigt würden.
Umweltschäden durch die Erdgasproduktion
Die Förderung und Nutzung von Erdgas hat erhebliche Auswirkungen auf Klima und Umwelt, auch wenn Erdgas oft als vergleichsweise „sauberer“ fossiler Brennstoff gilt. Zwar entstehen bei der Verbrennung von Erdgas rund 30 bis 40 % weniger Kohlendioxid (CO₂) als bei Kohle und etwa 25 % weniger als bei Heizöl, doch dieser Vorteil relativiert sich stark, wenn man die gesamte Produktions- und Lieferkette betrachtet. Denn bei der Förderung, Aufbereitung und beim Transport von Erdgas entweicht immer wieder Methan, ein hochwirksames Treibhausgas, das laut dem Weltklimarat (IPCC) über einen Zeitraum von 20 Jahren rund 84-mal klimaschädlicher ist als CO₂.
Schätzungen zufolge gehen zwischen 1 und 3 % des geförderten Erdgases als Methanverluste in die Atmosphäre. Schon ein Verlust von mehr als 2,7 % macht Erdgas laut Berechnungen der Internationalen Energieagentur (IEA) klimaschädlicher als Kohle. Damit trägt die Erdgasförderung weltweit zu rund 10 % der energiebedingten Methanemissionen bei. Diese Emissionen haben einen erheblichen Einfluss auf die kurzfristige Erderwärmung: Nach Angaben des UN Environment Programme (UNEP) ist Methan für etwa 30 % der globalen Erwärmung seit Beginn der Industrialisierung verantwortlich.
Auch aus ökologischer Sicht ist der Erdgasabbau problematisch. Bei der konventionellen Förderung entstehen Eingriffe in Landschaften, Bodenversiegelung und Belastungen für Flora und Fauna durch Bohrplätze, Zufahrtsstraßen und Leitungsnetze. Für eine einzige Fracking-Bohrung werden im Durchschnitt 10.000 bis 20.000 Kubikmeter Wasser benötigt, in manchen Fällen sogar über 25.000 Kubikmeter. Dieses Wasser ist nach dem Einsatz stark mit Chemikalien, Schwermetallen und radioaktiven Stoffen belastet und kann bei unsachgemäßer Entsorgung Grundwasser und Böden kontaminieren. In den USA, wo Fracking seit Jahren in großem Umfang betrieben wird, wurden in mehreren Studien erhöhte Konzentrationen von Benzol, Methan und Schwermetallen im Trinkwasser nachgewiesen.
Hinzu kommt die Gefahr von induzierter Seismizität, also künstlich ausgelösten Erdbeben. Im niederländischen Groningen-Gasfeld wurden infolge jahrzehntelanger Förderung über 1.000 kleinere Erdbeben registriert, von denen einige eine Stärke von über 3,5 auf der Richterskala erreichten. Auch in Fracking-Regionen der USA und Großbritanniens kam es zu messbaren Bodenerschütterungen, die teilweise zur Einstellung von Bohrungen führten.
Neben diesen direkten Folgen entstehen durch den Transport von Erdgas weitere Umweltbelastungen. Der Bau und Betrieb von Pipelines und LNG-Terminals führt zu zusätzlicher Flächenversiegelung und Eingriffen in empfindliche Ökosysteme. Flüssigerdgas, das auf etwa –162 °C heruntergekühlt wird, um es per Schiff zu transportieren, verursacht zudem einen hohen Energieverbrauch: Rund 10 bis 15 % der im Gas enthaltenen Energie gehen allein für die Verflüssigung und den Transport verloren.
Deutschland und die Europäische Union müssen ihren Erdgasverbrauch dringend reduzieren, um die Abhängigkeit von autoritären Staaten zu beenden und die eigene Energiesouveränität zu stärken. Die hohen Kosten fossiler Energien belasten Verbraucher; zudem verursacht die Nutzung von Erdgas erhebliche Umwelt- und Klimaschäden, die unsere Zukunft gefährden. Ein schneller und konsequenter Ausbau erneuerbarer Energien ist daher nicht nur ökologisch notwendig, sondern auch ökonomisch und sicherheitspolitisch vernünftig. Jetzt ist die Zeit zu handeln – für eine saubere, unabhängige und nachhaltige Energiezukunft Europas.
Autor: Maximilian Stark, 28.10.25, lizenziert unter CC BY-SA 4.0
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