20 Atomwaffen in BÜCHEL ~ 60 Hiroshimas

Ein Demoschild auf einer Demo gegen den Fliegerhorst Büchel
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➡️ Atomwaffen in Büchel - Kritik, Gefahren und Protest

Die US-Atombomben in Deutschland. Ein Thema, das die deutsche Zivilgesellschaft und Politik schon lange beschäftigt. Offiziell hat sich die deutsche Bundesregierung nicht dazu geäußert, aber es ist allgemein bekannt, dass in Büchel um die 20 Atomsprengköpfe lagern, die im Ernstfall von der deutschen Luftwaffe abgeworfen werden. Befürworter nennen es notwendige Absicherung gegen äußere Feinde; Kritiker sehen darin eine tödliche Gefahr, die schnellstmöglich abgeschafft werden muss.

Bessere Welt Info schaut auf die Geschichte des Fliegerhorst Büchel und die dort gelagerten Atomwaffen. Wir beschäftigen uns außerdem mit den Gefahren der Lagerung und bieten eine kritische Perspektive auf die deutsche nukleare Teilhabe. Abschließend beleuchten wir die jahrzehntelange Protestbewegung gegen die Atombewaffnung und schauen auf mögliche alternative Ansätze. 

Die Geschichte des Fliegerhorst Büchel

Der Fliegerhorst in Büchel wurde 1954 von der französischen Besatzungsmacht erbaut. Als Deutschland ein Jahr später seine Souveränität erhielt und der NATO beitrat, wurde der Militärflugplatz der Bundeswehr übergeben. 

Seit 1958 ist das deutsche Jagdbombengeschwader 33 offiziell der NATO unterstellt und mit Kampfflugzeugen des Typs Starfighter ausgerüstet. Die atomare Bewaffnung bestand damals aus der Mk-28 Atombombe, die über eine Sprengkraft von 1100 Kilotonnen verfügte. 

1968 wurde sie dann von der Mk-43 Atombombe abgelöst, die über eine Sprengkraft von 1 Megatonne verfügt. Zum Vergleich: die Atombombe, die 1945 auf Hiroshima abgeworfen wurde, verfügte über gerade einmal 13 Kilotonnen Sprengkraft. Mittlerweile gibt es verschiedene Bomben im Atomwaffenarsenal, die für unterschiedliche taktische Manöver entwickelt wurden oder für einen Abwurf aus geringer Höhe. Die Atombewaffnung der Starfighter konnte nur durch US-Personal geschärft werden. 

 

Tornado IDS 46+02 des Jagdbombergeschwaders 33 auf dem Stellplatz vor der Werft
Wiki | Neuwieser - CC BY-SA 2.0

1985 wurde dann auf Tornado-Jets umgestellt. Derzeit befinden sich zwischen 30 und 50 Jets dieses Typs auf dem Flugplatz. Doch 2030 sollen die Tornados in den Ruhestand überführt werden. Stattdessen sollen die 35 neu beschaffte Kampfbomber des Typs F-35 in Büchel stationiert werden. Die dafür benötigte Grundsanierung der Start- und Landebahn wird derzeit durchgeführt - 2028 soll sie fertiggestellt werden. Deshalb sind einige der Tornado-Jets aktuell auf dem Fliegerhorst Nörvenich bei Köln untergebracht. Aktuell arbeiten 2000 militärische und zivile Angehörige auf dem Fliegerhorst Büchel.

Der Standort verfügte über drei unterschiedliche Lagerorte für die Atomwaffen. Bis 1989 gab es eine Bunkeranlage auf dem Flugplatzgelände, wo ein Teil der Atomwaffen gelagert wurde. Der andere Teil befand sich 3 km entfernt vom Gelände und musste durch Konvois zu den Flugzeugen gebracht werden. Dieser Transport war äußerst auffällig und wäre leicht für Sabotageakte anfällig gewesen. 1990 wurde daher ein neues Atomwaffenlager errichtet, das die Lagerung direkt unter den Flugzeugen ermöglicht. 

Aktuell werden dort bis zu 20 taktische US-Atomwaffen des Typs B61-3/4 gelagert. Die Sprengkraft variiert zwischen 0,3 bis 170 Kilotonnen und wäre damit 13-fach stärker als die Bombe von Hiroshima. Da die Waffen Teil der nuklearen Teilhabe Deutschlands und an ein NATO-Abkommen geknüpft sind, wäre ihr Einsatz mit einer Freigabe des amtierenden US-Präsidenten verbunden – im Ernstfall wären es aber deutsche Bomber, die für den Abwurf verantwortlich wären. 

Offiziell werden sie von der US Air Force und dem 702. Munition Support Squadron verwaltet. Diese Einheit ist verantwortlich für die Überwachung, Verwahrung, Wartung und Freigabe der Waffen. Die deutsche Luftwaffe unterstützt diese Einheit. Aktuell bauen die USA 500 neue Atombomben des Typs B61-12 für 10 Milliarden US-Dollar (Atomwaffen A-Z 2022). Bislang waren reine Abwurfbomben im Einsatz. Die neuen Waffen enthalten Steuerungssysteme, die Reichweite und Zielgenauigkeit verbessern. 

Außerdem ist es möglich, die Sprengkraft vor dem Einsatz anzupassen und die Bombe ist so konstruiert, dass sie erst tief in die Erde eindringt kann und dann explodiert, um speziell Bunker- oder Tunnelanlagen zu zerstören. Durch die erhöhte Präzision fürchten Kritiker, dass sich die Einsatzwahrscheinlichkeit erhöhen könnte. Bereits Anfang 2023 sollen die neuen Atomwaffen in Europa stationiert worden sein.

 

Eine Grafik zu den Atomwaffen nach Ländern 2023
statista 2023

Kritik und Gefahren der Atomwaffenpolitik

Die Debatte über die Lagerung und Bereitstellung der amerikanischen Atomwaffen auf deutschem Boden ist lang. Kritiker argumentieren, dass die Präsenz von Atomwaffen auf deutschem Boden gegen den Geist des Atomwaffensperrvertrags verstößt, der eine nuklearwaffenfreie Zone in Deutschland vorsieht. Auch würde man, durch die Atomwaffen, über die man schlussendlich nicht einmal die volle Verfügung hat, zu einem potenziellen Angriffsziel, vor allem für Russland steht der Atomwaffenstandort Büchel weit oben auf der Ziel-Liste. Deutschland ist als NATO-Mitglied Teil der nuklearen Abschreckungsstrategie der Allianz. 

Mit dem NATO-Doppelbeschluss von 1979 rüstete man Europa im Kalten Krieg mit Nuklearwaffen auf. 1985 gab es Gespräche zwischen den USA und Russland über militärsiche Abrüstung. Nach der Wiedervereinigung wurden die meisten der US-Atomwaffen aus Deutschland abgezogen. Die Existenz der verbliebenen Bomben verblasste, viele wissen nichts von den Atomwaffen auf deutschem Boden. 

Mit dem Krieg in der Ukraine flammten die Spannungen zwischen Russland und der NATO wieder auf: neue nukleare Drohungen wurden formuliert und neue Waffensysteme entwickelt. Lange sprach sich in Umfragen die deutsche Zivilgesellschaft deutlich für einen Abzug der verbleibenden Waffen aus. 2022 befürwortete erstmals eine Mehrheit den Verbleib – wohl unter dem Eindruck des russischen Angriffs (NDR 2022). 

Dieser Krieg hat eine neue Debatte über die europäische Sicherheitspolitik ausgelöst. In Deutschland wurde ein 100 Milliarden Sondervermögen für die Bundeswehr eingerichtet und man spricht davon, kriegstauglich werden zu müssen. Im Diskurs zur Konfliktbewältigung dominieren die politischen Stimmen, die Aufrüstung, Militarisierung und Abschreckung fordern – notfalls auch nuklear. 

Zuletzt sprach der französische Präsident Macron sogar von einem möglichen Einsatz von NATO-Bodentruppen. Diese Rhetorik befeuert eine gefährliche Eskalationsspirale, die nuklear ausgetragen, wohl das Ende der westlichen Zivilisation bedeuten würde. Dessen sollte man sich bewusst sein, wenn man statt auf Diplomatie und Frieden auf Abschreckung und Aufrüstung setzt.

Doch auch zur Lagerung der Waffen wurden in der Vergangenheit Sicherheitsbedenken geäußert. Das Risiko für Unfälle, Diebstahl oder Sabotage ist potenziell gegeben – nur wären die Folgen verheerend. Obwohl man vorgab, das Gelände lückenlos gesichert zu haben, gelang es immer wieder Aktivisten, auf das Gelände vorzudringen. 

Ein weiterer Aspekt der Kritik betrifft die Umweltauswirkungen. Militärische Aktivitäten, die mit der Lagerung und Bereitstellung von Atomwaffen verbunden sind, können erhebliche Umweltschäden verursachen. Dies reicht von der Verschmutzung durch Treibstoffe oder starke Umweltbelastung durch den Uranabbau bis hin zu möglichen Kontaminationen durch Unfälle oder unsachgemäße Entsorgung. Wie nachhaltig der Schaden einer Atombombe ist, lässt sich in Hiroshima und Nagasaki beobachten, wo die Hitze, der Druck und die Strahlung, die lokale Flora und Fauna jahrzehntelang radioaktiv verseuchten. 

Hinzu kommen die enormen Kosten der Anlage in Büchel. Verteidigungsminister Pistorius bestätigte zuletzt, dass sich die Ausbaukosten der Anlage auf 1,2 Milliarden Euro verdoppeln würden. Die F-35 Atombomber haben die Bundesregierung bereits 8 Milliarden gekostet. Die USA rechnen bis 2028 mit 474 Milliarden Euro für die Instandhaltung und Modernisierung ihres nuklearen Waffenarsenals.

 

Demonstration gegen Atomwaffen in Deutschland am Fliegerhorst Büchel
Wiki | Buroll - frei

Protest gegen die Atomwaffen in Büchel

Die Protestbewegung gegen den Fliegerhorst Büchel und die dortigen Atomwaffen hat eine lange Tradition. Bereits 1996 formierten sich die ersten Proteste um die Kampagne "Gewaltfreie Aktion Atomwaffen abschaffen". Bei der Wiedervereinigung hatte man sich geeinigt, auf Atomwaffen zu verzichten. Anlass war dann die deutsche Unterzeichnung des Atomwaffensperr-Vertrages 1996 und die anschließende Berichterstattung über die "vergessenen" Atombomben auf deutschem Boden.

Seitdem wird jährlich in Büchel für ein Ende der nuklearen Teilhabe Deutschlands, den Abzug der US-Atombomben und die Unterzeichnung des Atomwaffenverbots-Vertrags von 2017 durch die Bundesregierung demonstriert. Über die Jahre gab es dazu verschiedene Aktionen wie Mahnwachen, Gottesdienste und Demonstrationen um das Gelände. Die bundesweite Kampagne "Büchel ist überall! Atomwaffenfrei jetzt" und der lokale „Initiativkreis gegen Atomwaffen“ koordinieren die Aktionen. 

Seit 2018 gibt es zudem einen jährlichen kirchlichen Aktionstag. Auch Blockaden und Störaktionen waren Teil des Protestes – bis 2020 wurden 96 Aktivisten für eine illegale Betretung des Geländes verurteilt. Eine 2010 eingereichte Klage verlangte das Ende der nuklearen Teilhabe Deutschlands, doch sie wurde abgewiesen. 

In der Vergangenheit gab es auch immer wieder politische Initiativen, die Atomwaffen aus Deutschland abzuziehen. Linke und Grüne setzten sich immer wieder dafür ein. Auch der ehemalige FDP-Außenminister Guido Westerwelle wollte in seiner Amtszeit einen Abzug bewirken – und scheiterte. Im Wahlkampf 2017 nutzte der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz die Debatte als Wahlkampfthema. Doch die Union setzte sich in der anschließenden Koalition durch und unterband Maßnahmen in diese Richtung. In der AfD streitet man bislang über eine klare Position bezüglich einer Atombewaffnung. 

Das politische Klima hat sich seit dem Ukrainekrieg dahingehend nochmals verschärft und die Stimmen, die eine nukleare Abrüstung fordern, sind leiser geworden. Die Anschaffung der F-35-Jets, die in der Lage sind, Atomwaffen zu transportieren, ist wohl das deutlichste Zeichen der Scholz-Regierung in diese Richtung – denn die Grünen und die SPD hatte sich lange dagegen gesperrt. Auf die Frage nach eigenen deutschen Atomwaffen reagierte Scholz dagegen ablehnend. Doch Katarina Barley, SPD-Spitzenkandidatin bei den EU-Wahlen, brachte unlängst eine europäische Atomwaffe ins Gespräch. 

 

Das Logo der Anti-Atomwaffenorganisation ICAN
Flickr | ippnw Deutschland -CC BY-NC 2.0

Für eine atomwaffenfreie Welt und Gesellschaft

Die Debatte über Atomwaffen ist komplex. Unlängst hatte Donald Trump verlauten lassen, sollte er wieder US-Präsident werden, könnte er sich vorstellen, aus der NATO und den damit verbundenen Verpflichtungen auszusteigen. Damit würden dann vielleicht tatsächlich die US-Atomwaffen von deutschem Boden verschwinden. Ob dieses Szenario wirklich realistisch ist, bleibt fraglich. Aber mit diesem Gedankenspiel offenbart sich das viel größere Problem: Man hat sich sicherheitspolitisch jahrzehntelang abhängig von den USA gemacht und sich auf den amerikanischen Schutz verlassen. 

Auf sich selbst gestellt zu sein, war in Deutschland nicht mehr Teil des politischen Diskurses und umso hilfloser wirkt man nun. Die realpolitische Aufgabenstellung wäre, eine eigene und selbstständige Sicherheitspolitik zu bilden. Aktuell setzt man dabei vor allem auf die Aufrüstung der Bundeswehr, Abschreckungsszenarien und martialische Parolen. Ob sich damit nachhaltig Frieden schaffen und gewährleisten lässt, bleibt fraglich. Die Ansätze, die Diplomatie, Friedenssicherung oder Konfliktbewältigung vertreten, sind jedenfalls kaum Teil der Debatte. 

Bessere Welt Info wirbt für eine nachhaltige Friedenspolitik, die Dialog und Austausch in den Vordergrund stellt. Es wurde schon zu viel Geld in Rüstung und Militär gesteckt – ohne dass dies global nennenswert zu Frieden oder Völkerverständigung beigetragen hätte. Wir fordern daher einen Kurswechsel: hin zu wirklichen Friedensverhandlungen – ohne Androhung von Waffengewalt und Abschreckungsszenarien. 

Autor: Maximilian Stark 05.04.24, lizenziert unter CC BY-NC-SA 4.0

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