Weibliche Kämpfer der United Wa State Army von der 468. Division
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➡️ Bürgerkrieg in Myanmar - politische Hintergründe, aktuelle Entwicklungen und Friedensverhandlungen

Der Bürgerkrieg in Myanmar zählt aktuell zu den schlimmsten Konflikten der Welt. Seit dem Militärputsch am 1. Februar 2021, bei dem die demokratisch gewählte Regierung unter Aung San Suu Kyi entmachtet wurde, versinkt das Land im Chaos. Die staatliche Armee, bekannt als Tatmadaw, begründete den Putsch mit angeblichem Wahlbetrug, doch internationale Beobachter wiesen die Vorwürfe zurück.

Der Umsturz beendete eine kurze Phase demokratischer Öffnung und stürzte das Land zurück in eine brutale Militärdiktatur. Millionen Menschen gingen daraufhin auf die Straße, um gegen das Regime zu protestieren. Die Sicherheitskräfte reagierten mit massiver Gewalt, schossen auf Demonstrierende, verhafteten Aktivisten und Journalisten und schufen ein Klima der Angst. Aus den anfänglich friedlichen Protesten entwickelte sich rasch ein bewaffneter Widerstand – und in Myanmar entwickelte sich ein offener Bürgerkrieg.

Doch die Wurzeln des Krieges liegen in der kolonialen Vergangenheit und der politischen Entwicklung des Landes nach der Unabhängigkeit. Das Land, das bis 1989 offiziell Burma hieß, stand von 1824 bis 1948 unter britischer Kolonialherrschaft. Während dieser Zeit siedelten die Briten verschiedene ethnische Gruppen an und regierten nach dem Prinzip „divide et impera“ – also „teile und herrsche“. Diese Politik verschärfte Spannungen zwischen der Mehrheit der ethnischen Burmesen (Bamar) und den zahlreichen Minderheiten, etwa den Karen, Kachin, Shan, Rohingya oder Chin, die teils privilegiert, teils marginalisiert wurden.

Nach der Unabhängigkeit 1948 übernahm eine zivile Regierung die Macht, doch schon bald erschütterten innere Konflikte das Land. Viele ethnische Gruppen forderten mehr Autonomie oder Unabhängigkeit, da ihre Erwartungen an föderale Mitbestimmung enttäuscht wurden. Bereits kurz nach der Staatsgründung entstanden bewaffnete Bewegungen, etwa die Karen National Union (KNU), die Kachin Independence Army (KIA), die Arakan Army (AA) oder die Ta’ang National Liberation Army (TNLA). In den 1960er-Jahren verschärfte sich die Lage weiter: 1962 putschte General Ne Win, stürzte die demokratisch gewählte Regierung und errichtete ein autoritäres Militärregime. Das Militär zentralisierte die Macht, unterdrückte ethnische Minderheiten und führte eine sozialistische Planwirtschaft ein, die wirtschaftlich scheiterte.

Über Jahrzehnte hinweg führte das Militär einen zermürbenden Krieg gegen zahlreiche ethnische Rebellengruppen, die in den Grenzregionen eigene Strukturen aufbauten. In den 1990er-Jahren kam es zwar zu einigen Waffenstillständen, doch keine dauerhafte politische Lösung wurde gefunden. 2011 leitete das Militär eine scheinbare Demokratisierung ein: Eine halb-zivile Regierung unter Präsident Thein Sein trat an, und 2015 gewann die Partei der Demokratieikone Aung San Suu Kyi, die „Nationale Liga für Demokratie“ (NLD), die Wahlen. Dennoch behielt das Militär laut Verfassung entscheidende Machtpositionen, etwa die Kontrolle über Sicherheitsministerien und ein automatisches Viertel der Parlamentssitze. Der fragile Reformprozess zerbrach 2021, als das Militär unter General Min Aung Hlaing durch einen Putsch erneut die volle Macht übernahm und die zivile Regierung absetzte.

Eine Karte von Myanmar und den umkämpften Gebieten
Wiki | Courier New - CC BY 4.0

Wer kämpft in Myanmar?

Die Gruppen, die in Myanmar gegen das Militär kämpfen, sind sehr heterogen, und ihre politische Ausrichtung reicht von demokratisch-liberal über links-progressiv bis hin zu eher ethnisch-nationalistisch motivierten Bewegungen. Ein Teil des Widerstands, insbesondere die sogenannten People’s Defense Forces (PDF), die nach dem Militärputsch 2021 entstanden, besteht vor allem aus jungen Menschen, Studierenden, Aktivistinnen und Aktivisten, die zuvor in der Demokratiebewegung engagiert waren.

Viele dieser jungen Kämpfer sehen ihren Kampf explizit als Teil eines demokratischen Umbruchs und fordern ein föderales, pluralistisches System, das ethnische Minderheiten gleichberechtigt einbindet. Sie stehen ideologisch häufig für Menschenrechte, Demokratie und soziale Gerechtigkeit, teilweise auch für linke Ideen wie Dezentralisierung, Basisdemokratie und soziale Reformen.

Daneben gibt es jedoch zahlreiche ethnische Rebellengruppen, die schon lange vor dem Putsch aktiv waren und ihre eigenen politischen Ziele verfolgen. Einige von ihnen streben vor allem regionale Autonomie oder Unabhängigkeit an und sind weniger ideologisch, sondern stärker machtpolitisch oder ethnisch motiviert. Manche Gruppen haben eigene politische Institutionen aufgebaut, die in bestimmten Regionen demokratische Strukturen ermöglichen, andere werden eher autoritär geführt. Zwischen diesen Gruppen bestehen teils große Unterschiede in Organisation, Ideologie und langfristigen Zielen.

Trotz dieser Vielfalt hat sich seit 2021 ein beachtlicher Grad an Kooperation entwickelt: Viele Gruppen arbeiten mit der im Exil gebildeten „National Unity Government“ (NUG) zusammen, die sich als demokratische Gegenregierung versteht. Die NUG versucht, ein föderales und inklusives System zu entwerfen, das sowohl die Forderungen der ethnischen Minderheiten als auch der Demokratiebewegung berücksichtigt. Sie hat breite Unterstützung unter jungen Menschen, zivilgesellschaftlichen Organisationen und Teilen der Bevölkerung, die genug vom jahrzehntelangen Militärregime haben. Dabei ist die starke Beteiligung junger Menschen ein wichtiges Zeichen: Viele von ihnen lehnen das alte zentralistische, autoritäre Modell grundsätzlich ab und sind offen für demokratische Reformen.

 Der KNLA-Sanitäter Saw Shwe Maung behandelt vertriebene Zivilisten im Kayin-Staat .
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Wie ist die humanitäre Lage?

Seit dem Militär-Putsch Anfang 2021 dokumentieren Menschenrechtsorganisationen und unabhängige Ermittler eine Vielzahl schwerwiegender Verbrechen der Militärjunta. Dazu zählen willkürliche Tötungen von Zivilisten, Luft- und Artillerieangriffe auf bewohnte Gebiete, Dorfzerstörungen, Landminen, Folter sowie sexuelle Gewalt. Auch Zwangsrekrutierungen sind weit verbreitet: Laut Human Rights Watch wurden 2024 über 1.800 Kinder von Militär oder verbündeten Kräften zwangsweise eingezogen. Dorfbewohner in Konfliktzonen werden häufig unter Drohungen zu Dienst oder Unterstützung gezwungen. Dennoch hält die Junta, laut einer Auswertung Ende 2024, „weniger als die Hälfte“ des Staatsgebiets; aktuelle Quelle sprechen sogar von nur mehr 20-30 % des Staatsgebietes, das von der Junta kontrolliert wird. In einzelnen Bundesstaaten wie Kayah State liegt die Kontrolle bei den ethnischen Widerstandsgruppen bereits bei etwa 80 %.

Die heftigsten Gefechte tobten 2024 in den Staaten Chin, Kachin, Kayah, Shan und Rakhine, wo der Widerstand große Gebiete unter seine Kontrolle gebracht hat. Die Armee reagierte mehrmals mit systematischen Luftangriffen und Artilleriebeschuss auf Städte und Dörfer. Laut einer Analyse von Action on Armed Violence (AOAV) wurden allein 2024 über 450 Luft- und Explosionsangriffe dokumentiert, bei denen 3.800 Menschen getötet oder verletzt wurden – 89 % davon Zivilisten. Insgesamt sind seit Beginn des Bürgerkriegs nach Schätzungen von The Diplomat über 73.000 Menschen ums Leben gekommen, allein im Jahr 2024 mehr als 20.000. Immer wieder werden ganze Dörfer niedergebrannt, Schulen und Krankenhäuser zerstört und Lebensmittellager bombardiert. Im Oktober 2025 berichtete The Guardian über einen Angriff der Armee mit einem motorisierten Gleitflugzeug auf eine Protestkundgebung, bei dem mindestens 20 Menschen, darunter mehrere Kinder, getötet wurden.

Die humanitäre Lage im Land ist katastrophal. Laut den Vereinten Nationen sind derzeit rund 3,5 Millionen Menschen innerhalb Myanmars auf der Flucht, weitere eine Million befinden sich in Nachbarländern wie Thailand, Indien oder Bangladesch. Etwa 20 Millionen Menschen, also fast ein Drittel der Bevölkerung, benötigen humanitäre Hilfe. Ganze Regionen sind von Nahrungsmittelknappheit betroffen, da Ernten vernichtet und Lieferwege unterbrochen wurden.

Besonders in Rakhine State, im Westen des Landes, droht eine Hungersnot. Ein aktueller Bericht von Reuters vom Oktober 2025 beschreibt eine dramatisch wachsende Ernährungskrise, bei der bereits 16 Millionen Menschen keinen regelmäßigen Zugang mehr zu Nahrung haben. Auch Krankheiten wie Malaria, Dengue-Fieber und Durchfall breiten sich durch zerstörte Infrastruktur und mangelnde medizinische Versorgung aus.

Der russische Verteidigungsminister, General Sergej Schoigu, bei einem Treffen mit dem Oberbefehlshaber der Streitkräfte der Republik Myanmar, General Min Aung Hlaing.
Wiki | Mil.ru - CC BY 4.0

Internationale Unterstützung für die Junta

International stößt der Krieg zwar auf breite Verurteilung, doch die ernsthafe Reaktionen bleiben weitgehend aus. Die Vereinten Nationen warnen regelmäßig vor einer „humanitären Katastrophe von historischem Ausmaß“, doch diplomatische Bemühungen verlaufen im Sande. Die USA, EU, Großbritannien, Kanada und weitere Staaten haben Sanktionen gegen führende Militärs, regimenahe Unternehmen und staatliche Energiegesellschaften verhängt. Doch viele dieser Maßnahmen zeigen kaum Wirkung, da die Militär Junta weiterhin Unterstützung von mehreren einflussreichen Staaten erhält.

So zählt Russland zu den wichtigsten Partnern des Regimes: Seit dem Putsch 2021 lieferte Moskau Rüstungsgüter im Wert von über 400 Millionen US-Dollar, darunter Kampfjets vom Typ MiG-29 und SU-30, Hubschrauber sowie Raketenartillerie. Auch China spielt eine zentrale Rolle und belieferte Myanmar laut UN-Berichten mit Waffen im Wert von rund 270 Millionen US-Dollar – etwa mit leichten gepanzerten Fahrzeugen, Drohnen und Munition. Indien hat über staatliche und private Unternehmen wie Yantra India und Bharat Electronics Limited Artilleriekomponenten, Radarsysteme und Kommunikationsgeräte geliefert, die militärisch genutzt werden.

Neben militärischer Unterstützung profitiert die Junta von weitreichenden wirtschaftlichen Beziehungen. Besonders Singapur fungiert als wichtiger Finanz- und Investitionsknotenpunkt: Singapurische Firmen wie Interra Resources sind weiterhin in der Öl- und Gasförderung aktiv und beliefern das vom Militär kontrollierte Staatsunternehmen MOGE mit Millionen Barrel Rohöl. Auch chinesische Staatskonzerne wie die Aviation Industry Corporation of China (AVIC) liefern Flugzeuge und Technologie, während einige internationale Konzerne – darunter Airbus, das bis 2024 Anteile an AVIC hielt – erst nach öffentlichem Druck ihre Verbindungen lösten.

Das UN-Büro für humanitäre Angelegenheiten (OCHA) kritisierte zuletzt, dass nur 4 % der benötigten internationalen Hilfsgelder tatsächlich bereitgestellt wurden – ein erschütternd niedriger Wert angesichts der Dimension der Krise. UN-Beobachter warnen bereits, dass Myanmar auf eine vollständige staatliche Zerrüttung zusteuert: Die Junta kontrolliert nur noch Teile der zentralen Städte wie Naypyidaw, Mandalay und Yangon, während der Widerstand große Gebiete im Norden und Osten hält. Viele Regionen haben ihre eigene Verwaltung aufgebaut, Schulen und Gerichte eingerichtet – faktisch existieren dort zwei parallele Staaten.

Die MAF bombardiert die Stadt Kyauktaw
Wiki | Chun Nrein/MPATV - CC BY 3.0

Kaum Friedensbemühungen aus Asien

Ein zentraler Akteur der bisherigen Friedensverhandlungen ist die Association of Southeast Asian Nations (ASEAN), die nach dem Militärputsch von 2021 einen sogenannten Fünf-Punkte-Konsens verabschiedete, der einen Waffenstillstand, humanitären Zugang, Dialog zwischen allen Parteien und einen ASEAN-Sondergesandten vorsieht. Allerdings weigert sich die Militärführung, den Dialog voll umzusetzen, weshalb die ASEAN-Initiative weitgehend stillsteht.

Ein weiterer aktiver Vermittler ist das Nachbarland China, das insbesondere im Norden Myanmars mediiert hat. Beispielsweise vermittelte China Anfang 2025 ein Abkommen zwischen der Militärregierung und der ethnischen Rebellengruppe Myanmar National Democratic Alliance Army (MNDAA) nahe der chinesischen Grenze, das offiziell als formeller Waffenstillstand ausgewiesen wurde – doch dieses Abkommen lässt sich kritisch betrachten.

Denn China verfolgte mit dem Abkommen weniger eine altruistische Friedensbemühung als vielmehr der Wahrung eigener regionaler Interessen. Zum einen will man Stabilität entlang der eigenen Südgrenze gewährleisten, um den grenzüberschreitenden Handel, Infrastrukturprojekte und chinesische Staatsbürger zu schützen. Zum anderen sichern sich chinesische Unternehmen durch politische Einflussnahme Zugang zu Rohstoffen, Energieprojekten und Handelsrouten, etwa im Rahmen der „Belt and Road Initiative (BRI)“. China könnte eine Schlüsselakteur im Friedensprozess einnehmen, doch sein Handeln ist in erster Linie von strategischen und wirtschaftlichen Interessen geprägt.

Auch Thailand hat sich als Vermittlungsstaat angeboten und Grenzeinsatz als humanitäre Korridore eingerichtet. Ein Angebot zur direkten Mediation wurde unterbreitet. Doch auch hier bleibt offen, ob diese Versuche zu einem echten Dialog führen. Denn auch Thailand arbeitet mit der Junta zusammen. So bezieht das Land einen erheblichen Teil seines Erdgases aus Myanmar, das über Pipelines nach Thailand exportiert wird. Der thailändische Energiekonzern PTT (Petroleum Authority of Thailand) arbeitet dafür weiterhin mit dem myanmarischen Staatsunternehmen MOGE (Myanma Oil and Gas Enterprise) zusammen – trotz internationaler Kritik, da die Einnahmen aus diesen Geschäften direkt in die Kassen der Militärregierung fließen.

Ein Protest mit mehreren Schildern für die Freiheit in Myanmar
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Keine Unterstützung aus dem Westen

Die US-Regierung unter Donald Trump hält formal an bestehenden Sanktionen gegen führende Militärs, staatsnahe Unternehmen und Banken fest, zeigt jedoch eine weniger engagierte Haltung als die Vorgängerregierung. Während humanitäre Hilfe für die Bevölkerung fortgeführt wird, hat Washington seinen diplomatischen Druck reduziert, einige Sanktionen aufgehoben und den Fokus stärker auf den geopolitischen Wettbewerb mit China verlagert. UN-Experten werfen der Trump-Regierung vor, der Junta damit indirekt mehr Handlungsspielraum zu lassen.

Die Europäische Union hat ihre restriktiven Maßnahmen bis April 2026 verlängert, darunter Einreiseverbote, das Einfrieren von Vermögenswerten und ein umfassendes Waffenembargo. Zugleich unterstützt die EU gezielt zivile Organisationen, ethnische Gemeinschaften und Flüchtlingshilfeprogramme in den Grenzregionen, um die humanitären Folgen des Bürgerkriegs abzumildern und demokratische Strukturen langfristig zu stärken.

Doch wirkungsvoll sind die Maßnahmen nur teilweise: Denn trotz der EU-Sanktionen bleiben viele der größten Einnahmequellen der Militärjunta, etwa aus Erdgas- und Rohstoffexporten, weitgehend unberührt, da zahlreiche Geschäfte über Staaten oder Firmen laufen, die nicht oder nur teilweise sanktioniert sind. Gleichzeitig kann die Junta weiterhin über Drittstaaten und Partnerfirmen an militärisch relevante Technologien gelangen, wie etwa europäische Komponenten für Drohnensysteme. Fälle aus Österreich oder Deutschland zeigen, wie heimisches Kriegsmaterial und Maschinen von der Junta genutzt werden.

Myanmar steht aktuell am Rande des Zusammenbruchs. Das Militär hält mit brutaler Gewalt an der Macht fest, während die Bevölkerung in Armut, Angst und Unsicherheit lebt. Der Widerstand ist entschlossen, das Regime zu stürzen, doch bleibt fraglich, ob die verschiedenen Gruppen langfristig konfliktrei zusammenarbeiten können. Internationale Beobachter vergleichen die Situation zunehmend mit Syrien: ein zerstörtes Land, Millionen Vertriebene, eine schwache Weltgemeinschaft und ein endloser Krieg. Ohne entschlossene internationale Vermittlung, massive humanitäre Hilfe und Druck auf das Regime droht Myanmar zu einem „vergessenen Krieg“ zu werden – mit verheerenden Folgen für die gesamte Region Südostasien.

Autor: Maximilian Stark 21.10.25, lizenziert unter CC BY-SA 4.0

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