Sudan / Darfur

Eine Grafik zum Sudan Konflikt mit der Sudan-Flagge und mehreren Menschen im Vordergrund
Better World Info | Mei

➡️ Sudans Bürgerkrieg 2023 – heute: Der vergessene Konflikt

Der Konflikt im Sudan wurzelt in ethnischen Spannungen, wirtschaftlichen Ungleichheiten und jahrzehntelanger politischer Instabilität. Der Bürgerkrieg geht nun in sein zweites Jahr, da die beiden verfeindeten Lager in einem Machtkampf verharren, der bereits 61.000 Menschen das Leben gekostet hat.

Der Krieg hat die größte Vertreibungskrise aller Zeiten ausgelöst, und eine dramatische Nahrungsmittelunsicherheit hat die weltweit größte Hungerkrise entstehen lassen.

Während die Aufmerksamkeit der Welt auf andere Krisenregionen wie die Ukraine und Gaza gelenkt wird, müssen wir dringend humanitäre Hilfe einfordern, friedliche Lösungen vorantreiben und die Straflosigkeit für schwerste Menschenrechtsverletzungen und ethnische Säuberungen im Sudan beenden.

Mit der eskalierenden Gewalt zwischen den sudanesischen Streitkräften (SAF) und den Rapid Support Forces (RSF) wachsen auch die Gefahren für die sieben Nachbarländer des Sudan. In dieser fragilen Weltregion belasten mehr als zwei Millionen Flüchtlinge, die ins Ausland geflohen sind, die ohnehin knappen Ressourcen enorm – und die Gefahr einer Ausweitung des Konflikts ist besorgniserregend.

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Eine Karte des Sudans
ElijahPepe | CC BY-SA 4.0

Was sind die Ursachen des Konflikts im Sudan?

Die Kämpfe zwischen den rivalisierenden Lagern begannen im April 2023: Die SAF unter General Abdel Fattah al-Burhan und die mächtige paramilitärische RSF unter Mohamed Hamdan Dagalo ringen um die Kontrolle über den Staat und seine wertvollen Ressourcen.

Seit seiner Unabhängigkeit 1956 hat der Sudan drei Bürgerkriege erlebt, die sich über mehr als 40 Jahre erstreckten. Als größtes Land Afrikas liegt er zwischen einigen der instabilsten Regionen der Welt. Zudem prägt ihn ein tiefes wirtschaftliches Gefälle zwischen dem wohlhabenderen arabisch-muslimischen Norden und dem weniger entwickelten, mehrheitlich christlichen Süden. Innere Konflikte haben das Land über Jahrzehnte hinweg gezeichnet.

Hungersnöte und Menschenrechtsverletzungen sind im Sudan gut dokumentiert und setzten sich auch nach der Abspaltung des Südsudan 2011 fort. Der zweite Bürgerkrieg, der zu dieser Teilung führte, forderte zwei Millionen Todesopfer.

Nach einem Putsch 1989 regierte der autoritäre Diktator Omar al-Baschir den Sudan durch den ersten Bürgerkrieg, die Abspaltung des Südsudan sowie den Darfur-Krieg ab 2003, in dessen Verlauf ein Völkermord begangen wurde. Al-Baschir führte eine strenge Scharia ein, setzte eine umstrittene Religionspolizei ein und verfolgte alle religiösen Aktivitäten außerhalb des Islam.

Nach 30 Jahren brutaler Herrschaft erhoben sich die Menschen im Sudan 2019 in der „Revolution des Volkes“ und forderten eine Rückkehr zur Demokratie. Das Ergebnis war ein Militärputsch, den SAF und RSF gemeinsam ausführten.

Ein Flüchtlingslager mit vielen Zelten im Sudan
Flickr | United Nations Photo

Die RSF, eine während der Baschir-Ära gebildete Miliz, sind verantwortlich für grausame Angriffe im Darfur-Krieg, die Massenvertreibungen, sexuelle Gewalt und andere Kriegsverbrechen einschlossen. Sie wandten sich von Baschir ab und kooperierten mit den SAF beim Aufbau einer Übergangsregierung.

Der unter Burhan und Hemedti gebildete Übergangsrat sollte die katastrophale Wirtschaftslage stabilisieren. Doch da die Verfassung außer Kraft gesetzt war, froren Weltbank und Internationaler Währungsfonds ihre Finanzhilfen ein. Der Übergang war von Gewalt, Kontroversen und dem Fehlen ziviler Führung geprägt – erneut kam es zu Massenprotesten.

Ein zweijähriges Abkommen zur Einführung ziviler Herrschaft wurde von der Bevölkerung abgelehnt, da keine Rechenschaft für die Verbrechen beider Militärfraktionen vorgesehen war. Der Machtkampf zwischen SAF und RSF verschärfte sich zunehmend.

Im April 2023 eskalierte die Situation, als beide Seiten Truppen im ganzen Land stationierten. Ausländische Einflüsse – etwa durch die Vereinigten Arabischen Emirate, die USA, die russische Wagner-Gruppe und Großbritannien – verschärften den Konflikt zusätzlich. Die Hoffnung auf eine demokratische Wende schwand, und nachdem der UN-Sondergesandte ausgewiesen wurde, brachen die Friedensbemühungen vollständig zusammen.

Die anhaltenden Kämpfe zerstören weiter das Leben der Zivilbevölkerung, die ohnehin schon unter Krankheiten, wirtschaftlicher Instabilität und den Folgen des Klimawandels leidet. Der Krieg begann in einer Zeit, in der der Sudan bereits das höchste Maß an humanitärem Bedarf seit einem Jahrzehnt verzeichnete.

Mehrere weibliche Geflüchtete auf einem Weg im Sudan
Rawpixel | CC0 License

Sudan – Eine der schlimmsten humanitären Katastrophen der Welt

  • 30,4 Millionen Menschen – die Hälfte der Bevölkerung – sind derzeit auf humanitäre Hilfe und Schutz angewiesen. Der Krieg hat extreme Engpässe bei Lebensmitteln, Wasser, Medikamenten und Treibstoff verursacht.
  • 24 Millionen Menschen sind von Nahrungsmittelunsicherheit betroffen, davon 5 Millionen auf Notfallniveau.
  • 11,5 Millionen Menschen wurden gewaltsam aus ihren Häusern, Schulen und Lebensgrundlagen vertrieben – die schlimmste Vertreibungskrise weltweit.
  • 2 Millionen Menschen sind in Nachbarländer wie Tschad, Äthiopien und Südsudan geflohen. Dort sind die Flüchtlingslager überfüllt und können keine menschenwürdigen Bedingungen bieten.
  • 70 % der Gesundheitseinrichtungen in den Konfliktgebieten sind nicht mehr funktionsfähig.

In West-Darfur kam es zu den schwersten Angriffen auf Zivilisten und massiven Verstößen gegen das Völkerrecht. Dort wurden mehrere Massengräber entdeckt, in denen Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen verscharrt wurden. Die wenigen Hilfslieferungen werden systematisch geplündert und erreichen die Bedürftigsten kaum. Aktivisten und Freiwillige, die Hilfen organisieren, werden in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt, bedroht, angegriffen und festgenommen.

Zivilisten sind die größten Verlierer jedes Krieges: Ihre Häuser, ihr Leben, ihre Sicherheit, ihre Gemeinschaften und ihre Gesundheitssysteme werden zerstört. Wasseraufbereitungsanlagen wurden angegriffen und zerstört, viele Menschen haben keinen Zugang mehr zu sauberem Wasser. Große Teile des Landes sind ohne Strom und Kommunikationsnetze. Märkte, Schulen, Krankenhäuser, Straßen und Verwaltungsgebäude sind völlig unzugänglich.

Konfliktbedingte sexuelle Gewalt ist weit verbreitet. Frauen und Kinder leiden unter unvorstellbaren Bedingungen. Schon vor Ausbruch des Bürgerkriegs waren über 3 Millionen Frauen und Mädchen von geschlechtsspezifischer Gewalt bedroht.

12 Millionen Kinder werden aktuell ihrer Bildung beraubt. Insgesamt sind mittlerweile 19 Millionen Kinder im Sudan ohne Schulunterricht.

Selbst vor Beginn der Kämpfe befand sich der Sudan in einer tiefen Wirtschaftskrise. Rasante Inflation und Mangel an Grundgütern lähmten das Land. Die Hälfte der Bevölkerung ist arbeitslos, das sudanesische Pfund hat die Hälfte seines Wertes verloren.

In einem Land, das bereits am Limit war, hat der Krieg die Menschen in unvorstellbares Leid und menschenunwürdige Zustände gestürzt. Die Vereinten Nationen und Organisationen wie das International Rescue Committee versuchen verzweifelt, auf die dramatische Situation aufmerksam zu machen und dringend benötigte Mittel für Hilfe zu mobilisieren.

Die Zeit zum Handeln ist jetzt! Alle zwei Stunden stirbt ein Kind in sudanesischen Flüchtlingslagern. Politik und Medien dürfen das Leid der Bevölkerung nicht länger ignorieren – für viele ist Krieg der einzige Zustand, den sie je erlebt haben.

Eine Hand mit Peace-Geste vor einer Sudan-Flagge
Pixabay | David_Peterson

Gibt es eine Chance auf Frieden und Versöhnung im Sudan?

Die Gewalt im Sudan hält unvermindert an. SAF und RSF kontrollieren jeweils unterschiedliche Landesteile, doch die Kämpfe breiten sich weiter aus. Weite Teile West- und Zentral-Darfurs stehen unter RSF-Herrschaft, während der Osten und Süden des Landes von der SAF dominiert werden.

Burhan und Hemedti haben bereits zwei vereinbarte Termine für Friedensgespräche verstreichen lassen. Im Oktober 2023 organisierten die USA und Saudi-Arabien Waffenstillstandsverhandlungen in Dschidda – sie scheiterten noch bevor sie begannen.

Im Dezember verstärkten die USA ihre diplomatischen Bemühungen und forderten die Generäle zu einem bedingungslosen Waffenstillstand, zu Gesprächen und einem direkten Treffen auf. Beide Seiten lehnten nicht nur Verhandlungen miteinander, sondern auch mit der Zivilbevölkerung und internationalen Partnern ab. Seither liegt der Friedensprozess brach.

Da beide Parteien an ihren Kriegsstrategien festhalten, schwinden die Hoffnungen auf eine friedliche Lösung. Sanktionen durch Großbritannien und die USA haben bislang nichts zur Deeskalation beigetragen.

Der UN-Sicherheitsrat hat ein sofortiges Ende der Kampfhandlungen gefordert, die Einhaltung des humanitären Völkerrechts verlangt und den ungehinderten Zugang für Hilfsorganisationen angemahnt.

Doch ausländische Einflüsse erschweren die Vermittlung massiv. Unterschiedliche regionale und globale Akteure unterstützen die Konfliktparteien mit Waffen und Ressourcen – und heizen den Krieg damit weiter an, während Rüstungsfirmen und Waffenschmuggler profitieren.

Wir müssen weiter auf einen landesweiten Waffenstillstand drängen, sichere humanitäre Korridore schaffen und auf nachhaltigen Frieden hinarbeiten. Erst dann kann sich die Lage der Zivilbevölkerung verbessern.

Lösungen müssen die tieferliegenden Ursachen anpacken: Machtteilung, wirtschaftliche Ungleichheit, soziale Ungerechtigkeit und ethnische Gewalt. Lokale Basisinitiativen und internationale NGOs spielen eine entscheidende Rolle bei Friedens- und Versöhnungsprozessen, indem sie Dialog und Verständnis zwischen den über 500 ethnischen Gruppen im Land fördern.

Die Finanzierung bleibt eine riesige Hürde. 2023 erklärte die UN, dass 3 Milliarden Dollar nötig seien, um humanitäre Hilfe im Sudan und seinen Nachbarstaaten zu sichern. Doch nur 40 % dieser Summe kamen tatsächlich zusammen.

Die Menschen im Sudan wurden von der Welt im Stich gelassen – gefangen in einem „vergessenen“ Krieg, der sie in die schlimmste humanitäre Krise weltweit gestürzt hat. Ein greifbarer Frieden ist derzeit nicht in Sicht.

Mit dem völligen Mangel an Medienaufmerksamkeit, wachsenden Schwierigkeiten bei der Hilfsverteilung, einem massiven Finanzdefizit, der Gefahr regionaler Ausweitung und ohne ernsthafte Friedensinitiativen steht der Sudan ganz oben auf der Krisenliste des International Rescue Committee.

„Frieden ist nicht einfach die Abwesenheit von Krieg. Er ist kein passiver Zustand. Wir müssen Frieden so entschlossen verfolgen, wie wir Krieg führen.“ – Dalai Lama

Autorin: Rachael Mellor, 09.05.24 Übersetzung: Maximilian Stark, 18.09.25, lizensiert unter CC BY-ND 4.0

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