Vertrag von Lissabon
Der Vertrag von Lissabon ist ein bedeutendes Dokument in der Geschichte der Europäischen Union. Er trat am 1. Dezember 2009 in Kraft und hat die Funktionsweise der EU grundlegend verändert. Ziel war es, die Union demokratischer, effizienter und transparenter zu gestalten. Der Vertrag stärkte das Europäische Parlament, indem er ihm mehr Mitentscheidungsrechte einräumte. Zudem wurde das Amt des Präsidenten des Europäischen Rates eingeführt, um die Kontinuität der Arbeit zu gewährleisten. Auch die Rolle des Hohen Vertreters für Außen- und Sicherheitspolitik wurde gestärkt, um die EU auf internationaler Bühne geeinter auftreten zu lassen. Ein weiterer wichtiger Aspekt war die Einführung der Bürgerinitiative, die es EU-Bürgern ermöglicht, direkt Einfluss auf die Gesetzgebung zu nehmen. Der Vertrag von Lissabon ist ein Schritt in Richtung einer engeren Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten, wobei er gleichzeitig die Souveränität der einzelnen Länder respektiert.
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Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (Wikipedia)
Ausgebaut wurde auch der Bereich der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die in Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) umbenannt wurde (Art. 42 bis Art. 46 EU-Vertrag). Sie legt als Ziel eine gemeinsame Verteidigungspolitik fest, die jedoch erst nach einstimmigem Beschluss des Europäischen Rates in Kraft treten kann. Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik soll dabei sowohl die Neutralität bestimmter Mitgliedstaaten achten als auch mit der NATO-Zugehörigkeit anderer Mitgliedstaaten kompatibel sein.
Durch Art. 42 Abs. 7 EU-Vertrag erhielt die EU erstmals den Charakter eines Defensivbündnisses; das heißt, im Fall eines bewaffneten Angriffs auf einen der Mitgliedstaaten müssen die anderen ihm „alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung“ leisten. Die Formulierung dieser Bestimmung geht über die gegenseitige Verpflichtung der NATO-Mitgliedsstaaten aus dem Artikel 5 des Nordatlantikvertrages hinaus, der nur zu Beistand im Umfang der für notwendig gehaltenen Maßnahmen verpflichtet.[6]
Die EU übernahm damit Aufgaben, die zuvor der Westeuropäischen Union (WEU) vorbehalten waren; diese wurde dafür Mitte 2011 aufgelöst. Zudem wurde im Vertrag von Lissabon die Gründung einer Europäischen Verteidigungsagenturbeschlossen, die die Rüstungspolitik der Mitgliedstaaten koordinieren soll. Dadurch sollen die Rüstungsausgaben effizienter eingesetzt und verhindert werden, dass die Mitgliedstaaten unnötige Mehrfachkapazitäten aufbauen.
Entscheidungen im Bereich der GSVP können auch nach dem Vertrag von Lissabon grundsätzlich nur einstimmig getroffen werden. Auch durch die neu eingeführte Passerelle-Regelung kann die GSVP nicht in den Bereich der Mehrheitsentscheidungen übergeführt werden. Falls jedoch eine Gruppe von Mitgliedstaaten in der GSVP schneller voranschreiten möchte als andere, haben sie künftig die Möglichkeit einer Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit(Art. 46 EU-Vertrag), die im Wesentlichen der Verstärkten Zusammenarbeit in anderen Politikfeldern entspricht.
Militarismusvorwurf (Wikipedia)
Eine heftige Diskussion lösten schließlich die verteidigungspolitischen Bestimmungen aus, die aus dem Verfassungsvertrag übernommen wurden.[104] So erwähne der Vertrag bei der Formulierung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik zwar „zivile und militärische Mittel“, betone aber allzu sehr die letzteren. Besonders umstritten ist ein Passus in Art. 42 Abs. 3 EU-Vertrag in der Fassung des Vertrags von Lissabon, dem zufolge sich die Mitgliedstaaten verpflichten, „ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern“, worin Kritiker eine Verpflichtung zur Aufrüstung sehen. Außerdem werden die Kompetenzen der Europäischen Verteidigungsagentur, etwa bei der Ermittlung des Rüstungsbedarfs, kritisiert.
Befürworter halten dem entgegen, dass Art. 42 EU-Vertrag lediglich die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik präzisiere, die bereits im Vertrag von Maastricht als Unionsziel verankert und bereits in Art. 17 EU-Vertrag in der Fassung des Vertrags von Nizza vorgesehen ist. Zudem betonen sie, dass die EU-Institutionen grundsätzlich nur im Sinne der zu Beginn des Vertragswerks angeführten allgemeinen Ziele der Union tätig werden dürfen, zu denen nach Art. 3 EU-Vertrag unter anderem die Förderung des Friedens, die gegenseitige Achtung unter den Völkern, der Schutz der Menschenrechte und die Wahrung der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen zählen.
In einem gemeinsamen Schreiben an den Außen-Beauftragten Josep Borrell forderten die Verteidigungsminister Deutschlands, Frankreichs, Italiens und Spaniens 2020, die Solidarität und Widerstandsfähigkeit der EU zu stärken, eine gemeinsame Bedrohungsanalyse voranzutreiben und die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit zu konsolidieren.[105]